Am 21.06.2024 um 15:52 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb 

Moin Karl,

am 17. Juni hattest Du geschrieben: „Schon etwas von „Brandmauer“ einem Begriff der politischen Terminologie gehört? Natürlich! Doch was man aus ideologischen Erwägungen heraus nicht hören und sehen will, wird schlichtweg ignoriert. Da sind sich die Polit-Eiferer dieser Republik erstaunlich einig.“ Ich hatte lediglich von meinen Refugien unter der mehrheitlich schwarz-blauen Wählerschaft nach der Europawahl geschrieben, Du mich aber mit der Brandmauer auf die politische Terminologie aufmerksam machen wollen.  Wenn Du schon von Terminologie schreibst, dann sollte allerdings mit hinreichender Objektivität trotz unseres grundsätzlichen Dissens formulierbar sein, was mit der vielzitierten Brandmauer gemeint sein könnte und ob es sie wirklich gibt oder es sich nur um ein populistisches Schlagwort handelt? Ich mache einen ersten vereinfachten Versuch.

Wo nun aus der jüngsten Europawahl die EVP als stärkste politische Gruppierung hervorgegangen ist, ist diese doch in keinem Fall auf diese AFD zur Bildung irgendeiner Allianz angewiesen. 


Noch bevor Le Pen also klare Siegerin aus dieser Wahl hervorgegangen ist, hat sie sich mit ihrer Rassemblement National von der hiesigen AFD distanziert, ebenso wie Meloni nichts mit dieser Partei zu tun haben will. Wo siehst Du also einen „Schwarz-Blauen Block, der im künftigen Europaparlament eine bedeutende Rolle spielen könnte?


Dessen unbeschadet könnte für die politische Landschaft in Frankreich Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ zur Realität werden. Man hat den Autor heftig angegriffen, um heute zu erleben, wie sich seine Vision Schritt um Schritt verwirklicht. 


So wird auch in Deutschland das Problem der ungelenkten massenhaften Migration zur politischen Zerreißprobe werden, wie sich das jetzt schon innerhalb der SPD und Grünen abzeichnet, die mit Ausnahme zweier Bundesländer erhebliche Stimmeneinbussen hinnehmen mussten. Der Salon-Linke Augstein wusste um dieses Erstarken der AFD und er nannte die Ursache: „Merkel ist die Mutter der AFD“. 

Merkel hat „die Türe geöffnet“, dieses mit unverkennbarem Kalkül, das man in Norwegen durchschaute, als diese Frau dann -solchermaßen enttäuscht- die Türe wieder schließen wollte, haben die Rot-Grünen den Fuss in die Tür gestellt. „Nun sind sie halt mal da“ und mit ihnen die AFD.


Der Grund nun für das deutliche Erstarken der AFD bzw. rechter Gruppierungen in der EU ist nicht eine grundsätzliche Änderung der politischen Gesinnung der Bürgerschaft, sondern die Besorgnis, dass durch Migration der Einfluss radikalreligiöser Gruppierungen (wie diese z.B. in Berlin und an div. Hochschulen demonstrativ aufgetreten sind) verstärkt und somit hiesige demokratische Strukturen gefährdet werden könnten.  


Da wäre man dann wieder bei Brandmauern.  Eigentlich absurd: Man traut radikalen Gruppierungen wie der AFD eher zu,  gegen diese Entwicklungen anzugehen, als man es von den sog. Altparteien erwarten sollte.


Es ist durchaus bemerkenswert, dass man hier sehr kritisch bezüglich Religion und entsprechenden Gottesvorstellungen, insbes. aber sehr kritisch hinsichtlich der christlichen Religionsausübung argumentiert, dabei jedoch zu billigen scheint, dass über Migration eine wesentlich radikalere  Religion quasi mit offenen Armen ins Land geholt wird. Merkels und Houellebecqs Visionen sollen sich wohl erfüllen. Da passt vieles nicht zusammen; Das bemerken die Menschen im Land und einige wählen eine Alternative, ohne zu wissen, welche gesellschaftlichen Konsequenzen das mit sich bringen kann.

Nichts geschieht ohne Grund! Also muss man solchen Tendenzen politisch entgegenwirken.


Was die EU anbelangt, wird der Zusammenschluss im Bündnis EVP dafür sorgen, dass radikale Kräfte an den Rändern, wie gleichermaßen realitätsferne Öko-Träumer keinen signifikanten Einfluss auf die europäische Politik des kommenden Jahrzehnts haben werden.


Die Probleme dieser Zeit sind derart gravierend, dass man nur noch konzertiert auf breiter, internationaler Ebene nach Lösungen suchen kann und dementsprechend kollektiv zu handeln hat.

Für gesellschafts-, resp. parteipolitische Spielchen und Träumereien, egal in und zwischen welchen Lagern ist da weder Raum noch Zeit, auch nicht für Deinen vielgescholtenen Populismus.



KJ




Definition: Brandmauer bedeutet gemäß CDU-Beschluss von 2018 den Ausschluss jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD und der Linkspartei.
Satz: Gemäß BR vom 27.7.23 hatte Merz „im ZDF-Sommerinterview auf die Frage nach einer Zusammenarbeit mit der AfD gesagt: "Kommunalpolitik ist etwas anders als Landespolitik und Bundespolitik." Bei seinem Nein zu einer Kooperation mit der AfD gehe es um "gesetzgebende Körperschaften“ — also das Europäische Parlament, den Deutschen Bundestag, die Landtage.“
Beweis? Beim MDR war am 25.9.23 zu lesen: „Mit den Stimmen von CDU, AfD und FDP hat der thüringische Landtag gerade erst eine Steuersenkung beschlossen — und damit die rot-rot-grüne Regierung überstimmt.“ Also gibt es keine Brandmauer auf Landesebene,— wenn der Ausschluss als Allsatz gemeint sein sollte. Statistisch gesehen bestätigen Ausnahmen natürlich die Regel. Aber hätte im CDU-Beschluss stehen können: „In der Regel schließen wir eine Zusammenarbeit mit der AfD und der Linkspartei aus“?

IT







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