Moin Karl, 

insofern wir uns hier um gegenseitiges Verstehen bemühen und sprachliche Klärungen suchen, sind wir sowohl sokratisch wie sprachanalytisch beim Philosophieren. Wenn Dir das literarische Philosophieren dabei zu kurz kommt, dann vertiefe Dich doch einfach in die Literatur, wie es Thomas Mann bspw. mit seiner Tetralogie „Joseph und seine Brüder“ gemacht hat. Mir liegt natürlich der Begriffsroman „Implex“ näher, auf den ich ja einmal hinwies, aber wenig Resonanz erhielt.  

Im Übergangsbereich zwischen Literatur und Philosophie sehe ich die beiden Bücher „Sinn und Existenz“ von Markus Gabriel und „Auch eine Geschichte der Philosophie“ von Jürgen Habermas. Fragen nach dem Wesen von Leben, Tod, Gott, Welt und Kosmos werden in beiden Werken auch behandelt, einmal historisch, einmal sinnhaft. Du könntest daran anknüpfen. Oder Dich an einen Essay über „Gott und die Welt“ versuchen. 

Mir sind nach der linguistischen Wende Fragen nach dem Wesen ebenso kritikwürdig wie die vielen Substantivierungen. Leben, Welt und Kosmos mögen angehen, aber Wesen, Gott und Tod entstammen den Mythen. Mit der okzidentalen Konstellation von Glauben und Wissen beginnt Habermas seinen Gang durch die Philosophiegeschichte und endet mit ihren Spuren in der vernünftigen Freiheit. 

Der Tod ist eine Mythengestalt, was es gibt sind sterbende Lebewesen. Was mit Gott nachvollziehbar gemeint sein könnte, hat Gödel modallogisch präzisiert. Und die Frage nach dem Wesen des Kosmos hat Penrose mathematisch in „Cycles of Time“ beantwortet. Mir geht es beim Wesen also nur um Gründe, die angegeben werden können; auch dafür, dass Menschen sterben. Denn mit dem sterbendem Gehirn stirbt auch das Bewusstsein, das uns wesentlich ausmacht. 

Über die Innigkeit der Verbindung von Zeit und Bewusstsein lässt sich womöglich mit Bezug auf die Innigkeit der Verbindung von Zeit und Energie im Wirkungsquantum philosophieren. Denn leben wir nicht stets in der Zukunft, d.h. im hirngenerierten Möglichkeitsraum unserer Erwartungen, die fortwährend modifiziert werden durch Erinnerungen und Erfahrungen. Das genauer zu verstehen, erfordert aber mehr als nur Worte. Vielmehr kommt es auf das Simulieren der selbstkonsistenten Algorithmen an, nach denen Menschen zu überleben vermögen. Die Grundprinzipien dafür sind bereits dem Leben schlechthin inhärent, machen das Leben wesentlich aus. 

Ohne Mathematik und Technik ist dem „Wesen“ als Grund bzw. Begründung des Lebens nicht beizukommen. Du bist der Mathematik ja immerhin aufgeschlossen. Aber was versprichst Du Dir davon, umgangssprachlich nach dem Wesen des Lebens zu suchen? Darum herum schreiben kann doch literarisch wer will. Die Umgangssprache entstammt dem Umgang der Menschen und hat in ihm auch ihre Grenze. Von der astronomischen Vielfalt unserer inneren wie der äußeren Natur vermag sie kaum etwas mitzuteilen. 

IT


Am 18.03.2023 um 00:10 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

der Zusammenhang Deiner Einlassung mit der von mir dargelegten Aussage bezüglich der benannten, immer auf's Neue gestellten Fragen, erschließt sich mir nicht!

Natürlich hat es (nicht nur) einen Paradigmenwechsel in der Philosophie gegeben und das hatte ich doch so ausgeführt! Und damit haben sich selbstredend diese Fragen jeder neuen gesicherten Erkenntnis angepasst, einerlei, ob in Natur- oder in Geisteswissenschaften bzw. interdisziplinär gewonnen. 

Die Grundfragen nach dem Wesen von Leben, Tod, Gott und Welt, Kosmos und die Dinge dahinter sind jedoch nach wie vor nicht geklärt, das muss doch jedem zeitgemäß gebildeten Menschen klar vor Augen stehen.

Hier in diesem verengten Kreis der üblichen Protagonisten darüber zu „philosophieren“ ist tatsächlich nicht möglich und insofern ist es tatsächlich nicht das richtige Forum. Nicht ich bin in der „falschen Liste“, sondern die Diskurse werden falsch angegangen und geführt, weil sie eben nicht philosophisch, sondern sonstwie ideologisch angelegt sind, bzw. stets in diese einseitig weltanschaulich geprägten Denkmuster gezogen werden.

Mit Philosophie hat das alles hier nichts zu tun und diesbezüglich ist das hier tatsächlich die falsche Liste für mich!

Wir sind deshalb auch kurz davor, diese „sterben“ zu lassen.


Am 17.03.2023 um 10:47 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Am 17.03.2023 um 02:28 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
Fragen nach dem Wesen von Leben, Tod, Gott und Welt, Kosmos und die Dinge dahinter, als zwar üblich seit Jahrtausenden gestellt, aber dennoch offensichtlich immer noch nicht erschöpfend beantwortet; dieses schlichtweg deshalb, weil jede Generation derartige Fragen nach jeweils anderen, eben zeitgemäßen Voraussetzungen und Gegebenheiten, vor allem aber auf Basis jüngst gewonnener Erkenntnisse auf's Neue zu stellen hat.
Fragen nach dem Wesen und den Dingen dahinter werden endlos in der Literatur von und für jede Generation aufs Neue umschrieben. In der Philosophie hat es eine linguistische, eine pragmatische und eine kulturalistische Wende gegeben. Insofern befindest Du Dich in der falschen Liste. Oder schwebt Dir vielleicht eine literarische Rückwendung der Philosophie vor?