Am 03.07.2024 um 20:44 schrieb waldemar hammel über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


du karl überhörst oder verwechselst da etwas,
es geht mir bei meinem kritisieren des religiösen nicht nur ums christliche, sondern um ALLES religiöse generell,
dass der menschheit insgesamt unendlich mehr geschadet hat und bis heute schadet, als nutzt,

und..., ich nehme "das zeitalter der -endlich- aufklärung" halt ernst ! (analog karl-heinz deschner usw)

Also doch noch einmal zu diesem leidigen Thema: Würde ich Dich nicht genau kennen, gäbe es definitiv keine Antwort mehr von mir auf Deine „Postings“ dieser Art.

Gefallener Engel“ oder von persönlicher Lebensgeschichte verschreckter Zeitgenosse, ein zutiefst vom Leben und den Menschen enttäuschter Idealist. Das erklärt mir Deine Misanthropie und die perrenierend hier vorgebrachte vernichtende Kritik an Religion, Politik und Gesellschaft.

Ohne das Korrektiv der Kritik kann keine Instanz, keine Gesellschaft, kein Mensch funktionieren. Dabei muss es sich jedoch um konstruktive und nicht destruktive, schon gar nicht um unsachliche Kritik handeln. Und da bist Du mit Deschner in guter Gesellschaft, eher noch in direkter Verwandtschaftsbeziehung! Darüber haben wir uns schon mal hier ausgetauscht.

Deschner hat seine ursprüngliche Religiosität ebenso wie Du verdrängt. Es ist ihm - wie vielen anderen Religionskritikern - nicht gelungen, die historisch bedingte Struktur von Religion und Kirche in eine zeitgemäße Verfasstheit zu transformieren. Dass diese Überführung auch der Kirche bis heute nicht gelungen ist, stellt das eigentliche Problem heutiger Lehre und Praxis von Religion dar. Es ist dies mit ein Hauptgrund dafür, dass Menschen der sog. Amtskirche als Institution den Rücken kehren, unbenommen der zumeist vorgeschobenen Begründung, man sei wegen der Missbrauchsfälle o.ä. Gründen aus der Kirche ausgetreten. Zudem dürfte es vielen Katholiken - wie mir auch - schwer fallen, die Aussagen des jetzigen Papstes als Richtschnur für ihre eigene Religiosität oder ihre Verbindung zur Kirche zu akzeptieren.

Es ist also u.a. die nicht in diese Zeit übertragene Sprache, in der man nach wie vor Exegese, also die Auslegung historisch biblischer Texte, betreibt. Nehmen wir ein praktisches Beispiel: Als Chorsänger stehe ich auf der Empore und sehe im Kirchenschiff junge Menschen, die als Konfirmanten am Gottesdienst teilnehmen. Während die Pastorin Psalmen im Altarraum vorträgt, feixen derweilen die „Konfis“ in ihren Bänken. „Sermon in vain“ dachte ich mir, so erreicht man keine Jugendlichen mehr und ebenso auch nicht erwachsene Kirchgänger, die eine der heutigen Zeit und dem aktuellen Wissen über Welt und Kosmos angepasste Vermittlung des Zugang zu einem geglaubten Gott erwarten. Wenn ich in aktuellen Beiträgen kirchlicher Schriften lese, überfällt mich bisweilen ein Grausen. Da ist Reform überfällig! 

Du fragst, wie ich als Ingenieur und somit mit naturwissenschaftlicher Ausbildung - obendrein mit meiner Passion für Astrophysik und dementsprechender Sicht auf Welt und Kosmos - noch Christ sein. Vermutlich deshalb, weil ich die überkommene (wenngleich historisch begründbare) Metaphorik der Religion in ein modernes theologisches Bild umgeformt habe.

Wenn ein Mensch dieser Zeit einen Bezug zu Religion, zu einem geglaubten Gott haben will, muss er sich selbst ein entsprechendes Bild schaffen und darin liegt die Problematik für die Kirchen und ihre Vertreter, die den vermittelnden Zugang zu den Menschen verloren haben. Das mag für die katholische Konfession auch an ihren Ritualen liegen, die in ihrer ursprünglichen Bedeutung nicht mehr verstanden werden, da diese in dieser Form nicht mehr vermittelt werden kann.

Dieser beschriebene Sachverhalt bringt allerdings nur die Grundproblematik zum Ausdruck, denn nach wie vor gibt es viele Christen, die - wie für mich bereits beschrieben - durchaus in der Lage sind, überkommene (weil nicht mehr benötigte) Metaphorik in zeitgemäße Ausrichtung zu übertragen. 

Trotz aller Problematik bei diesem nötigen Paradigmenwechsel: Das Christentum ist nicht auszulöschen, da mögen noch so viele „Deschners“ ihr vergebliches Werk verrichten. 

Zudem müssten andere „Kaliber“ als ein Deschner dazu antreten, denn dieser stand sich letztlich aufgrund seines boshaft aggressiven Charakters selbst im Weg und scheiterte - trotz fundierter Kenntnis der Kirchengeschichte - kläglich mit seiner fundamentalen Religionskritik. Sein Ansinnen der Schaffung humaner Lebensformen abseits von Religion mit ihren Dogmen, Ritualen und klerikalen Chliquen in allen Ehren, doch er musste notwendigerweise an seinem Fatalismus scheitern, der sein Menschen- und Weltbild prägte. „Wie sich die Bilder gleichen!“

Recondita armonia“, damit meine ich nicht diese wunderschöne Arie des Cavaradossi in der Oper Tosca, die ich erstmals als Student im Münchener Nationaltheater ganz oben von den Stehplätzen hörte, sondern ein anderes Drama, die Gleichheit zwischen Dir und diesem Deschner, bezogen auf ein von Misanthropie und Pessimismus geprägtes fatalistisches Bild von Mensch und Welt.



lediglich weil wir hier im christlichen abendland leben, wo sich jeder selbst gute bilder vom hier halt praktizierten überwiegend-christlichen machen kann,
nehme ich das christentum als exemplarisches beispiel für den gesamten religiösen unrat weltweit, der auf den abfallhaufen der geschichte gehört,
es sei denn, man ist speziell psychisch unbelehrbar masochistisch organisiert, und benötigt daher die dominanz eingebildeter höherer wesen
(religion als kompensatorisches sexuelles bdsm, denn gerade zwischen sexus + relis aller couleuren herrscht eh spinnefeindschaft)

s.o. und zudem: „Spinnefeindschaft“ beruht nicht selten auf Hirngespinsten. Hier glaube ich, verfängst Du Dich in dem von Dir selbst gezogenen Spinnennetz.


es ist doch auch kein zufall, dass heutige menschen -endlich- den kirchen und der organisierten-religion in scharen der rücken kehren,
das muss doch wohl gründe haben?

s.o.

es ist heute, auch endlich, ein paradigmenwechsel zu beobachten, als den leuten zunehmend ins bewusstsein dringt,
dass wir mittlerweile in einer mehr und mehr hochtechnisierten, vorerst jedenfalls, irreversiblen wissenschaftenwelt leben,
und daher ein leben in/unter mittelalterlichen prämissen und anachronismen nicht mehr dazu passt

Religion und Hochtechnologie müssen wahrhaftig in keinem Widerspruch stehen, bzw. sich nicht gegenseitig im Wege stehen. Erstere hat bei entsprechender Transformation in die heutige Zeit - wie oben ausgeführt - nichts mehr gemein mit mittelalterlichen Prämissen oder Anachronismen. Die Metaphorik des klassischen religiösen Schriftguts, inbes. die Bibel ist zeitlos, d.h. lediglich deren Syntax muss an die Moderne angepasst werden, aber nicht deren genuine Semantik.



(du selbst zb: moderner ingenieur+christ, wie passt das in deinem kopf zusammen?)

s.o.



wir -wissen!- heute um weltall, um unser eigenes funktionieren, die entstehung des lebens, um evolution, um den tod, usw zunehmend immer besser bescheid,
wo ist da noch platz für götter?, außer in uns selbst, in unserem eigenen hirnlichen erleben,
weshalb ich "god is nothing but a limbic based feeling" für eine sehr gute und richtige formulierung und bis auf weiteres für einen tragfähigen kompromiss halte,
solange, bis die ursachen dieses "feeling" hirnphysiologisch usw ebenfalls aufgeklärt und aufs übliche ganz natürliche heruntergebrochen sein werden (denn "hirnforschung" steht noch ganz am anfang),
wobei ich vermute, das gottgefühl hängt mit der (gültig für alle lebewesen)/und unserer eigenen überlebenswichtigen (schon immunologisch bedingten) selbstreferenz zusammen,
deren vorgestellte entgrenzung/auflösung zwangsläufig zu "allgefühlen" (alles ist eines/ureinheit/allgeborgenheit/usw) führt, in denen dann gott (oder kosm.intelligenz usw) als vermeintliche instanz steckt

„God is a feeling“ - da hatten wir Konsens. Wie sollte eine angenommene, bzw. geglaubte transzendentale Entität auch nur den Anschein von Körperlichkeit haben? Über das Problem eines anthropomorphen Gottesbildes haben wir ausführlich diskutiert und es als untauglich beschrieben (s. Bonhoeffer -Zitat). Mit der dieszüglichen Vorstellung von Entgrenzung und Allgeborgenheit kamen wir uns näher und insoweit war es mir völlig unverständlich, wie Du nun in einem Handstreich alles wieder zunichte gemacht hast - eine mir längst von Dir bekannte Widersprüchlichkeit!

Und vielleicht doch ein Vorschlag zur Güte: Spar’ Dir Dein „abgekupfertes“ ELI. Mir musst Du nichts beweisen!

KJ