Was Zeno beschreibt, ist meiner Meinung nach ein Annäherungsverfahren, aber nicht das Zurücklegen einer Wegstrecke.
Moin Claus,
ich sehe das genauso und darauf beziehen sich ja auch die beiden mathematischen Lösungen, einmal infinit-analytisch, einmal finit-algebraisch. Aber was motivierte Zeno dazu? In welchem Kontext kam er darauf? B. L. van der Waerden leitet seinen Aufsatz „Zenon und die Grundlagenkrise der griechischen Mathematik“ 1940 mit den Worten ein: „Was war der Zweck der berühmten Antinomien des Zenon? Nach der landläufigen Meinung, die wohl auf Elias zurückgeht, wollte Zenon die Möglichkeit der Bewegung widerlegen.
Demgegenüber hat Paul Tannerye im Rahmen seiner naturphilosophischen Deutung der eleatischen Philosophie geltend gemacht, daß Zenon doch kein Skeptiker sei. Zenon habe keineswegs die Bewegung verneint, sondern sein Ziel sei, die Pythagoreische These zu widerlegen, nach der die Körper, die Flächen und die Linien Vielheiten, nämlich Vielheiten von Punkten seien.“
Wollte Zenon nun die Möglichkeit der Bewegung oder die der Vielheit widerlegen? Und was sollte er mit der Grundlagenkrise der griechischen Mathematik zu tun haben? Van der Waerden zitiert Aristoteles mit den Worten: "Vier sind die Argumente Zenons über die Bewegung, die den Auflösenden solche Schwierigkeiten bereiten: erstens das, welches die Bewegung leugnet, weil das Bewegte immer vorher bis zur Hälfte gekommen sein müsse als bis zum Ende. …
Zweitens der sogenannte Achilles. Er lautet so, daß das langsamste Wesen in seinem Lauf niemals yon dem allerschnellsten eingeholt werden könne. Vorher nämlich müßte der Veffolger jedesmal notwendig erst dorthin kommen, von wo der Fliehende schon losgelaufen sei, so daß der Langsamere doch immer ein Stück voraus sein müsse. Auch dieses Argument ist mit dem der Halbierung identisch, nur darin besteht der Unterschied, daß die Teilung der jeweils neu hinzugenommenen Strecke nicht in zwei gleiche Teile erfolgt.
Das dritte ist … das, daß der fliegende Pfeil steht. … Das vierte ist das über die sich im Stadion in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbei bewegenden gleich großen Teilchen, von denen die einen vom Ende des Stadion, die anderen von der Mitte aus mit gleicher Geschwindigkeit sich bewegea sollen. Hier, meiate er, ergäbe sich, daß die halbe Zeit der doppelten Zeit gleich sei. Der Fehler liegt darin, dab man meint, die gleiche Größe bewege sich mit gleicher Geschwindigkeit in der gleichen Zeit ebenso an einer selber bewegten wie an einer stehenden Größe vorbei.“
Nach van der Waerden soll in diese vier Beweisgründe vielfach eine Systematik hineininterpretiert worden sein: „In den ersten beiden wird die Annahme gemacht, eine Raum- oder Zeitstrecke sei unendlich teilbar, in den letzten beiden dagegen die, die Teilung führe einmal zu letzten, indivisiblen Teilen.“ Sowohl die unendliche wie die endliche Teilbarkeit widerspreche der Annahme des Einen bei Parmenides. Insofern verfolgte Zeno mit seinen Paradoxien eine philosophische Absicht und leitete nicht die später der Entdeckung des Irrationalen folgende innermathematische Krise ein. Die Bewegungsparadoxien sind mathematisch erledigt worden, der Monismus aber bis heute problematisch geblieben. Mit Parmenides habe ich mich aber seit Jahrzehnten nicht mehr befasst.
IT