Am 27.08.2024 um 23:49 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

"Sprachhandlung" zu denken, ist schon das Kombinieren von "kausal" und "handlungstheoretisch", und das ist vermutlich ein Vermischen. Nicht unbedingt ein Irrdenken, denn man vieles mit vielem anderen kombinieren, das Kombinieren steht dem Unterscheiden gegenüber, es ist von vornherein beliebig erlaubt. Nur geht es nicht einmal mit unterschiedlichen Stoffen immer einfach. Denke hier an Lösung vs. Vermischung. Du als Spezialist des Unterscheidens von Schwafeln und gutem Denken (oder Mathematik, weil das von dir mit gutem Denken gleichgesetzt scheint) hast damit sicher kein Problem.

Hi JH, 

Lorenzen schreibt 1963 in seinem Aufsatz „Methodisches Denken“ abschließend: „Durchschaut man die rationalen Elemente, die in unserer wissenschaftlichen, speziell der philosophischen Sprache enthalten sind, so lassen sich Meinungsverschiedenheiten leichter auf ihren Kern zurückführuen. Das Leibnizsche 'calculemus' löst die Schwierigkeiten nicht, sondem diese stecken stets in den Grunddistinktionen, von denen ausgegangen wind. So paradox es klingen mag, das Endziel der Reflexion auf das Rationale ist daher die Elimination des Rationalen und die Rückkehr zur Distinktionsbasis, d.h. zu schlichten Unterscheidungen an Hand von Beispielen. Trotz aller neuzeitlichen Logik und Wissenschaft mag es für die Philosophie statt ‚calculemus‘ immer noch und immer wieder heißen: 'distinguamus'.“ 

Auf die Grunddistinktionen folgen die Prädikatorenregeln, nach denen bspw. Sprechen Handeln ist, aber nicht umgekehrt. Neben dem Sprach- gibt es das Tathandeln; dem Fichte eine besondere Bedeutung gegeben hat, wenn der erste, „schlechthin unbedinge Grundsatz“ in seiner „Wissenschaftslehre“ 1802 „diejenige Thathandlung ausdrücken“ soll, „die unter den empirischen Bedingungen unsers Bewußtseins nicht vorkommt, nicht vorkommen kann, sondern vielmehr allem Bewußtsein zum Grunde liegt und allein es möglich macht.“   

Fichte folgend lässt Goethe seinen Faust ausrufen: „Im Anfang war die That!“ und Oerstedt schreibt in „Der Geist in der Natur“ 1850: „Die Körper besitzen also eine innere Thätigkeit, vermittelst welcher sie ihren Raum ausfüllen“, ersetzt aber 1854 Tätigkeit durch Wirksamkeit. Menschen besitzen zudem eine Tätigkeit oder Wirksamkeit, die Bewusstsein ermöglicht. Diese romantischen Anwandlungen will ich nicht weiter ausführen, aber an den Zusammenhang von Bewusstsein, Tathandeln und Wirksamkeit anknüpfen. Du hast beim Handeln an „kausal“ gedacht, was ich mit der Zeitfolge von Ursache und Wirkung, kurz mit Wirksamkeit, in Verbindung bringe. Mit Handlungen werden Zwecke verfolgt, ansonsten geht es um bloßes Tun oder Tätigkeit. Und Wirkungen gehen aus Ursachen hervor. Natürlicher Verursachung steht menschliche Zweckorientierung gegenüber. Im Menschen kommen die Wirksamkeiten im Organismus und die Zwecksetzungen der Person zusammen, sind aber nicht aufeinander reduzierbar; allenfalls stochastisch in Einklang zu bringen.               

Es geht auch weiter zurück als zu den "originären" Sätzen, nämlich zu den Motiven, und auch auf diese kann die Kausalität gedacht werden, es sei denn es geht zur platonischen Idee zurück, dann wird etwa "das Böse" zur Ursache, nicht Vorsache, weil ja dann die nicht mehr weiter gedacht werden darf oder braucht. Als Nicht-Platonist genügen mir die Vorsachen und die Daneben-Sachen.

Meinem Eindruck nach, scheinst Du „kausal“ geradezu inflationär zu verwenden. Aber vieles was kausal erscheint, könnte sich bloß korreliert oder zufällig ereignet haben. Motive im Handeln entsprechen Ursachen, Zwecke Wirkungen und Spontaneitäten Zufälligkeiten im Geschehen. Platonische Ideen als meth. konstr. Ideale aufgefasst, verweisen auf anzunähernde Zielvorgaben, sind zwar normativ, aber nicht moralisch motiviert. „Das Böse“ gibt es nicht, es wird nur gerne fingiert, um Angst zu verbreiten. Aber was wären böse Motive oder Ideale? Für Islamisten ist der islamische Saat ein gutes, für Humanisten ein böses Ideal. Für Putin ist Großrussland ein gutes, für Selenskyj ein böses Ideal. Könnte es ein weltumspannend gemeinsames humanistisches Ideal geben? Die Menschenrechte sind ein Anfang, aber nur wenige Staaten halten sich annähernd daran; denn Gewalt basiert Natur und Mensch und es fehlt ein überstaatlich-menschliches Gewaltmonopol — und so wird es der Natur überlassen werden … 

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