Am 10.04.2024 um 22:29 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Du weisst ja, welchen Beruf ich habe und in der Nachrichten-/Informationstechnik geht gar nichts ohne Gaußverteilung. So reicht diese weit über ein bloßes Interesse hinaus, denn zur hinreichenden Bewertung von gestreuten Messergebnissen (das A&O der NT) ist ein praktisch handhabbarer Erwartungswert erforderlich, der eben per Gauß‘scher Normalverteilung ermittelt wird.

Moin Karl, 

ich hatte ja den Mathematiker Richard von Mises zitiert, der im Wiener- wie im Berliner Kreis verkehrte und auch als Philosoph wirkte. In seiner Arbeit zur Kollektivmaßlehre hob er die Bedeutung der Gauß'schen Fehlerrechnung hervor, die dieser in Verbindung mit seinen Erdvermessungen entwickelt hatte. Von Mises wies aber auch auf die Bedeutung der Abweichungen von Normalmaßen hin. Davon hatten Insider bspw. während der sich abzeichnenden Finanzkrise 2007 profitiert, indem sie entgegen der Standard-Lösungen gemäß Black-Scholes-Gleichung auf den Verfall der Derivatenwerte setzten und unorthodox auf Kosten der vielen naiven Anleger den großen Reibach machten. 

Hinsichtlich der Verbindung von Gaußverteilung und Newtonpotential geht es aber um einen Perspektivwechsel; denn integriert wird nicht bzgl. der Zufallsvariablen x, y (aus R^d) vielmehr über die Varianz als Zeit t, wenn d die Dimension meint in: p(t; x, y) = 1 / (2 pi t)^d/2 exp(|x - y|^2 / 2 t). Für d mind. 3 kommt dann gerade das Newtonpotential prop. 1 / |x - y| heraus. Das ist schon verblüffend!? Zumal die daraus ermittelbare Gravitationskraft im Einklang mit den Kegelschnitten steht. Diesen Zusammenhang zwischen Zufall, Geometrie und Gravitation hatte ich der Gaußverteilung seinerzeit nicht gleich angesehen. Mich fasziniert, was schon einfache mathematische Zusammenhänge aufzeigen können,— wenn sie denn erkannt werden.         


Inwieweit „Streuungen“ unterschiedlicher Meinungen, Verhaltensweisen, Auswüchsen etc. im gesellschaftlichen Bereich durch Ansetzen einer Normalverteilung zu mitteln sind, wäre Aufgabe der Sozialisationsforschung und wird dort sicher betrieben. Ob damit allerdings wirklich „herumirrenden“ Zeitgenossen im gesellschaftlichen Umfeld auf die Spur zu kommen ist, weiss ich nicht zu sagen.

Normalverteilten Streuungen liegen ja auch Brown’sche Bewegungen zugrunde, die von den unzähligen molekularen Zufallsbewegungen verursacht werden. Und vielen Zufallseinflüssen sind auch Menschen in Gesellschaften ausgesetzt. Die lassen sich natürlich genauer mit ausgeklügelten dynamischen Modellen simulieren, aber für den Anfang können schon signifikante Abweichungen von Normalverteilungen auf unlautere Umtriebe schließen lassen. In China wird davon autoritär Gebrauch gemacht, aber auch auf demokratischer Rechtsgrundlage kann es präventiv sinnvoll sein.   

 
Was die einer demokratischen Gesellschaft gefährlich werdenden Irrungen anbelangt, wäre so ein „Frühwarnsystem“ schon wichtig. Doch angenommen, man hätte dieses und es würde „anschlagen“, wo lägen denn die Möglichkeiten, solchem Treiben ein Ende zu setzen?

Es sind ja schon einige Anschläge verhindert worden, grundsätzlich lässt sich ein abweichendes Treiben unter vielen Menschen nie ganz verhindern, solange es noch hinreichend frei zugehen soll. Chinesische oder russische Verhältnisse wollen wir hier nicht, aber wie lange werden die noch verhindert werden können? 

IT