Joseph sieht mich hier als Esoteriker, Du, Waldemar, mich als Hypersemiotiker. Wollte ich mich selbst in derartige Kategorien einordnen, ginge das eher in Richtung Agnostiker, dieses jedoch nicht in Art indifferenter Position zwischen Theismus und Atheismus, sondern im Sinne du Bois-Reymonds, wonach die Frage nach der Existenz eines Gottes nicht beantwortet werden könne, da es kein Wissen über diesen geben kann. Sein berühmter Ausspruch „Ignoramus et ignorabimus“ verweist eindeutig auf die Tatsache, dass ein Gott allenfalls geglaubt aber nicht gewusst sein kann.


Davon ausgenommen mögen zutiefst persönlich gemachte „Gotteserfahrungen“ sein, von denen Menschen berichten und demnach ihre Überzeugung von der Existenz Gottes darauf gründen. 

Das führt geradewegs nochmal zur biblisch verbrieften Geschichte von der Wandlung des Saulus zum Paulus (Damaskuserlebnis) und zu der Frage an Dich, Waldemar, ob diese Geschichte vom „Paulussturz“ nun als Semiotik oder Hypersemiotik zu werten sei, eben jenes blendende Licht als Zeichen Gottes, das dem Saulus vergleichsweise unsanft das Faktum der Auferstehung Christi vor Augen führte. Entweder ist dies schlichtweg eine metaphorisch angelegte Erzählung (also Semiotik), die aufzeigen soll, dass eine persönliche Meinungs- oder Verhaltensänderung bisweilen nur durch ein drastisches Ereignis eingeleitet werden kann, oder eine hypersemiotisch abgefasste Geschichte, die eine ansonsten kaum zu erklärende Wandlung vom Saulus zum Paulus verbrämen sollte. Ist diese biblische Erzählung tatsächlich wörtlich zu nehmen, wie Du es eingefordert hast, oder sind Zweifel angebracht bezüglich einer möglicherweise hypersemiotisch überhöhten Geschichte? 


In diesem Kontext und wegen meiner Zuweisung der Bibel als „Buch des Lebens“ hältst Du mir also vor, ich sei Semiotiker und würde mir einen „Privatglauben zusammen-hypersemiotisieren“. Da liegst Du auch gar nicht so daneben, denn die Bibel ist eben nicht nur wörtlich, sondern vornehmlich im Sinne ihrer metaphorischen Disposition zu interpretieren, resp. zu verstehen.


„Buch des Lebens“ ist nicht meine Begriffsschöpfung, sondern – wie Du sicher weißt – im Alten Testament verbrieft (Ps 69,29). In einer anderen Übersetzung wird die Bibel als „Buch der Lebenden“ bezeichnet. In diesem Zusammenhang gesehen, wurde und wird die Bibel auf unterschiedlichste Weise interpretiert, doch für mich hat das keinerlei Bedeutung und so hast Du recht, wenn Du mir einen meinerseits zusammengedichteten Privatglauben zuschreibst, eben genau im Sinne des Paulus: „Prüfet aber alles, das Gute behaltet!“ (1 Joh 4,1). 


Fragt sich nur, ob man jeweils in der Lage ist, immer das Gute zu erkennen und dies in seinem lebenspraktischen Bezug zwischen sog. Gut und Böse, bzw. Zu- oder Abträglichkeit; Da kommt es dann schnell mal auch zum „hypersemiotisieren“ und überdies: Was ist definitiv GUT? Nicht mal die Grand Unified Theory ist abschließend definiert, trotz Deiner bahnbrechenden Wechselwirkungs-Theorien. Das Rätsel der Gravitation spielt hier beliebige Streiche und so wird auch in diesem Bereich nach Herzenslust „hypersemiotisiert“. Da liegt auch einiges hinter dem Schleier der Natur, sprich im Phänomen der sog. Dunklen Energie verborgen. So muss sich die Naturwissenschaft nicht gegenüber den Geisteswissenschaften, insbes. der Philosophie brüsten, über endgültiges Wissen von Welt und Kosmos zu verfügen. Denn dieses von Dir kritisch gewürdigte Meta steht nicht nur für transzendentale Phänomene, die „nach“, resp. jenseits der erkannten Physis der Natur, demnach metaphysisch verborgen sind, sondern auch für Meta-Theorien bislang ungeklärter pur physikalischer Gegebenheiten dieser realen Lebenswelt.


Du berichtest von Deinem vergeblichen Versuch, Umberto Eco, den Du als „semiotischen Strukturalist“ einstufst, eben vom diesbezüglichen Denkmodell abzubringen. Ich habe seinen Roman „Der Name der Rose“ schon alleine deshalb gelesen, weil ich selbst im Internat war und dort auf eine ebenso riesige Bibliothek des Ordens zugreifen konnte. Die in Umberto Ecos Buch beschriebenen Glaubenskonflikte trieben auch mich um, wie es jedem Menschen ergehen dürfte, der sich tiefergehend mit dieser Thematik beschäftigt. Das ist aber genau der Hintergrund, vor dem ich bis heute „hypersemiotisiere“, dieses sicherlich weniger im Sinne von Dichtung und Wahrheit, sondern in der Suche nach letzterer. Diese Suche wird definitiv nicht im naiven Glauben an einen Gott enden, sondern eine Suche nach der transzendentalen Wesenheit, die sich hinter Lebenswelt und Kosmos verbirgt. Womöglich hinter dem „gütigen Schleier der Natur“, wie Goethe diese Barriere nennt. „Kosmische Intelligenz“ ist demnach nichts anderes als ein „Arbeitsbegriff“ und mitnichten eine hypersemiotisch angelegte Begriffsschöpfung.


Wenn Umberto Eco schreibt: „Wir sind aus kleinen Fragmenten der Weisheit gemacht“, dann bin ich – verglichen mit einem Puzzle – von außen auf dieses gesehen, noch nicht als Persona zu erkennen. Das Puzzeln geht also noch weiter.


Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl


PS: Was Umberto Eco und Hypersemiose anbelangt zeigt sich wie er schreibt: „Es gibt nichts Besseres, als sich andere Welten vorzustellen, um zu vergessen, wie schmerzhaft die Welt ist, in der wir leben“.


Das müsste Dir als Misanthrop und an der Welt Verzweifelnder doch wie in den Mund gelegt sein! Nichts als pure Hypersemiotik.