Letzteres war für mich Auslöser des Disputs zwischen Waldemar und mir, nachdem er forderte, das Christentum müsse bekämpft werden, wo immer es sich zeigt.
Diese Aufforderung würde für mich nicht unbedingt Auslöser meiner heftigen Gegenreaktion gewesen sein, würde Waldemar hier nicht schon in vielen „Posts“ vorher das Christentum - insbesondere die katholische Konfession - beschuldigt haben, „ihre dreckigen Finger“ in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen zu haben.
Ich hatte zuletzt hier einige Beispiele angeführt, wie „Kirche von unten“ als real gelebtes und praktiziertes Christentum funktioniert und hier dürfte für jeden, der dieses soziale Engagement aus direkter eigener Erfahrung oder etwa durch lokale Presseberichte wahrnimmt, was Christsein eben auch ist, bzw. sein kann.
Ich schreibe das hier nicht aus dem isolierten Arbeitszimmer heraus, sondern aus eigener Erfahrung meiner Familie, die sich über Jahrzehnte ehrenamtlich in diesem Betätigungsfeld engagiert hat.
„Christliche Nächstenliebe“, was für ein nobler Anspruch an sozialem Engagement!
Er ist nichts als ein hohles tönendes Gefäß (Paulus), wenn es bei Lippenbekenntnissen oder Fürbitten oder sonstigen Ritualen bleibt.
Nächstenliebe setzt die Sorge für den Mitmenschen, das Mitfühlen mit ihm voraus. Man denkt dabei nicht nur an christlich motiviertes Mitgefühl, sondern - wir als Philosophen - vor allem auch an Schopenhauers Mitleidsethik.
Es ist also eine Frage der Ethik, in der Sorge um den Mitmenschen, die sich eben nicht nur „virtuell“, sondern in dessen unmittelbarer Nähe, im tätigen Handeln ausdrücken muss.
Und dieses praktische Handeln im genannten Sinne findet tagtäglich in gelebter christlicher Nächstenliebe statt. Und daher macht es mich ärgerlich, wenn dieses tausendfach praktizierte Engagement pauschal diskreditiert wird.
Es sind keine „dreckigen Finger“, sondern gebende, helfende Hände, die wirkliches Christsein das sein lassen, was dieser Christus mit Nächstenliebe gemeint haben wird: „Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben, ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen“. Dieser u.a. von Matthias wiedergegebene Ausspruch sollte nicht nur christlicher, sondern jeglicher humanen Einstellung zum Mitmenschen Grundlage ethischen Handelns sein.
Um hier nicht wieder den Prediger zu geben: Es ist selbstredend keine Frage des Christseins, sich in der Sorge, dem Kümmern um den Mitmenschen dementsprechend zu engagieren. Es sind aber Christen, die dieses Engagement konkret aufbringen und die Ermunterung dazu, vielmehr aber die Aufforderung dazu, findet sich in den überlieferten Schriften des NT.
Nun kann sich jede hier im Forum teilnehmende Person ihre eigenen Gedanken dazu anstellen, welche Art der Aufforderung der menschlichen Gemeinschaft dienlich ist:
„Das Christentum bekämpfen, wo und in welchem Gesicht es sich zeigt“
vs. dem christlichen Postulat:
„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan“.
Dabei spielt die Historizität im Kontext der Annahme der Existenz dieses Jesus von Nazareth (die wh in Frage stellt) gar keine Rolle, denn es geht um eine grundsätzliche Aussage, die sich das Christentum zu eigen gemacht hat, selbstredend im Glauben an diesen Christus, jedoch in lebenspraktischer Auswirkung einer davon unabhängigen, der menschlichen Gemeinschaft nützlichen Weise.
Man (sic! Joseph) muss wahrhaftig kein Christ sein, um für Mitmenschen Sorge und Verantwortung zu übernehmen. Christen, sofern sie es nicht nur „auf dem Papier“ sind, stehen jedoch insbes. für dieses Engagement und daher ist es zumindest unredlich, sie in kollektiver Einvernahme mit dem durchaus - unter dem Deckmantel des Christentums - erfolgten und weiterhin stattfindenden Missbrauch und Verbrechen in Verbindung zu bringen.
Und anschließend vielleicht noch ein Gedanke, der zwischen institutionellem und praktisch gelebten Christentum unterscheiden lässt: Pompöser Aufzug christlicher Religion, also insbes. der römischen Konfessionellen steht im krassen Widerspruch zum Anspruch (sic!) der zentralen Botschaft dieses Christus. Ein amerikanischer Theologe und Philosoph rückte mir dieses Missverhältnis zurecht: „Ad maiorem Dei gloriam“.
KJ