Aufruf zu Beiträgen
Flucht und Migration
Interkulturell philosophische Perspektiven
5. Interkulturelles Interdisziplinäres Kolloquium
polylog. Forum für interkulturelle Philosophie
in Zusammenarbeit mit der Katholischen Hochschule Freiburg
und dem Forum Scientiarum der Universität Tübingen
Freiburg i. Br., 11.–13. Januar 2017
Einreichschluss: 5. August 2016
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Von 11. bis 13. Januar 2017 organisiert polylog. Forum für
interkulturelle Philosophie sein 6. Interkulturelles
Interdisziplinäres Kolloquium zum Thema 'Flucht und Migration', das
an der Katholischen Hochschule Freiburg stattfinden wird.
Das Thema Flucht ist zu einer zentralen Herausforderung in Europa
geworden. Aktuell flüchten nach UNCHR-Angaben weltweit über 64
Millionen Menschen. Obwohl von diesen nur einige wenige Millionen
nach Europa kommen, ist die gesellschaftliche und politische
Diskussion zum Thema Flüchtlinge in westlichen Ländern extrem
polarisiert: Völkerrechtlich bindende Verträge wie die Genfer
Flüchtlingskonvention verpflichten zum Flüchtlingsschutz. Aber
während einerseits Teile der Politik und der Zivilgesellschaft die
Aufnahme der Flüchtlinge unterstützen, stellen dies andere als
Überforderung und Gefahr dar. Rechtsextreme Bewegungen bedrohen und
attackieren Flüchtlinge und die sie unterstützenden Zivilpersonen. In
allen europäischen Ländern werden völkische, nationalkonservative und
rechtsextreme Diskurse und Bewegungen stärker.
Viele Länder nehmen gar keine Flüchtlinge auf und haben Grenzzäune
errichtet oder strenge Kontrollen durchgeführt. An den geschlossenen
Grenzen Europas entstehen Lager, wo Menschen unter oft unwürdigen
Bedingungen einer ungewissen Zukunft harren. In den meisten Ländern
wird das Asylrecht verschärft. Damit werden auch politische und
rechtliche Voraussetzungen zur schnelleren Abschiebung von
abgelehnten Asylsuchenden geschaffen.
Diese Situation verlangt in interkultureller wie philosophischer
Hinsicht differenzierte und engagierte Diskussionen auf verschiedenen
Ebenen. Je nach Blickwinkel stellen sich unterschiedliche Fragen:
Welches sind die ethischen Grundlagen des Flüchtlingsschutzes? Asyl
ist ein Menschenrecht, doch die diesbezügliche Gesetzgebung und
Vereinbarungen, wie etwa aktuell die Übereinkunft der EU mit der
Türkei, genügen häufig menschenrechtlichen Standards nicht. Es
entstehen Situationen, wie zum Beispiel bei Abschiebungen, in denen
nach geltendem Recht formal korrekt verfahren wird, aber Menschen in
eine humanitäre Katastrophensituation geraten.
Wie artikuliert sich philosophisches Denken aus der Perspektive von
Geflüchteten? Für die Frage der Gegensätze zwischen
menschenrechtlichen Normen und formalen Rechten wird u.a. das Konzept
des homo sacer des italienischen Philosophen Giorgio Agamben
herangezogen. In einigen Texten bezeichnet Agamben irreguläre
Flüchtlinge als moderne Prototypen des ausgeschlossenen Lebens.
Agamben und andere AutorInnen betonen den Aspekt der völligen
Rechtlosigkeit der Flüchtlinge vor allem an den Grenzräumen.
Wie können Grenzen hinterfragt werden? Wie legitimiert? Teile der
Flüchtlingsforschung und zivilgesellschaftliche Gruppen argumentieren
dafür, dass der Flüchtlingsbegriff erweitert werden müsste. Sie
argumentieren, dass auch extreme Armut oder Perspektivlosigkeit einer
Verfolgung gleichkommt. Es ist jedoch auch zu fragen, ob bei den
aktuellen Fluchtbewegungen nicht eher die Legitimität von Grenzschutz
und Grenzen generell zur Debatte stehen sollte. Seit den 1990er
Jahren gibt es aus dem nordamerikanischen Liberalismus stammende und
um demokratietheoretische Aspekte ergänzte philosophische
Kontroversen zum Recht auf Immigration und gegen geschlossene Grenzen
oder zumindest gegen einen gewaltsamen Schutz von Grenzen.
Wie ist globale Gerechtigkeit möglich? Argumentationen in einer
sozial-liberalen Tradition stellen vor allem Gleichheit und
Gerechtigkeit in den Fokus. Sie betonen massive globale Unterschiede
und die Verpflichtung, Ungleichheiten zu reduzieren, beispielsweise
durch großzügige Immigrationsregeln. Wenn globale Gerechtigkeit ein
Minimum an Wohlergehen oder Wohlstand für alle darstellt, dann kann
für Migration argumentiert werden, wenn diese globale Ungerechtigkeit
verbessert.
Wie viel Partizipation ist sinnvoll? Demokratietheoretische
Überlegungen stoßen mit Blick auf das Innere der Länder an Grenzen,
wenn sich beispielsweise Stadtteilinitiativen gegen
Flüchtlingsunterkünfte wehren und Mitbestimmung fordern. Während aus
demokratischer Perspektive die Mitsprache der Mehrheitsbevölkerung an
der Verteilung der Flüchtlinge berechtigt ist, erscheinen diese aus
einer Perspektive globaler Gleichheit problematisch.
Gibt es nicht-westliche philosophische Ansätze zu Flucht und
Migration? Aktuell werden in Europa überwiegend europäische und
angloamerikanische Theorien rezipiert. Ansätze aus anderen Teilen der
Welt und vor allem aus dem globalen Süden sind kaum bekannt. Auch
stützen sich bestehende Argumentationen in Europa kaum auf
Traditionen nicht-westlicher Philosophien.
Das Kolloquium versucht, Raum zu schaffen, um die philosophischen
Dimensionen von Flucht und Migration in interkultureller Orientierung
zu diskutieren:
- Ethische und menschenrechtliche Grundlagen des Flüchtlingsschutzes
- Fragen zu Grenzen, Debatten zu offenen Grenzen und Migration
- Globale Gleichheit und Flucht
- Globale Gerechtigkeit und Migration
- Auseinandersetzung mit rassistischen, völkischen und
nationalistischen Debatten zu Migration
- Rechte und Teilhabe von Flüchtlingen
- Ethische und spirituelle Grundlagen des Engagements für Flüchtlinge
Weitere Themen sind möglich.
Einsendung von Beiträgen:
Interessierte aus Philosophie und benachbarten Fachgebieten sind dazu
eingeladen, einen Themenvorschlag einzusenden. Bitte senden Sie Ihr
Abstract (max. 2000 Zeichen Länge) zusammen mit einer kurzen
biographischen Information bis spätestens 5. August 2016 an:
colloquium2017(a)polylog.org
Sprachen:
Deutsch und Englisch (es erfolgt keine Übersetzung)
Referate:
30 Minuten (plus 30 Minuten Diskussion)
Teilnahme:
Die Teilnahme ist frei; allerdings wird die Zahl der Vorträge
beschränkt sein, um genügend Zeit für lebendige themenzentrierte
Diskussionen zu haben. Alle Vortragenden werden gebeten, an der
gesamten Dauer des Kolloquiums teilzunehmen. Einladungsschreiben
können nur für registrierte Vortragende ausgestellt werden.
Veranstaltungsort:
Katholische Hochschule Freiburg
Karlstr. 63, D-79104 Freiburg, Deutschland
Termine:
5. August 2016: Einreichschluss für Themenvorschläge
20. August 2016: Benachrichtigung über die Annahme des Beitrages
11.–13. Januar 2017: Kolloquium in Freiburg
Leider können wir keine Zuschüsse zu Reisekosten und Unterkunft
anbieten.
Organisatoren:
Nausikaa Schirilla (Freiburg), Bertold Bernreuter (Mexiko-Stadt) und
Britta Saal (Wuppertal)
Website des Kolloquiums:
http://ev.polylog.org/colloquium-de.htm
Kontakt:
Prof. Dr. Nausikaa Schirilla
Soziale Arbeit, Migration und Interkulturelle Kompetenz
Katholische Hochschule Freiburg
Karlstr. 63
D-79104 Freiburg
E-Mail: colloquium2017(a)polylog.org
Web:
http://ev.polylog.org/colloquium-de.htm