Am 18.01.2023 um 16:20 schrieb waldemar_hammel über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:



hallo karl,
ich will deine "lebens"einstellung mal skizzieren:

Da spare ich mir also jetzt das Honorar für den Psychiater :-))

Theodizee in Reinkultur, in die verstrickt zu sein Du mir hier zuschreibst! Dieses jedoch als ein Konglomerat zusammengeworfen, das einesteils zutreffende Fakten, anderenteils jedoch mit - Deiner positivistisch orientierten Weltsicht entstammenden - Chimären durchsetzt ist.

Als Faktum anzunehmen dürfte konsensfähig sein, dass wirklich Gläubige, d.h. zumeist einer Religion angehörig (in meinem Fall röm. kath.) tatsächlich Verantwortung in die Hände Gottes legen, was einen unverbrüchlichen Glauben an diesen Gott voraussetzt. Auch für Atheisten zugänglich sind Studien (z.B. Bonelli et.al. Duke University), die zeigen, dass gläubige Menschen für ihr Leben mehr Erfüllung empfinden, in der Regel über bessere, insbes. psychische Gesundheit verfügen, d.h. weniger Suizide, Depressionen, Suchtkrankheiten, wie das benannter Bonelli (Psychiater) fast scherzhaft anmutend und dennoch zutreffend ausdrückt: Wenn Religion eine Pille wäre, dann wäre sie heute wohl als Medikament zugelassen.“

Mehr brauche ich dazu nicht schreiben, außer vielleicht, dass ich mich nicht einem daraus ggf. entwickelten Kalkül anschließe, will heißen, religiös zu sein, um Gesundheit zu haben. Ein jämmerliches Kalkül, das sich in etwa auch in Pascals Wette ausdrückt.

Ganz anders liegt das Problem der Theodizee bei dem von Dir angeführten „Hinauskehren“ von Weltmüll, denn es ist nicht nur dieser, sondern auch der persönlich angesammelte „Müll“, der im Christentum schlicht als Anhäufung von Sünden benannt ist. „Nachlass der Sünden“ ist ein stehender Begriff in der kath. Liturgie und in diesem Zusammenhang steht das Sakrament der Buße und bei den Protestanten – wie Du ja weißt – wird Buße nicht im Sinn von auferlegter und zu erleidender Strafe gesehen, sondern eher an das eigentliche etymologisch begründete Wort „bessern“ gebunden. 

Ob nun katholische oder protestantische Handhabung, „Müll“ bzw. Sünden zu „entsorgen“, es kommt darauf an zu „bessern“, d.h. erkannte Irrtumswege zu verlassen und dazu brauche ich eigentlich keinen Glauben, keine Religion, sondern eine solide, an Ethik orientierte Lebensführung mit der Erkenntnis, dass aus dem nicht zu entkommenden Lebensprinzip des „Trial and Error“ die Notwendigkeit abzuleiten ist, aus vielfältigen Versuchen, Irrtümer zu erkennen und diese abzustellen. Das führt unmittelbar hin zu der hier kürzlich diskutierten Klimakrise. Auch diese wird man nur mit der Methode des „Versuch und Irrtum“ bewältigen können, wonach iterativ angelegte, unterschiedliche Lösungsansätze versuchsweise erprobt werden, um schlussendlich zu hinreichender, bestenfalls weitestgehender Korrektur des über die letzten Jahrzehnte eingeschlagenen Wegs, bezogen auf kapitalistische Wachstumstheorien etc. zu gelangen.

Aber nochmal zurück zu Deinen mir zugedachten Zuschreibungen hinsichtlich Religion bzw. meiner Einstellung bezogen auf Metaphysik und damit meinem Bezug zu einer immateriellen Sphäre, die sich empirischer – vor allem aber materialistischer Sichtweise – entzieht. Eigentlich könnte ich hier abbrechen, da Du als Materialist eben diesen Zugang nicht hast, und somit – solchermaßen der Möglichkeit von „Müllentsorgung“ beraubt, als Realist eben das Kümmernis dieser Lebenswelt vollumfänglich zu ertragen hast. Nun gut, könnte ich sagen: auch Dir steht es frei, über eine Wesenhaftigkeit jenseits dieses Jammertals nachzudenken und ggf. zu der Überzeugung zu gelangen, dass Du nicht nur ein Haufen zufällig angesammelter, resp. angeordneter Moleküle, sondern eben auch ein Kind des Geistes bist.

Geistbeseelt, allein dieser Ausdruck wird Dir ein Greuel sein, aber das ist eben Dein Problem und daher auch Dein Leid! 

Wenn Du aber glaubst, ich würde als Christ nicht das Leid dieser Welt erleben und erleiden, täuscht Du Dich gewaltig. Und wenn ich mich als Christ bezeichne, möchte ich nichts gemein haben, mit einem naiven Glauben an einen menschengemachten Gott, mit Dogmen und Riten (ebenso menschengemacht). Mein Bezug auf ein diese Lebens- und Erfahrungswelt Hinausgehendes, hat rein gar nichts zu tun mit o.a. religiösen Manifestationen, das habe ich alles hier schon beschrieben, muss aber annehmen, dass diese Aussagen gar nicht wahrgenommen werden, sondern stets reflexhaft - ohne Bezug auf meine Aussagen - gegen Metaphysik und damit insbes. auch gegen Religion angegangen wird. Daher ist es schlicht lächerlich (und bezogen auf Unredlichkeit diskreditierend), was Du mir in Deinem Statement hier andichtest! 

Mitnichten ist es für mich ein „geistiger Ausweg aus Welt“, wenn ich mich durchaus ohne Bezug auf einen Gott detranszendentalen Phänomen einer immateriellen Sphäre zuwende, die sich der üblich empirischen Wahrnehmung und dementsprechender Inferenz entzieht. Es hat auch weniger mit transzendentaler Philosophie resp. Logik zu tun, sondern es ist eine versuchsweise Annäherung zwischen naturwissenschaftlich gesicherten - wie aber auch spekulativen – Annahmen und eben einem immateriellen Raum, der jenseits hiesiger Real- und Erfahrungswelt liegt. Wer Immaterielles resp. Geistiges - aus welchen Gründen immer - per se abstreitet, wird keinen Zugang dazu finden können und selbstredend auch nicht wollen. 

Menschendenen dieser Zugang nicht möglich ist und daher schlicht fehlt, sei es unbenommen, sich ausschließlich auf diese Realwelt zu beziehen und – wie von Dir angeführt – diese auch zu durchleiden.

Unredlich ist es dagegen, Menschen, die diese angenommene, von ihnen außersinnlich wahrgenommene Sphäre als grundsätzlich nicht existent oder wie in Deinen Ausführungen als unredlich „erbasteltes Übernatürliches“ wie auch einen Gott oder „kosmische Intelligenz“ abzuwerten! Schlichtweg lächerlich, in diesem Zusammenhang von Religion als "Allzweck-tool" zu schreiben. Das zeigt letztlich nur Deine Unwissenheit, Dein Unvermögen, sich in diese geistige Welt hinein zu versetzen bzw. sich objektiv damit auseinander zu setzen; dafür besteht - objektiv gesehen - auch gar keine Notwendigkeit für Dich: es ist einzig Deine Entscheidung und Deine Sicht auf die diese Dinge - nur solltest Du es unterlassen, in sublimer, teils unredlicher Art, das Weltbild anderer Menschen zu diskreditieren (sofern dieses nicht mißbräuchlich in diverse Gesellschaftsbereiche einwirkt - darin liegt ein hier längst und ausführlich beschriebenes Problem, was aber mit individueller, redlich praktizierter Religion nichts zu tun hat.)

Das von Dir mir zugeschriebene Problem mit Übersinnlichkeit ist nicht meines, sondern geradewegs das Deine! Dein Gottesbild ist zu engstirnig, kleingeistig angelegt. Es mag Deiner ursprünglich religiösen Erziehung entstammen und Du solltest dieses endlich und gänzlich ablegen, bevor Du anderen diesbezügliche Ratschläge erteilst oder ihnen unzutreffende Persönlichkeitsbilder zuschreibst. Eigentlich sollten unsere diesbezüglichen Dispute auch Dir hilfreich sein, eine objektive Sicht auf dieses Thema zu entwickeln und sich nicht an lächerlichen Beschreibungen aus der Atheistenszene zu beteiligen.

Bester Gruß! - Karl

PS: Wenn Du aufhörst, Dich in der Rolle des ultimativen Realisten zu wähnen, dann könnte das der Beginn eines neuen Weges sein (Heidegers Weggabelung), auf dem Du nicht nur die harten Pflastersteine, sondern auch das Schöne und Erhabene dieser Welt erfahren kannst. Dieser Weg ist natürlich nicht nur „äußerst bequem“ und der realen Welt enthoben, aber er führt in eine Welt, die beides zeigt: Himmlische wie höllische Anteile. Himmel und Höllen sind eben nicht (auch für Christen nicht!) in irgendwelchen kosmischen Gefilden zu erwarten, sondern exakt hier auf dieser Welt. Viele Menschen machen sich die Hölle auf Erden, manche den Himmel!

Zum Trost für Atheisten sei gesagt: Es könnte Lebensräume in den kosmischen Weiten geben, wo eine weitaus mehr fortentwickelte Menschenart ihr Leben zubringt, als auf diesem Erdenkügelchen. Dahin könnte sich eher ein neidischer Blick wenden, als auf Christen hier, denen man ein „äußerst bequemes Leben zufolge ihres Bezugs auf eine außerweltliche Sphäre (Himmel genannt) andichtet.










du brauchst/benutzt/ziehst du rate/ eine geistig von dir selbst erzeugte supra/infra/super/über(natürliche) welt,
um dir dein hiersein und sosein in dieser unserer normalwelt zu begründen und im prinzip auch letztzubegründen,
indem du die allerletzte verantwortung für das in unserer realen welt geschehende aufs übernatürliche verschiebst,
in übernatürliche auslagerst - ein wie-auch-immer gott bewirkt das letztlich alles, was in realer welt so vorgeht

damit hast du immer ein offenes scheunentor, um den "weltmüll" hinauskehren zu können, an sich beneidenswert,
diese lösung der geistigen erfindung des übernatürlichen/"metaphysischen", und selbstbestätigend dazu, denn übernatürliches kann man
mit natürlichem niemals widerlegen, und bewahrheiten ebenfalls nicht, denn es bedürfte übernatürlicher beweismechanismen dazu,
du bist also sehr fein raus + diese einstellung ist zudem äußerst bequem, um sich in realer welt gemütlich einrichten zu können

mir fehlt indes alles übernatürliche + metaphysische, deshalb leide ich an realer welt, und erleide sie vollgültig,
und habe "als realist" keinen ausweg daraus.

aus meiner sicht ist dein geistiger "ausweg aus welt" zudem deshalb unredlich, weil er beliebig ist =
da wurde/wird einfach ein geistiges konstrukt "übernatürliches" solange erbastelt und umgebastelt, bis es als "ausweg" passt,
und notfalls auch modifiziert, zb gott wurde zu höherem wesen wurde dann zu kosmischer intelligenz usw geistig umgemodelt,
immer so zielführend, bis man dem jeweils gültigen übernatürlichen nichts natürliches mehr entgegensetzen kann
(gott keineswegs auf dem rückzug, je mehr wir wissen, sondern vielmehr als chamäleon beliebig wandelbar/anpassbar
eine form von "allzweck-tool" = aus einer beißzange wird ein schraubenzieher wird eine kombizange etc, je nach gerade bedarf)

wh.


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