jh: „... schrecklich, da habe ich etwas zu viel geschrieben, bei mir
sind die Personen die Akteure, nicht der Betrachter, der Betrachter ist
nur eine Vaihinger-Fiktion, die nach jeder "Betrachtung" wegfällt, aber
wenn Vaihinger nicht ernst genommen wird, kann das nicht verstanden
werden. Und Über-Betrachter sind in diesem Denken seltener erforderlich
als Betrachter.“
Wenn Du, Joseph, den Betrachter als Menschen annimmst, dann ist er doch
immer auch Person, was allerdings nichts über deren Persönlichkeit
aussagt; mit dieser spezifischen Charakteristik kommt ein
psychologisches Element der betrachtenden Person in‘s Spiel, das sich
intersubjektiv im Rahmen der jeweils gegebenen sozialen Umgebung
entwickelt (Sozialisation) und sich im Gegenzug wieder darin einbringt.
Die Betrachtung an sich sei grundsätzlich Fiktion, sagt Vaihinger; diese
Aussage und ihn selbst „ernst zu nehmen“ setzt natürlich voraus, sein
Denken, seine „Philosophie des als ob“ überhaupt verstanden zu haben.
Dabei geht es nicht um üblich formales Verständnis seiner Argumentation
, sondern darum, wohin Vaihinger mit seiner „Logik der Un-Logik“ hinaus
will.
Schon mehrmals hast Du Vaihinger hier angemerkt und diesmal bist Du
womöglich im Zusammenhang der letzten Beiträge über Ursache-Wirkung
wieder an Vaihinger herangerückt.
Überhaupt dachte ich schon früher daran, Du seist die perfekte
Wiedergeburt dieses „Ausnahmephilosophen“. Dazu würde ich Dich fragen
wollen, ob Dein (philosophisches) Denken ursächlich von ihm geprägt
wurde oder ob Dich Deine Art zu denken mit ihm in Verbindung gebracht
hat. Ich vermute letzteres, da Du ebenso akribisch die Dir aufscheinende
Lebenswelt in ihre Einzelheiten zu zerlegen, sie nach gewissen
Strukturen einzuordnen bzw. verschiedenen Ebenen zuzuordnen suchst.
Dieser Hang zur Akribie und dabei doch auch ein eher unstrukturiert,
fragmentarisch erscheinendes Gesamtbild Deiner Ausführungen, sowie
gewisse Affinität hinsichtlich Vaihingers Rede von der Mühe des Denkens,
wonach diese beiträgt, Wahrnehmungen des Lebensumfelds zur Fiktion
geraten zu lassen, scheint Dich mit ihm zu verbinden.
Bei aller möglichen Irritation bezüglich Vaihingers Thesen denke ich
schon, dass diese Art und Weise, Leben und Erleben zu hinterfragen, es
ergründen und einzuordnen zu wollen, ein unorthodoxer aber
wahrscheinlich genau deshalb ein geeigneter Weg ist, solchermaßen als
Betrachter einen Blick hinter den Schleier der Natur zu erhaschen.
Also habe ich mir in den vergangenen Wochen immer wieder mal Vaihinger
vorgenommen, dessen Thesen ich zu früheren Zeiten eher pejorativ
wertete, vor allem wohl meiner ablehnenden Haltung gegenüber dem
logischen Empirismus geschuldet (wir hatten das kürzlich hier bzgl.
Carnap erörtert); diese zurückgestellt öffnet sich der Blick für eine
sehr spezifische Perspektive auf Vaihingers Annahmen, die er vornehmlich
in seiner „Philosophie des als ob“ darlegte.
Bei näherer und vor allem objektiver Sichtweise zeigten sich mir diese
Ausführungen in einem bislang von mir nicht beachteten Zusammenhang und
ich möchte versuchen, diesen hier etwas ausführlicher vorzustellen,
damit wir ein Stück weit aus dieser unglücklichen Fragmentierung von
thematisch angelegten Beiträgen herauskommen, die sich durch lediglich
kurze „Basta-Argumente“ oder Literaturhinweise bzw. Web-Links ergibt.
Vaihingers „Philosophie des als ob“ erscheint mir als ein Ausbrechen aus
üblichen Vorstellungen von Wahrnehmung und deren Interpretation und wo
diese an an fixierte Muster tradierter und demnach (vornehmlich
religiös) sozialisierter Denkrichtungen gebunden sind, kann oder will es
nicht gelingen, Verständnis für Vaihingers revolutionäre Idee zu entwickeln.
Nicht also als Literaturhinweis, sondern vielmehr als Quellenangabe
möchte ich eine Buchrezension zu Vaihingers Werk erwähnen, die Wilhelm
Jerusalem (Böhmisch-österr. Philosoph und Soziologe) in 1912 verfasst
hat; sie schlug mir eine Brücke vom meinerseits wenig geliebten
„Wiener-Kreis“ (als Ganzem und nicht bezogen auf einzelne Protagonisten
bzw. Sympathisanten) zu eben Vaihinger, den man bisweilen auch zu diesem
Zirkel zählt, was jedoch nicht zutrifft. Im Gegenteil wurde Vaihinger
von den meisten „Wienern“ abgelehnt bzw. argwöhnisch betrachtet , obwohl
er für einen kritischen Empirismus eintrat, jedoch darauf bestand, dass
Wissenschaft nicht apriorisch, theoretisch abgehoben, sondern dem Leben
dienlich und auch am „gesunden Hausverstand“ orientiert sein sollte;
zudem bestand er darauf, Metaphysik als philosophische Disziplin
anzunehmen, wenngleich er deren kennzeichnende Begrifflichkeit ebenso
als Fiktion deutete.
W. Jerusalems Interpretation der Vaihinger-Fiktion führt zu deren
entscheidendem Gesichtspunkt, als These von der (oben bereits
erwähnten) „Logik des Unlogischen“.
In Abkehr von üblicher, zumeist negativ besetzter Vorstellung und
Erklärung von Fiktion als Ausdruck eines unlogischen, widersprüchlichen
oder schlichtweg nicht gegebenem Wirklichkeits- bzw. Wahrheitsbezugs
wird geradewegs ein sich daraus ergebender Vorteil konstruiert, wonach
sich „unlogische Annahmen als tauglich erweisen, die Wirklichkeit zu
erkennen bzw. sie zu berechnen“.
Vaihinger war Platoniker und wertete dessen Ideale als Hypothesen, die
sich über Fiktionen zu Dogmen entwickeln und begründete damit sein
„Gesetz der Ideenverschiebung“. Ebenso teilte er Platons Vorstellung von
der Existenz eines Dritten zwischen „Wahr und Falsch“, was im Gegensatz
zum Gesetz des ausgeschlossenen Dritten steht „principium exclusi
tertii“ oder allgemeiner bekannt als „tertium non datur“ - ein Drittes
gibt es nicht.
In Anlehnung an Aristoteles‘ Zweiwertigkeitsprinzip (jede Aussage der
Form P ¬P ist logisch wahr) beschreibt der Satz vom ausgeschlossenen
Dritten, dem ausgegrenzten Mittleren als logisches Prinzip zwischen zwei
kontradiktorisch angelegten Gegensätzen, wonach für eine Aussage/Annahme
zumindest deren eigene Gültigkeit oder eben ihr Gegenteil gelten muss.
Dabei gilt nur wahr oder falsch ohne dazwischen liegende wertende
Aussage. Dieses Prinzip ist gewissermaßen ein ontologisches Axion
ähnlich Shakespeare‘s Sein oder Nichtsein.
Unter philosophischem Aspekt sollte man dieses Prinzip etwas genauer
betrachten, handelt es sich doch um die Wertung des Wahrheitsbegriffs:
In der Philosophie sei „halbe Wahrheit schon die ganze Unwahrheit“,
formulierte Adorno und mag sich dabei an G. Freges „Die Wahrheit
verträgt kein Mehr oder Minder“ oder womöglich an Matth 5/37 orientiert
haben: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist
vom Übel“.
Doch was ist Wahrheit? Seitens logischer Bewertung sollte gelten:
entweder trifft ein Sachverhalt zu oder eben nicht. Sofern es sich um
dessen eindeutig feststellbare Gültigkeit handelt (etwa sicher
ermittelte technische Messergebnisse ist die Frage nach Wahr und Falsch
problemlos zu klären, wie z.B. der Zustand elektrischer Potentiale
bezüglich logischer Festlegung (0 oder 1).
Ähnlich verhält es sich bei Sachverhalten, die einer objektiv – also
intersubjektiv – festgestellten Gegebenheit entsprechen und demnach
entweder zutreffen, damit als wahr einstufbar sind oder eben nicht und
somit als falsch zu werten sind.
Wesentlich schwieriger wird die Festlegung auf Wahrheit (in Bezug auf
Frege) wenn Aussagen durch ein „mehr oder minder“ abgestuft erfolgen,
wodurch das genuin angelegte Wahrheitsprädikat verfälscht oder auch
schlicht (im Sinne der Lüge) missbraucht werden kann.
Das von von Waldemar hier kürzlich angebrachte Argument, Wahrheit (als
Begriff) sei ausschließlich nur als fehlerbehaftete Substantivierung
aus Attributen, Adjektiven ein rein sprachliches Hilfsmittel, das in der
(Lebens-)Realität keine Entsprechung hat, trifft in oben angeführter
Bedeutung bezüglich objektiver Nachweisbarkeit eines zutreffenden
Sachverhalts nicht zu.
Zunächst gilt, dass Attribute nicht mit Eigenschaften und Semantiken
gleichzusetzen sind.
Eigenschaften kennzeichnen eine eindeutig und objektiv nachweisbare
Beschaffenheit, resp. eine spezifische Substanz und Qualität eines
Gegenstandes, einer Sache oder einer Person und sind somit nicht der
Kategorie von Reflexionsbegriffen zuzuordnen.
Attribute sind - oftmals subjektive - Zuschreibungen (Attribuierung)
zur Beschreibung oder Erklärung spezifischer Charakteristika; sie sind
damit Beifügungen zu Subjekten/Objekten etwa zum Zweck präzisierender
Zusatzinformation.
Soweit Attribuierung subjektiv erfolgt, unterliegt sie der Möglichkeit ,
fehlerbehaftet und damit nicht zutreffend (also schlicht falsch) zu sein
und bekommt möglicherweise einen reflexionsbegrifflichen Status, etwa
die bewertende Rede über Religion, Technik oder das Leben schlechthin.
Somit unterscheiden sich Reflexionsbegriffe (als reflektierte, in das
logische Verhältnis der Vielgültigkeit gebrachte Vorstellungen, wie Kant
es definierte) von eindeutigen Begriffstypen (wie eben Eigenschaften)
allein durch ihre Objektstufigkeit; sie beziehen sich also nicht
objektiv auf Gegenständliches oder Reales und bieten damit Raum für
daraus resultierende Hypostasierungen und Ontologisierungen.
Waldemars „Karwendelgebirge“ attribuiert er also als schön und ich das
Kaisergebirge als noch schöner. Ein „Flatlander“ könnte sich dort als
sehr eingeengt fühlen und beide Gebirgszüge durchaus nicht als schön
empfinden. Alle werden jedoch zustimmen müssen, dass Tonalit und
Granodiorit dort gemeinsam vorkommende Gesteinstypen sind und faktisch
damit ein wahrer, objektiv gültiger Sachverhalt gegeben ist.
Ob man diese Steinart als schön definiert oder wahrnimmt und daher in
diesem Kontext von deren Schönheit spricht, ist also eine subjektiv
vorgenommene Zuschreibung und kann somit nicht grundsätzlich als
„falsch“ angesehen werden; sehr wohl jedoch als unrichtig zu bezeichnen
wäre eine subjektiv getätigte Aussage, wonach der Steintyp Tonalit nicht
in den alpinen Gesteinskomplexen (trotz der objektiv festgestellten
Gegebenheit) vorkäme.
An diesem Beispiel wollte ich darlegen, dass mit entsprechenden
Reflexionstermini formulierte Reflexionsbegriffe, diese wiederum als
sog. Metaprädikate die gängige Sprachkultur abbilden.
Reflexionsbegriffe haben dabei die maßgebliche Eigenschaft, eine nicht
klassifizierende Übersicht über einen Sachverhalt oder einen
Themenkomplex zu bieten und damit kontextabhängig sind (wie ich das vor
einiger Zeit für das Frage/Antwort-Spiel schon erwähnt habe).
Will man in einem laufenden Frage-Antwort-Spiel (etwa innerhalb einer
Diskussion) zu einem bestimmten Thema eine möglichst große Schnittmenge
an Wissen und Erfahrung erzielen eine, sollte noch keine abschließende
Kategorisierung bzw. Klassifikation stattfinden (etwa durch
„Basta-Argumente“). Das würde durch Gebrauch kontextsensitiver
Reflexionsbegriffe bzw. Metaprädikate (als gegenständlich
differenzierende, gemeinschaftlich logische Reflexionsbegriffe) gelingen.
Soweit zu dieser theoretischen Begriffs-Spielerei, wenn hier schon mit
Begrifflichkeiten von „Reflexionstermini“,
Attributen/Eigenschaften/Semantiken und unzulässiger
„Versubstantivierung“ argumentiert wird.
Bei diesen abstrakten Spitzfindigkeiten und Begriffsdefinition von
„Wahrheit“ möchte ich mich nun aber nicht aufhalten, dies im Bewusstsein
einer mir zu Kinderzeiten vermittelten Maxime zur Wahrheitheitsfindung:
„Die Sonne bringt es an den Tag!“ (Schma Sina!).
Vielmehr bin ich tatsächlich am „Dritten“ zwischen zwei Zuständen
interessiert und komme wieder zurück zu Vaihingers Fiktion und seine
„Logik der Unlogik“ also die Vorstellung von der Existenz eines Dritten
zwischen „Wahr und Falsch“, die auch Aristoteles insoweit teilte, als
der Ausschluss eines Dritten zwischen Gegensätzen nicht für Zukünftiges
gelten könne, da diese aus der Gegenwart gesehen weder als wahr oder
falsch zu werten sind (de interpretatione(7)).
Vaihinger bezieht sich m.E. nicht auf Zukunft und es geht ihm nicht um
die Ablehnung resp. Annahme eines Dritten zwischen „wahr“ und „falsch“,
sondern vielmehr um das Faktum, das man diese (wahr/falsch-) Wertung
schlechterdings nicht treffen kann, da die dazu erforderliche
Interpretation dementsprechender Wahrnehmung eben Fiktion sei.
Bei dieser Festlegung wird/kann Vaihinger nicht von der Möglichkeit
faktisch technischer Evaluierung ausgegangen sein, seine Idee bezieht
sich denn auch auf einen gänzlich anderen Aspekt, den ich gerne an oben
bereits angeführter diesbezüglichen Interpretation von W. Jerusalem
deutlich machen möchte:
Dieser beschreibt in erstaunlicher Voraussicht bereits 1912, was heute
Bestandteil der Informations- und Steuertechnik ist und führt als
Beispiele den „unlogischen“ Kunstgriff der Flächenberechnung eines
Kreises (als Vieleck mit sehr hoher Seitenzahl) sowie den von Leibnitz
und Newton eingeführten Begriff des Unendlich-Kleinen, also eine
Infinitesimal-Fiktion als Grundlage der heute in der höheren Mathematik
angewandten Infinitesimalrechnung an.
Auf Technik bezogen gilt für herkömmliche Rechnertechnik das
Bivalenzprinzip zweiwertiger Logik und somit gibt es kein „Drittes“
zwischen WAHR/FALSCH oder eben zwischen Eins und Null.
Anders verhält es sich bei Quantenrechnern. Hier können Bits nicht nur
einen von zwei möglichen Zuständen einnehmen (0 oder 1) sondern das sog.
Qubit (oder bei mehreren davon das Quantenregister) kann sich für eine
gewisse Dauer (Kohärenzzeit) in einem Zustand zwischen Null und Eins
befinden, den man als Superposition bezeichnet.
Ich hatte diese Zusammenhänge vor einiger Zeit hier beschrieben und
möchte diesbezügliche Details daher nicht weiter ausführen. Entscheidend
bei dieser Betrachtung ist nun lediglich die Möglichkeit einer
parallelen Informationsverarbeitung mit mehrwertiger Logik als
„Parallelprozessing“ im verfügbaren Zeitfenster des Zwischenzustands
(Kohärenz) bis zu dessen Zusammenbruch (Dekohärenz).
So gibt es also gewissermaßen etwas zwischen Null und Eins, zwischen
Wahr und Falsch, als eben einen undefinierten Zustand, wie er sich auch
im Begriff von Fiktion, darstellt.
Aus diesen Vorstellungen könnte man ableiten, dass sich in diesen
fiktionalen „Zwischenwelten“ (Kohärenz als Zustand der Potentialität)
quasi unendliche Möglichkeiten verbergen, um bei näherer Betrachtung,
sprich: Beobachtung/Messung/Dekohärenz die erstaunlichsten Dinge in
Realität zu bringen.
So muss man nicht unbedingt „trocken-denkend“ diese Welt der Fiktion
beiseite schieben, sondern kann durchaus gedankenspielerisch (im Sinne
von science-fiction) Philosophie mit wissenschaftlich-technischer
Spekulationen zusammen führen.
Sich damit derzeit von Politik, Kriegen, Seuchen, von Social-Media,
Zeitungen und TV wenigstens ein Stück weit entfernen zu können, könnte
Balsam für die Seele sein.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
PS: Natürlich geht das hier zu diesem Thema (Vaihinger Fiktion) weiter.
Dieser break also, damit es nicht unübersichtlicher wird als der Beitrag
dies ohnehin schon sein könnte.
Meine Bitte an alle Teilnehmenden - soweit es Euch möglich ist, schreibt eine kurze Bestätigungsmail, damit ich an der Reaktion das Listserververhalten erkennen kann.
Dank und Gruß! - Karl
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Hallo in die Runde,
als Beitrag zur politischen Philosophie erscheint es mir sinnvoll, einmal die bevorstehende Wahl als grundsätzliche Richtungswahl zu bedenken, in der es wesentlich um die Entscheidung zwischen zwei Perspektiven in der Ausrichtung zukünftiger Politik geht. 1957 ging es um Westbindung vs. Wiedervereinigung, 1969 um Postfaschismus vs. Anti-Faschismus und nunmehr um Postkapitalismus vs. Klimaschutz; kurz: um konservativ-rückwärtsgewandt vs. progressiv-zukunftsorientiert. Die Schweizer hatten bereits die Wahl und sich gegen den Klimaschutz und für den Postkapitalismus entschieden. Meiner Vermutung nach, wird sich die Mehrheit in Deutschland ebenso entscheiden.
1957 gingen die Christen in den Wahlkampf mit dem Slogan „Keine Experimente“. Wenn sie sich nur daran gehalten hätten, denn 1950 begann das Anthropozän und mit ihm das wohl folgenreichste Experiment, das die Menschheit je verfolgt hat. 1969 titulierten die noch von Ex-Nazis, wie Kiesinger, durchsetzten Christen den antifaschistischen Widerstandskämpfer und Emigranten Brandt als Bastard und Vaterlandsverräter. Wahlslogan: „Brand kann Deutschland nicht führen. Darum Bundeskanzler Kiesinger.“ Als ob Deutschland wieder einen Führer brauchte.
Und heute? Ist die Gegenwart das Ende der Vergangenheit oder der Beginn der Zukunft? Im Sofortprogramm von B’90/Grüne heißt es: „Um Abstimmungsprozesse innerhalb der Ministerien zu verschlanken und zu beschleunigen, wird in den ersten 100 Tagen eine Klima-Task-Force der Bundesregierung im Wochenrhythmus tagen. Die Federführung hierfür wird im Klimaschutzministerium liegen. Dieses Ministerium wird zusätzlich mit einem Veto-Recht gegenüber den anderen Ressorts ausgestattet, sollten Gesetze vorliegen, die nicht Paris-konform sind.“ Im Postkapitalismus geht es nicht darum, was produziert wird; was zählt ist der Profit. Aber inwieweit widerspräche dem ein Veto-Recht für den Klimaschutz?
IT
Hallo Liste,
hier nur ein Hinweis:
https://www.philosophie.fb05.uni-mainz.de/fs_schopenhauer_aktuelles/
Vielleicht interessiert es ja den ein oder anderen?
Das einzige, was ich nicht weiß, ist, ob es Online was dazu geben
wird. In Zeiten von Corona kann ich mir ein reines Offline-Event kaum
vorstellen.
Sonst einfach ignorieren.
Gruß
Der, wie immer, Ratlose.
Am 16.09.2021 um 00:12 schrieb Karl Janssen:
> Ach, fällt mir grad noch zu Deiner von Dir zurückgehaltenen Idee einer „Wapon of mass destruction“ ein.
>
> Kennst Du die alte Volksweisheit?:
>
> Wenn jemand beteuert, er hüte ein Geheimnis, so hat er es sogleich verraten!
besser lesen ...
ich habe gesagt, dass meine ideen (egal was) nicht und keinesfalls für
auch nur annähernd militärische entwicklungen zu verfügung stehen (sollen),
und dass ich deshalb bestimmtes für mich behalte und "vergessen habe",
weil ich pazifist bin, und zwar rigoros !
*
ich würde als bundeskanzler, in der stunde meiner wahl noch, ein dekret
erlassen, dass unsere bundeswehr in ein technisches hilfswerk umgebaut
würde,
und zwar sofort, um damit dann weltweit dringend nötige "konstruktive
kriege" führen zu können, statt destruktiver wie heute: aufbau von
infrastrukturen, katastrophenhilfe,
armutsbeseitigung, meerespatrouillen zum umweltschutz, naturschutz an
land, usw
das gäbe auch im land und international massig jungen leuten arbeit, und
sie könnten und würden gerne mitarbeiten und das ganze unternehmen
erweitern, da quasi alle berufe
dafür dauergesucht wären (außer, tut mir leid, wahrscheinlich
"philosophen", aber denen könnte man dann mithilfe dieses THW ein
eigenes "naturschutz-reservat" anlegen,
in dem sie als "seltsame menschtierart", die niemand wirklich braucht,
die aber von der evolution trotzdem mitgeschleppt werden, besonders
geschützt dem zb tourismus dienen könnten,
mit jedem philosophen wieder eine eigene agora, wo er sich nach eigenem
ermessen ergießen und ausfliessen kann, und so sein jeweiliges publikum
delektieren) - aber gibt noch einige andere
"berufe", die niemand braucht, für je extra-reservate, zb politiker,
webdesigner, ökotrophologen, urige jägersleut, genderei- und andere
sprachverwirrer, blogger, leute die nicht anders können
als auf facebook uä. ständig kommentare absondern, verpackungenberater,
mode"schöpfer" samt entouragen, weine-tester, sog "sommeliers" aller
arten, germanistik- und andere studis
ab dem 25.semester, usw
wh.
--
Diese E-Mail wurde von Avast Antivirus-Software auf Viren geprüft.
https://www.avast.com/antivirus
Hallo,
zum Thema "Zwangsverhalten" und Religion habe ich einmal einen
interessanten Vortrag von Professor Sapolsky auf Youtube gesehen, ich
glaube, es war dieser hier:
https://youtu.be/4WwAQqWUkpI
Der Vortragsstil ist großartig. Eine Wanderung durch
Wissenschaftsgeschichte, Forschungsarbeiten, Filme und Literatur,
sowie Anekdoten.
Das Themengebiet könnte spannender nicht sein. Der Professor stellt
die Spekulation auf, dass religiöses Verhalten (etwa die 616 Mizwars,
deren Verhältnis zu den "Knochen" im Körper und den Tagen im Jahr) und
gewisse natürliche Verhaltensweise und Zwangsstörungen zusammenhängen.
Kurz gesagt: Es handelt sich bei vielen psychischen Syndromen um
missadaptive Ausprägungen von Stressvermeidungsverhalten, wie es uns
bei normalen, gesunden Menschen begegnet. Beispielsweise einen Vortrag
immer auf die selbe Weise anzufangen.
Schizophrenie wurde deshalb evolutionsbiologisch noch nicht schon
lange ausselektiert, weil ein mit Schizophrenie verwandtes Syndrom,
die schizoide Persönlichkeit, evolutionsbiologisch positiv ist. Das
ähnelt sehr der Theorie der Homosexualität als evolutionsbiologisch
positiv für Verwandtenselektion.
Der Schizoide kann damit als Schamane den Stamm dienen, indem er
Initiationsriten mit jungen Männern abhält, Mitgliedern mit Sorgen und
Krankheiten hilft und regelmäßige Zeremonien durchführt.
Ich sehe an dieser Spekulation einige Schwachstellen, u. a. gibt es
Berichte über andere "Nützlichkeiten" von Schizophrenie und Sapolsky
weist ja selbst auf sogenannte "Spandrels" hin, vielleicht ist die
Neigung zu solche Dingen wie Zwangsstörungen und Schizophrenie ja mit
der enormen Leitungsfähigkeit des menschlichen Gehirns einhergehend.
Es betrifft ja auch nicht jeden, sondern nur eine unglückliche
Minderheit.
Schon länger kam mir die Vermutung, dass die erste systematische
Betrachtung zur Mathematik, die über die Bedürfnisse des Handwerks
hinausging, wahrscheinlich von jemanden kam, der sich zwanghaft mit
Zahlen beschäftigt hat.
Die Pythagoreer waren ja auch dafür bekannt, dass sie Numerologie,
Mathematik, Astronomie und Harmonik nicht getrennt haben. Archimedes
von Syrakus soll ja von einem römische Soldaten getötet worden sein,
als er grade Kreise zeichnete.
Zu Goethes Bildern:
Soweit ich weiß hatte Goethe ein anderes Verständnis von Bildern. Er
glaubte an eine Art platonische Idee in Form von Bildern. Im Denken
Goethes gab es zum Beispiel die Vorstellung einer "Urpflanze", nicht
unbedingt zeitlich zu verstehen, der dann die anderen Pflanzen folgen.
Das ist auch das geheimnisvolle Reich, in dem der Faust im 2. Teil das
erste Mal das Bild der Helena sieht, nehme ich an.
Bevor jetzt jemand die populäre Verurteilung von Goethe als
naturwissenschaftlich gänzlich unbegabten Geheimrat wiederholt, "hihi,
er konnte kein Mathe", sei nur folgendes Gesagt:
Vor Evolutionstheorie und Genetik stellte sich die Frage, wieso
Pflanzen ähnlich wachsen, natürlich auch anders.
Und natürlich, Goethe war kein systematisch argumentierender Philosoph
oder Wissenschaftler, sondern Dichter.
> Am 16.09.2021 um 23:03 schrieb Karl Janssen <janssen.kja(a)online.de>:
>
> Ja, definitiv zeigt sich, dass die Natur sich nicht vom Menschen in dessen vorgestellte Grenzen zwängen lässt; vor allem nicht grenzenlos, wie sich das jüngst wieder an den Auswirkungen der Unwetter gezeigt hat.
> Die Menschheit kann nur im Einklang mit der Natur existieren und überleben. Hier gilt es noch sehr viel zu forschen, zu lernen und dementsprechend umzusetzen.
Hi Karl,
wie kommen wir aus der Wachstums- in die Kreislaufwirtschaft? Der Frage wird seit den 1970er Jahren nachgegangen und viele Lösungsvorgschläge wurden gemacht. Aber niemand hat es bisher auf einen Versuch ankommen lassen und so steuern wir sehenden Auges in die Katastrophe natürlicher Zwangsbedingungen. Physikalisch sind viele Ökonomien möglich, aber welche außer dem Wachstumskapitalismus wird eine Change eingeräumt? Leider ist das nicht nur eine Machtfrage, sondern auch eine Folge unserer cerebralen Belohnungs- und Abneigungssysteme. Und denen wäre nur durch trickreiche Manipulationen beizukommen. Bisherige Werbekampagnen haben aber gezeigt, dass es zumindest im Negativen möglich ist, den Menschen viel überflüssigen Mist anzudrehen. Warum sollte sich das nicht ins Positive wandeln lassen? Weiter bliebe die Perspektive, vom Wachstumskapitalismus über einen Ökokapitalismus in eine Wohlfahrtsökonomie zu gelangen.
Bevor wir unfreiwillig ins kosmische Zeitalter allgemeiner Auflösung eingehen, sehe ich die Möglichkeit zur Propagierung eines Sonnenzeitalters, wie es schon wiederholt vergeblich versucht worden war. Aber warum es unter heutigem Problemdruck und mit heutigem Wissen nicht noch einmal wagen? Das Sonne-Erde-Mond-System kann annähernd als abgeschlossen angesehen und eine thermodynamische Ökonomie darauf losgelassen werden, in deren Rahmen ein Ökokapitalismus formulierter sein sollte. Aber wo könnte er begonnen werden? Lediglich die Skandinavier fallen mir als hinreichend entwickelte Gesellschaften ein, die allerdings zu klein sind. Toll wäre es, wenn die USA den Aufbruch ins Sonnenzeitalter zum Jahrhundertprojekt ausriefen. Die hätten alle Ressourcen (bzw. könnten sie ersetzen) dafür, wenn da nicht die vielen Reaktionäre das Sagen hätten, die nicht von ihren Pfründen lassen wollen. Immerhin hatte Al Gore 1988 und 2000 sein Glück versucht und das Zeug dafür gehabt, die USA in die richtige Richtung zu leiten. Biden hat noch die Altlasten abzuarbeiten, aber nach ihm könnte es dann noch gerade rechtzeitig besser werden …
… weiter träumend grüßt,
IT
Am 15.09.21 um 23:49 schrieb Karl Janssen via Philweb:
> Mathematik sei „nur eine Sprache“, glaubst Du das wirklich Waldemar?
> Wenn ja, dann hast Du (neben vielem Anderen) auch Mathematik nicht verstanden!
> Das hängt vermutlich mit Deiner Blindheit hinsichtlich jeglicher philosophischer Betrachtung zusammen. Namhafte erste Philosophen waren allesamt der Mathematik zugewandt und zwar nicht als „Spreche“, sondern als grundlegendes System, gewissermaßen als das Ur-Axiom schlechthin.
nicht "nur eine Sprache", 1:0 für dich gegen Waldemar, argumentum ad
hominem jedoch nicht so recht passend,
mit "grundlegendes System" und erst recht "als Ur-Axiom" habe ich enorme
Schwierigkeiten. Mathematik als System von Sachen, in diesem Fall von
Wörtern, Formeln, strengen guten Regeln, fast immer Logik beachtend,
Eigenreinigungskräften, so dass der sie denkende, der mit ihr denkende
ständig gemaßregelt wird, vermutlich daraus folgend eine sehr schwierige
Ebene, wenn sie höher sie geht und viel abverlangt. Mathematik ist wohl
die hervorragendste denkbare Ebene, die zudem aufgeschrieben werden
kann. Die Korrespondenzen zu vielen anderen Ebenen, so dass eine
Vorhersage in diesen möglich wird, ist sozusagen etwas, das dazu kommt,
und zusätzlich bemerkenswert ist.
> Nachdenken darüber ergibt lebenspraktisch, dass ich sehr wohl die
> Temperatur von Wasser messen kann und bisweilen auch muss: vermutlich
> warst Du nie in der Situation, das Badewasser für ein Baby messen zu
> müssen, um das Kerlchen nicht zu verbrühen.
Das wäre schlimm gewesen, fürwahr, oh Schreck, wenn ich nur daran denke.
Es sind bei so einer Sache viele Ebenen im Spiel, nicht nur Mathematik.
Hoffentlich habe ich dir jetzt nicht widersprochen.
> Wie weltfremd bist Du doch geworden, Waldemar! Frage mich nur, wie das Deine Viecher (solchermaßen bayerisch liebenswert ausgedrückt) mit Dir aushalten. Vermutlich hältst Du ihnen zum ausgleichend tröstlichen Beistand jeden Tag eine Predigt nach dem Vorbild des Franz v Assisi.
Schön dein väterliches Von-oben-herab, hätte ich auch gerne. Nur die
Fischpredigt ist immer ein aktuelles Thema, wer hört wem denn noch zu?
Alle wollen zuerst die Macht, oder so etwas wie Bert Brecht es schreibt,
oder erst mal in den Urlaub fliegen oder zwei Squads kaufen.
> Ich denke, wenn Du an Mathematik schlicht nur als Sprache definierst, übersiehst Du den Unterschied zwischen Semantik und Symbolik, was hinsichtlich Deiner früheren Beiträge hier äußerst erstaunlich ist!
Ich sehe da nicht nur eine Sprache, komme mit den Wörtern Semantik und
Symbolik sehr wenig vorwärts, vielleicht analog zum Elementenbeispiel,
das ich vorhin gab, bis zur Zahl 100, hier jedoch vielleicht nur bis zur
Zahl 2, das semantische Dreieck ist mir kein Rätsel, das mich zum
Staunen bringt, es verwirrt mich nicht einmal, es verwirrt sich selbst.
Danke wenn die Predigt bis jetzt ausgehalten wurde.
Joseph