Am 25.10.2025 um 18:30 schrieb Rat Frag über PhilWeb:
Hallo Liste,

vor einiger Zeit, am 12.07.2018 wurde über die Liste der Beitrag "Die zwei Seiten der Aufklärung" verteilt. Er ist heute noch unter diesen Link einsehbar.
Manche Leute haben mich darin für manche unglückliche Formulierung geschollten, etwa den Versuch, den Begriff "Analyse" durch "Auflösung oder Zersetzung" erklären zu wollen, was wohl unglückliche Konotationen hatten, die ich schlicht nicht bedachte.
Mir ist aufgefallen, dass das Theme, welches ich hier behandelte, näherungsweise auch durch seriöse Autoren behandelt wurde, nämlich unter dem Titel "Kant and Hume on Morality".

Ich zitiere aus dem Artikel direkt die Stelle, die mich persönlich am meisten interessiert:
"Hume offers three main arguments for this claim in A Treatise of Human Nature. (...)
According to the first argument, 'reason alone can never be a motive to any action of the will' (T 2.3.3.1). Abstract (or demonstrative) reasoning, [...], cannot influence the will, but only assist us in our pursuit of an end we already have. (...)
A second argument, which builds on the first, aims to show that reason 'can never oppose passion in the direction of the will' (T 2.3.3.1). The only thing that can oppose an impulse to action generated by one passion is a contrary impulse. (...)
The third argument claims that a passion is an 'original existence', not an idea, or a mental copy of another object. Contradiction to truth and reason 'consists in the disagreement of ideas, consider’d as copies, with those objects, which they represent' (T 2.3.3.5). Therefore, a passion cannot be contrary to truth and reason."


Hume offeriert uns also drei Argumente, wieso Moral von unsere moralischen Empfindungen und nicht von unserer Vernunft her rührt:
1. Vernunft alleine kann unsere Handlungen nicht motivieren.
2. Das einzige, was einen emptionalen Impuls entgegen gesetzt werden kann, ist ein anderer emotionaler Impuls. Dieser kann aber durch Bewegungen der Vernunft ausgelöst werden.
3. Ideen oder Theorien sind Versuche, die Wirklichkeit mental abzubilden, während Leidenschaften eine orginale Existenz haben. Aus diesem Grunde können Leidenschaften nicht wahr oder falsch sein.

Ich kenne nur das simplere Argument aus Humes Abhandlung über die Ethik, die im Grunde nur das Argument (1) wiedergibt.

(Der Standpunkt, den Hume hier vertritt, könnte man mit Worten wie "Zweckrationalismus" oder "Voluntarismus"  bezeichnen. Nach dieser Lehre setzt der Wille, oder eben die Leidenschaften, die die Willen bewegen, ein bestimmtes Ziel und die Vernunft erschöpft sich in der Auswahl der Mittel, dieses Ziel zu erreichen.
Das Gegenteil wird als Intellektualismus bezeichnet. Demzufolge erkennt der Intellekt, was erstrebenswert ist, und der Wille folgt.)

Was mir aufgefallen ist, ist, dass Humes Argumentaton doch nicht so evident ist, wie man sich wünschen könnte.
Die Behauptung, dass nur Gefühle unser Handeln motivieren ist eine psychologische Theorie. Sie wird nicht weiter begründet oder bewiesen, der Leser bleibt auf seine Introspektion verwiesen.
Das zweite Argument ist praktisch übernommen aus der von Spiniza entwickelten Psychologie in seinem Buch "Ethik auf geometrischen Wege".
Das dritte Argument ist zwar richtig, setzt aber auch einige psychologische Hypothesen voraus, welche man einfach schlucken muss.

Ein Anhänger des sog. "Intellektualismus" könnte behaupten, dass der Wille den Verstand folgt, wenn diese das Gute erkennt. Sobald das Gute erkannt sei, werde es angestrebt. Dies sei trivialerweise so, weil das Gute eben so definiert ist. Es könnte sehr wohl sein, dass der Verstand bei der Erkenntnis des Gutens mittelbar, über den Umweg von Leidenschaften die aktiviert werden, auf den Willen wirkt. Das bedeutet aber nicht, dass der Ausgangspunkt nicht die Erkenntnis des Guten gewsen ist.
Ein Standpunkt, der so ähnlich auch Kant in dem Link in den Mund interpretiert wird.
Wobei man, frei nach Nietzsche, dieses gesamte Vokabular, mit "Ideen", "Wille" und "Verstand" als getrennte mentale Instanzen, durchaus in Frage stellen sollte. Vielleicht funktioniert der menschliche Geist in Wahrheit doch anders.

Wie dem auch sei, das sind die Gründe, die Hume für seine Version des "Zweckratonalismus" gibt, dann scheint dieser mir nicht auf so gefestigten Boden zu stehen.
Mir scheint sich die Frage auf folgendes zu reduzieren: "Ist es, wünschenswert zu sein, eine objektive Eigenschaft, die genauso rational erkannt werden kann wie z. B. physikalische Eigenschaften, oder ist es eine subjektive Affektion in Bezug auf eine Sache?"
Ich frage mich, welches mögliche Kritierium zur Beantwortung dieser Frage es wohl geben könnte.



Könnte man die Frage so stellen:

Gibt es objektiv erstrebenswertes und, wenn ja, (wie) kann man es erkennen?

Die Antwort kann nicht lauten: ja, und zwar weil ich es unbedingt bejahe.

Wenn es objektiv sein soll, muß man unpersönliche Gründe angeben. Die müssen am Ende nicht mehr begründungsbedürftig sein, sonst hängt die Begründung in der Luft, statt auf dem Fundament zu stehen, nach dem man gesucht hat.

Und ist man dann nicht wieder bei dem Fall der unbedingten Bejahung? (Die aus meiner Sicht nicht gering zu schätzen ist, wenn es sich nicht bloß um eine Laune handelt, sondern zeigt, wer man ist und wofür man steht.)


Claus




Freundlich Grüßen der, wie immer,

Ratlose.

P.S.: Ich muss entschuldigen, dass man dieser Mail die Eigenschaft ansieht, "mit heißer Nadel gestrickt" worden zu sein. Ich beabsichtige aber auch nicht, einen Episten zu verfassen, sondern eine Diskussion anzuregen.

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