Hallo liebe Liste,
ich habe mir ein paar Gedanken zum Thema "Humes Gesetz" gemacht und
wollte mit euch darüber reden. Falls jemand nicht weiß, um was es sich
bei Humes Gesetz handelt, verlinke ich mal Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Humes_Gesetz
Humes Gesetz sagt also aus, dass wir von einer Aussage über Tatsachen
nicht zu einer Aussage über das moralisch richtige kommen können.
Vielleicht eine Veranschaulichung:
(P1) Jeder Mensch wünscht sich X
---
(K) Jeder Mensch sollte X haben.
Man bemerkt natürlich sofort, dass dieser (Pseudo-)Syllogismus (Anmk.:
Zu Humes Zeiten hat man in der Logik ja noch damit gearbeitet) falsch,
also logisch nicht zwingend ist. Schon weil ein Untersatz fehlt.
Will man daraus eine logisch korrekte Schlussfolgerung machen, muss
man eine zusätzliche Prämisse einführen:
(P1) Jeder Mensch wünscht sich X
(P2) Das, was sich jeder Mensch wünscht, sollten auch alle Menschen haben.
---
(K) Jeder Mensch sollte X haben.
Der eigentliche Knackpunkt an diesem Gesetz ist also, dass sich dieser
(Pseudo-)Syllogismus nur durch eine Prämisse komplettieren lässt, in
der bereits ein "soll" vorkommt. Nimmt man beispielsweise die Aussage:
(P1) Jeder Mensch wünscht sich X
(P2) Das, was sich jeder Mensch wünscht, das gestehen alle Menschen
auch jeden anderen Menschen zu.
---
(K) Jeder Mensch sollte X haben.
So folgt (K) nicht mehr logisch. Richtig wäre dann nur (K'):
(K') Jeder Mensch gesteht es allen anderen Menschen zu, dass er X haben sollte.
Doch selbst wenn alle Menschen es allen anderen Menschen gönnen, X zu
haben, so ist damit immer noch keine moralische Soll-Aussage
verbunden. Vielmehr haben wir es mit einer Aussage über Psychologie
oder vielleicht Politikwissenschaft zu tun. Will man zu einer
korrekten Schlussfolgerung gelangen, die zu (K) führt, so muss man
eine Prämisse einführen, die ein "Soll"-Urteil beinhaltet. Anders
formuliert können Soll-Aussagen nicht ausschließlich aus Sätzen über
Tatsachen gefolgert werden.
Diese Überlegung erschien mir sehr lange Zeit sehr vernünftig und korrekt.
Als Einwand gegen Humes Gesetz wird nun sehr häufig die Existenz
sogenannter "dichter Begriffe" angeführt. Also Begriffe, die neben den
rein sachlichen Urteil auch eine moralische Komponente beinhalten.
Etwa:
(P3) "Es ist ein Verbrechen, jemanden das vorzuenthalten, was sich
jeder Mensch wünscht".
Da der Begriff des Verbrechens sowohl am Vorliegen gewisser
tatsächlicher Kriterien festgemacht wird als auch eine normative
Komponente beinhaltet, kann über diesen Umweg also vom Sein auf das
Sollen geschlossen werden. So jedenfalls habe ich die Argumente
verstanden.
(Natürlich hätten wir bei (P3) noch die Kleinigkeit zu erledigen, den
Satz selbst zu rechtfertigen, das spielt aber für diese Überlegung
hier keine Rolle.)
Jetzt besteht das Problem, dass man die Aussage (P3) auch anders
interpretieren könnte, "jemanden das vorzuenthalten, was sich jeder
Mensch wünscht, trifft auf gerechtfertigte moralische Missbilligung"
oder "... wird als unmoralisch empfunden und sollte daher vermieden
werden".
Nimmt man diese Interpretation an, so enttarnt man diesen
vermeintlichen Schluss vom Sein aufs Sollen als eine versteckte
Soll-Prämisse. Sie wird sozusagen durch die Hintertüre eingeführt.
Doch könnte man (P3) doch auch so interpretieren, dass darin ein
"dichter Begriff" vorkommt. Sollte man in diesem Zusammenhang also
eher von einem "Humeschen Interpretationsvorschlag" als von einem
Gesetz sprechen?
Ich hoffe, dass euch die Diskussion dieses Gedankens Spaß macht.