Hallo,

ich lagere die für mich spannende Frage mal aus. Ich weiß nicht, ob die Listenteilnehmer an der Diskussion überhaupt ein vertieftes Interesse haben werden:
Am Mo., 25. Aug. 2025 um 13:31 Uhr schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
> > Am 24.08.2025 um 11:55 schrieb Rat Frag <rat96frag@gmail.com>:
> >
> > "Der Zweite Unvollständigkeitssatz wird zumeist so aufgefasst, dass Hilberts Programm, die Widerspruchsfreiheit der Mathematik oder wenigstens der Arithmetik zu beweisen, nicht durchführbar und das zweite Problem aus Hilberts Liste von 23 mathematischen Problemen unlösbar sei. Allerdings bezieht sich diese Schlussfolgerung auf Gödels natürliche arithmetische Darstellung der Beweisbarkeit, das Beweisbarkeitsprädikat Bew(x). Bei bestimmten künstlichen
> > Modifikationen von Gödels Beweisbarkeitsprädikat gilt der Zweite Unvollständigkeitssatz nicht mehr. Eine solche Modifikation wurde zuerst von John Barkley Rosser bald nach Gödels Veröffentlichung vorgeschlagen; inzwischen versuchen Spezialisten zu klären, worin der Unterschied zwischen natürlich und künstlich eigentlich besteht."
> Neben der innenmathematischen Behandlung des zweiten Unvollständigkeitssatzes gibt es noch die Fülle der außermathematischen Interpretationen. Beispielhaft verweise ich auf Enzenbergers 43-zeiliges Gedicht „Hommage à Gödel“ und die musikalische Interpretation dieses Gedichtes durch Henze in seinem 2. Violinkonzert. Das ist auch Thema in der Diss. „action music“ von Sang Myung Han, S. 117ff:

Dir ist sicherlich die Modallogik vertraut mit Box [] und Diamant <>. Diese beiden Symbole werden aufeinander bezogen definiert.
Für gewöhnlich wird [] dabei eine Bedeutung wie "Notwendig" zugewiesen, was in metaphysische Höhen (oder Abgründe) führt. Es gibt auch andere Interpretationen wie z. B. "Es ist geboten, dass..."
(Die Verwendung der Modallogik hat gegenüber einer Lösung mittels Prädikaten offenbar eine Reihe von Vorteilen. Kurz gesagt, meidet man die Prädikatenlogik 2. Stufe.)

Jetzt kann man diese Modaloperator auch deuten als "Es ist bewiesen, dass x".
Wie wir dem Text, den ich zitierte, entnehmen können, ist es jetzt offenbar so, dass dieser Operator, dieser Ausdruck, leicht modifiziert werden kann. Mit dem Ergebnis, dass er andere Schlussfolgerungen erlaubt.

Aber nehmen wir weitere Beispiele:
"Mathematik ist eigentlich eine ziemlich klare Wissenschaft, und üblicherweise gelangen die Mathematikhistoriker zu Schlussfolgerungen, die von ihren Kollegen geteilt werden. Aber gelegentlich liegen die Dinge schwieriger. Es scheint in
manchen Fällen eine gewisse Vagheit oder Zweideutigkeit in den mathematischen Tatsachen zu geben."

(Herbert Breger in seinem Aufsatz "Ebenen der Abstraktion  - Benoulli, Leibniz und Barrows Theorem", Seite 193, aus "Form,Zahl, Ordnung: Studien zur Wissenschafts- und Technikgeschichte"
Link: https://books.google.de/books?id=WjnTAmVR6qUC&lpg=PA195&hl=de&pg=PA193 )

Dort heißt es:
"unter dem Gesichtspunkt der Vorstellungen des 17. Jahrhunderts über mathematische Strenge wäre ein geometrischer Kalkuel sogar besser." (Seite 195)

Diese Aussage impliziert zumindest, dass sich die Vorstellung über mathematische Strenge im Laufe der Zeit geändert haben.

Ist das nicht zumindest ein Indikator dafür, dass bei der Lehre des Begriffes möglicherweise nicht bei jedem Studenten die selbe Vorstellung geweckt wurde?