Am 12.03.22 um 11:57 schrieb Ingo Tessmann:
> „Man kann nicht nicht kommunizieren“ ist ja das 1. Watzlawicksche Axiom —
Watzlawick habe ich versucht, vor einigen Wochen wieder anzugehen,
leider bringt er mich nicht weiter, obwohl ich sehr an ihm hänge. Er hat
einen Wühltisch hinterlassen, der schwer in Ordnung zu bringen ist, so
denke ich, du kannst anders dazu denken, das ist in Ordnung. Schon der
Satz oben ist für mich als Form nicht in Ordnung. Wer ist "Man", was ist
nicht nicht? Du kennst ja meine Ersetzungsmethode:
Man kann nicht nicht vorwärts gehen.
Man kann nicht nicht reden.
Ein Stein kann nicht nicht da sein.
Bald wäre ich bei Heidegger, wenn ich so weiter machen würde. Anders
gesagt: Watzlawick hätte eine andere Sprache sprechen können. Da hilft
das Wort Axiom auch nicht weiter. Wenn du mit seiner Sprache klar
kommst, bin ich selbstverständlich damit einverstanden, ich komme leider
nicht mit ihr voran.
> und Kommunikation kann natürlich auch nichtverbal sein, egal ob sich
> Tauben oder Menschen nahe kommen.
Und Steine? Wenn Steine sich nahe kommen? Ich mache hier keine Witze,
entschuldige wenn das so erscheint. Bis mir jemand das Gegenteil sagt,
nutze ich die Fiktion, nach der es wirklich zwei Ebenen geben könnte,
die materielle und die informationelle. Das kann ich nicht so genau
sagen, behaupten, aber oft denke ich diese Ebenen nebeneinander,
übereinander. Fiktiv, also im Gedankenexperiment, mit dem eine Person
oft leben kann. Wenn ich nicht zufällig allein an der Sache bin und mit
ihr eins bin wie die Statue des Condillac. Das war ziemlich ungenau,
denn ich gehe benötige die zwei Ebenen nicht mehr für das Immaterielle
habe, weil ich das Geschriebene als materiell denke. Es bleibt das
Denken nicht als Rätsel, sondern eher als etwas Uninteressantes übrig.
Was es tut, ist mir vielleicht egal. Worauf es ankommt, das alles ist
außerhalb. Ist das verständlich? Ich weiß es selbst nicht. Aber eine
Fiktion, das ist ein guter Anfang. Als Ideologie oder Verrücktheit?
Vielleicht benennen diese zwei Wörter nichts Zusätzliches zu
Wörter-Satz-Text-Menge oder -System, in Analogie zur Situation von
mathematisch-linearer Abhängigkeit. Frage: Was ist zuerst: Die
Verrücktheit, und dann die verrückten Sätze oder umgekehrt? Auch das ist
eine ernste Frage und keine Huhn-Ei-Frage mit Antwort: Die kennen wir schon.
Du siehst schließlich auch die mathematische Ebene, wenn Steine im Raum
fliegen, als Planeten, Meteoriten usw.
Analog zu dieser gedachten Ebene Logik-Mathematik-Information
Kommunikation zu denken hat bei mir nicht gefruchtet. Wenn du das
kannst, ok, ich kann es nicht, sondern ich bleibe in dem Fall bei
Gilbert Ryle.
> Die Ebenenstruktur der Umgangssprache gehört zu den Regeln, wie Wörter
> zu gebrauchen sind.
Da kann ich eben wie schon gesagt, nicht mit. Eine Diskussion
anzufangen, wie Regeln mit Strukturen in Verbindung gebracht werden
können geht hier wohl zu weit. Mir macht schon ein semiotisches Dreieck
Schwierigkeiten, um so mehr Strukturen. Schon die "Grundlagen" wackeln mir.
> Ich kann über sinnliches und fühliges Außersprachliches schreiben oder
> nur über Wörter.
Nur das Wort "über" stört mich. Die Fiktion "Wissen" liegt vor dem
Schreiben vor, das "über" erhebt die Person aus der Realität heraus, aus
der Ursachekette, sie tut so, als würde die Person auf einmal "über den
Wassern schweben."
https://de.wikipedia.org/wiki/Gesang_der_Geister_%C3%BCber_den_Wassern
Ich gehe nicht von diesem Gedicht aus, und sehe eine ganz andere
Interpretation, nämlich die genannte Fiktion. Und nach (zeitlich nach)
dieser Fiktion etwas auszusagen beinhaltet einen Zirkel. Mehr
interpretiere ich nicht hinein, ich sehe nur den Zirkel, dh. ich kann
ihn feststellen, denken. Das Ganze bleibt harte komplexe Fiktion.
Deswegen teile ich die Fiktion in mindestens zwei, das müsste hier schon
bekannt sein. Ich lasse die Person sprechen, und den Betrachter, der
sich erlaubt, von oben herab die Person zu beschreiben, damit entstehen
mehrere einfache Fiktionen, so wollte Descartes schon vorgehen, und so
ging Condillac auch vor. Und dann ist das Wort Kommunikation unnütz. (im
Sinne der o.g. Abhängigkeit). Es sind zwei verschiedene Sprachen, nicht
Ebenen: In der einen geht es mit fliegenden Gedanken, in der anderen
geht es um "vestiges" (Spuren) bei den Franzosen, "impressions" bei den
Engländern, die von Empfindungen bewirkt werden. Also zeitlich von den
Empfindungen (immateriell) zu den Spuren, die hinterlassen werden
(materiell). Empfindungen kann aber mit Nervenströmen korrespondieren,
denn ist eine materielle Ebene da. Aber in beiden Fällen ist die
Kausalität nicht weggedacht. Wie denkst du dir die Sache mit dem Denken
und der Kommunikation? Sicher wenn du Wissen zeitlos über dem Geschehen
denkst, dann ist Kausalität fiktiv nicht erforderlich, schlimmer noch:
sie kann nicht mehr gedacht werden, es bedarf des Links, und wie soll
der sein? Dann sind wir wieder beim Okkasionalismus, oder etwa nicht?
Das ist die Frage, der sich die Kommunikationisten zu stellen haben. Das
ist ihnen egal? Na dann!
Gerne würde ich deine Definition von Kommunikation hören, keine
Begriffsbestimmung! Die Definition von Information ist schließlich
bekannt. Bedarf die Definition von Kommunikation der Definition von
Information? Wie ist es mit Sender und Empfänger? Alles weitere
erforderliche Spezifizierungen? In der Technik ok, aber bei der
Verwendung des Wortes Kommunikation wird das Gespräch mir schon
lächerlich, ich müsste ja eine Stelle haben, an der die Übersetzung
gemacht werden würde, wenn ja, hat Sigmund Freud sie nicht
vorgeschlagen, und wenn, dann ganz anders als in der Nachrichtentechnik.
Und Gilbert Ryle hat in dem System nur ein System "Geist in der
Maschine" gedacht. Ich wittere Anthopomorhisierung im allgemeinen Sinne,
oder umgekehrt, von der Technik aus. So wie das Gehirn als
Telefonzentrale mit Hebdrehwählern und 10 mal 10 Stellen und
komischerweise nur einem Finger funktioniert. Haha. Jetzt nur binär, ok.
Aber die Synapsen, die reden auch noch mit.
> Du fragst: „Kommt das Zusammen-sich-Ertragen aus einer realen oder
> fiktiven Instanz Kommunikation heraus?“ Aurel hätte womöglich
> geantwortet: „Die Menschen sind für einander geboren. So lehre oder
> dulde, die's nicht wissen.“
Ok, das ist schön gesagt.
> Es gibt keine „reale oder fiktive Instanz Kommunikation“; denn Wörter
> erzeugen nichts Außersprachliches. Viele geister- oder göttergläubige
> Menschen sehen das so — und wir haben sie zu ertragen oder zu
> belehren. Obwohl Du mir nicht geister- oder göttergläubig scheinst,
> bleiben mir neben dem stoischen Ertragen gelegentlich Versuche zum
> Belehren.
Einverstanden. Sogar Ungläubige können zu Fischpredigern werden.
Vielleicht werden sie dann stumm wie Fische. Zum Glück sind wir es noch
nicht ganz. Zudem wirft Gilbert Ryle die Götter- und Geistergläubigen
mit den Kommunikationisten in einen Topf. Oder irre ich damit? Insgesamt
weist alles zur Bearbeitung des Problems, wie denn ein neues oder altes
Wort allein durch seine Existenz etwas erklären kann. Ich denke hier an
die Wörter, die in der Geschichte nicht mehr erforderlich sind, oder
ganz anders als vorher gebraucht werden, etwa die Temperatur als
Beispiel, dem wirklich etwas gegenüber steht. Zentral war das Wohlgefühl
(100 Grad Fahrenheit), dann ging es auf einmal anders. Als Fiktion ist
sie bei den Berechnungen sehr erforderlich. Und auf atomarer Ebene? Die
Abstandsmaßeinheit: Die Elle, und dann ein Teil der Erde und dann? Ich
zittere dabei, wenn ich Max Planck zitiere. (Ironie gegenüber Waldemar?
- Nein - wahr oder gelogen?). Dann die Wörter: Kellergeister, Äther,
Entelechie, Phlogiston, Gedanken, Obergeister, Götter, Melissengeist,
Vernunft, Spunk, Bewusstsein, Gottesinstanzen, Staat,
Gerechtigkeitsinstanz, usw. Es gibt, zumindest fast kein Ende. Sogar das
Wort Phlogiston und die gedachte Gegenüber brachte das Wissen voran,
aber es unnütz geworden. Also nicht einmal ein "an den Früchten sollt
ihr sie erkennen." hat dem Wort zum Überleben geholfen. So kann es auch
mit dem Wort Kommunikation sein. Diese Frage "Wie hilft ein Wort
allein?" und Umgebung will ich weiter bearbeiten. Für Links bin ich
dankbar. Ich vermute, dass auch RFs Betreff "Die Sprache Kants" in
dieselbe Richtung geht. Denn wo Sprache ist, sind Wörter, Sätze, Texte.
> Werbungsüberladene Services nutze ich nicht und die Filterprofis unter
> den Nachrichtentechnikern und Bildverarbeitern benutzen zumeist
> Matlab; aber Rod Serling’s Patterns sind public domain und hier ohne
> Untertitel klick- und downloadbar:
>
> https://ia801507.us.archive.org/14/items/patterns-1956-restored-movie-720p-…
Danke, ja, ich ärgere mich von morgens bis abends über die Verschmutzer
mit Werbung und Sachen, die ich nicht sehen und hören will. Vielleicht
bin ich noch schlimmer als du. Ärger statt Langeweile.
nur Technik, bitte überlesen:
(Danke auch für den Hinweis auf matlab,
https://de.mathworks.com/help/audio/ug/speech2text.html, ich versuche,
dort weiter zu kommen. Also die im Film vorliegenden Dialoge und auch
andere mündlich gesprochene und aufgenommene Dialoge möchte ich als
Texte vorliegen haben. Mir geht es darum, wie ich ein
open-linux-speech-to-text-Software einsetzen kann, mit Anleitung vom
Film zum geschriebenen Text. Oder aber vom youtube-Portal, wo der Text
schon als Untertitel vorliegt. Wie schon geschrieben, versuche ich mit
dem matlab weiter zu kommen. Ich bräuchte eine Anleitung in Rezept-Form,
also ein Rezept-Wissen, jetzt versuche ich deepspeech.)
> Falls nicht ironisch gemeint, solltest Du Angst nicht dabei haben,
eher darüber lachen können.
Ja! Hoffentlich freut sich Karl über die aktuelle Geschäftigkeit.
Jh
Am 30.10.21 um 10:44 schrieb Rat Frag:
> Am Di., 26. Okt. 2021 um 00:07 Uhr schrieb Joseph Hipp via Philweb
> <philweb(a)lists.philo.at>:
>> Ich habe ganz konkrete Fragen, insbesondere zur Grafik des Textes zum
>> Bereitschaftspotential gestellt. Ich suche noch immer, alles zu
>> verstehen, bin noch nicht weiter gekommen.
> So wie ich es verstanden habe, gibt es diese Potenziale zwar vor der
> eigentlichen Handlung,
Schau dir bitte die Grafik auf Pdf-Seite 10 an, die Eintragung, "Die
Bewegungsabsicht wird bewusst und artikulierbar" gehört nicht oder nicht
mehr dort hin, aus Gründen, die schon in der Arbeit vorkommen, und von
anderen kompetenten Personen angegebenen Gründen, ich rechne mich nicht
dazu. Sonst ist die Grafik korrekt. Der interessierende Potentialverlauf
endet definitionsgemäß bei der Handlung, der nicht interessierende
nachher gibt es auch, das sieht man an der Grafik.
> aber es existiert kein Automatismus vom
> Potenzial zur Handlung.
Wenn du die Arbeit liest, kannst du den Satz so nicht schreiben. Ich
glaube es wird einfacher wenn ich dies mit der Methode Betrachter-Person
schreibe, warum. Die Handlung wird vom Betrachter gesehen bzw.
festgestellt, und er gibt sich als Versuchsleiter viel mehr Mühe als ich
als Laie. Nun stellt er sogar fest, dass es einen Punkt gibt, ab dem es
kein Zurück mehr gibt. Auch diesen versucht der Versuchsleiter genauer
als ich festzustellen. Was ich hier geschrieben habe, ist nur zum
Verständnis. Doch nun komme ich zu einer anderen Betrachtung: Es gibt
zusätzlich zur "real" festgestellten Grafik die "real" festgestellte
Handlung. Diese kann ein "Überbetrachter" parallel sehen: Das eine ist
die Geschehens-Welt, in der lange nichts geschieht, das andere ist die
Welt des Potenzials. Nun bin ich sehr vorsichtig mit den Wörtern. Ich
kann nicht sagen: "Hier ist eine Korrelation", "Hier ist ein
Automatismus", beides wäre für mich zu hoch gegriffen. Aber wenn diese
zwei Welten gegenübergestellt werden, und definitionsgemäß am Ende der
Grafik die Zeit Null geschrieben steht, dann kann ich fragen: Was war
vorher. Die Grafik zeigt auch die korrekten zwei Bereiche, denen
wiederum andere Realitäten entsprechen, nämlich in der zweiten
vermischen sich die BP schon mit den ich sage mal ungenau "motorischen"
Potentialen, und diese können ab einer bestimmten Stelle nicht mehr
gestoppt werden.
Erst wenn du das alles gelernt hast, entschuldige wenn ich das so sage,
dann siehst du, wie viel diese Grafik doch zu denken gibt. Hast du
hierzu die Spalte meiner Bemerkungen angeschaut?
> Das scheint mir ein entscheidender Punkt zu
> sein.
Ich würde vereinfachen, wenn ich dem zustimmen würde, es ist nämlich
doch ziemlich komplexer.
> Libet beweist den Determinismus daher nicht.
Er wollte die "Willensfreiheit" bestätigt sehen, er fand eben ein Haar
in der Suppe, das Haar war nicht genau "der Determinismus", Libet
handelte ergebnisoffen und damit korrekt. Es ist schade, dass er seinen
Fund nicht zu Lebzeiten korrigieren konnte. Er war ja zu dem Zeitpunkt
der Veröffentlichung schon etwa so alt wie ich jetzt. Aber immer wenn
auf dieselbe Weise wie Libet vorgegangen wird, wird dieses Haar erneut
gefunden, wie in der Arbeit gezeigt, das vermute ich, ich muss da selbst
noch bis ans Ende lesen, es ist jedoch bei mir jetzt nicht die
Priorität. Hier kannst du sehen, wie Libet dachte:
https://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Libet
"Libet selbst war ein Verfechter des freien Willens, dem er jedoch nur
eine Vetofunktion zubilligte. Darunter verstand er die Möglichkeit,
aufgrund moralischer Erwägungen unbewusst aufkommende Handlungsimpulse
zu unterdrücken. Er plädierte zudem für den Indeterminismus, den er als
Voraussetzung des freien Willens betrachtete.
Einzelne Stimmen meinen, dass Libets Experimente den freien Willen als
Illusion entlarvten und Libet es nur nicht wage, die volle Konsequenz
seiner Ergebnisse zu akzeptieren."
Ein Blick auf die Geschichte zeigt, dass es nicht "einzelne" Stimmen
waren, sondern die meisten. Und diese vielen Stimmen haben nicht
gemerkt, dass die Anwendung einer egal wie gearteten Sprache, in der ein
Wille als Ursache angesehen werden kann, nicht passt. Siehe hierzu Kant,
der auch daran scheiterte, eine klare Linie herzustellen:
"Der Wille ist eine Art von Kausalität lebender Wesen, so fern sie
vernünftig sind, und Freiheit würde diejenige Eigenschaft dieser
Kausalität sein, da sie unabhängig von fremden sie bestimmenden Ursachen
wirkend sein kann: so wie Naturnotwendigkeit die Eigenschaft der
Kausalität aller vernunftlosen Wesen, durch den Einfluss fremder
Ursachen zur Tätigkeit bestimmt zu werden."
aus https://www.projekt-gutenberg.org/kant/sitte/chap004.html
> Ich zitiere hier mal einen Blogeintrag:
> "Der Haken an der Sache: Das Bereitschaftspotenzial trat auch dann
> auf, wenn die Versuchspersonen nicht reagierten. Es konnte also gar
> nicht die Ursache des Verhaltens sein."
Das Wort "Ursache" gehört zu der Reihe der oben genannten Wörtern
(Korrelation, Automatismus), das ich auch nicht verwenden würde, an
dieser Stelle.
> https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/von-der-theoretischen-zur-prakt…
>
> Das Problem mit der empirischen Erforschung der Willensfreiheit zeigt
> sich an einer völlig anderen Stelle: Es nährt sich unser Verdacht,
> dass die Entscheidungen bereits getroffen sind, bevor sie nachträglich
> rationalisiert werden. Das macht uns Angst.
An diesem Absatz sind mir zu viele ungenaue Stellen, dass ich nichts
dazu schreibe.
Andererseits kann ich mit bestem "Willen" Wörter wie "Wille" nicht
annehmen. Dieser Satz hat die Form: "Ich glaube nicht an Gott, Gott sei
dank!" Wer vertritt denn noch die Vermögenspsychologie heute? Das
geschieht nur sporadisch, wenn es den Sprechenden gerade in den Kram
passt. Bei dem Problem setze ich an, und an der allgemeinen
Anthropomorpisierung, genauer an der Einbringung von Wörtern in
"artfremde" Bereiche.
Joseph Hipp
Über Raumzeit nachzudenken war Waldemars kürzlich hier eingebrachter
Vorschlag, was im gewissen Widerspruch zu seiner zuletzt vorgebrachten
Ansicht steht, der Mensch könne (wohl im Sinne Du Bois-Reymonds
„Ignoramus et ignorabimus“) grundsätzlich nichts über die Hintergründe
seines Lebensumfeldes ergründen.
Was nun Raumzeit und damit auch das Wesen der Zeit anbelangt, möchte ich
tatsächlich analog zu R. Feynmans Statement „I think it is save to say
that nobody understands quantum mechanics“ feststellen: Kein forschender
Mensch kann derzeit eine geschlossene, allgemeingültig konsensfähige
Theorie über das uns umgebende Universum und damit über das Wesen der
Raumzeit und insbesondere den Zeitbegriff vorlegen.
Was nicht ist, kann/soll noch werden. So hat mich mein Vorhaben, hier in
philweb etwas über den Begriff der Zeit zu schreiben - weit über diese
Begrifflichkeit hinaus - wieder einmal in die „Untiefen“ der Astrophysik
bzw. Kosmologie geworfen. Dieser „Sturz“ hatte etliche Blessuren zur
Folge; Verletzungen resp. Kränkungen, wie man das für die Menschheit
benennt, wenn deren althergebrachte Weltsichten durch neue, gesicherte
Erkenntnisse zerrüttet werden. Für mich beispielsweise das endgültige
Zerbrechen einer klassisch hergebrachten Urknalltheorie als ein
singulärer, einmaliger Ursprungsprozess von unvorstellbar gigantischem
Ausmaß. Intuitiv habe ich zu keiner Zeit daran geglaubt, diese
Vorstellung jedoch lange mitgeschleppt, da mir alle dieser Theorie
entgegenstehenden Denkansätze entweder nicht hinreichend eingängig oder
schlichtweg abwegig erschienen. Und auch aktuell bleibt mir (wie bereits
erwähnt) nichts als die Feststellung, dass es eine kaum noch
unübersehbare Fülle an Erklärungsversuchen, konkurrierenden Theorien zum
Verständnis des unseren Lebensraum bergenden Universums gibt.
Sollte man deshalb nun in Waldemars resignierende Attitüde einstimmen
(„...all unser auch bestes, höchstes "wissen" höchst "lässlicher"
dilettantismus) damit aufhören, Gedanken über „Gott und die Welt“ -
genauer also - über Herkunft, Dauer, Sinn und Zweck irdischen Lebens und
des uns tragenden Kosmos anzustellen? War alles diesbezügliche Denken,
Forschen der Menschheit vergebens?
Mitnichten! Man stelle sich vor, Menschen müssten heute noch angesichts
von Blitz und Donner den diesem Phänomen zugeordneten Göttern opfern.
Dieses Beispiel sollte reichen, um den Zuwachs an Wissen resp.
Erkenntnis als außerordentlichen Gewinn für die Menschheitsentwicklung
zu erkennen, der durch ständiges Hinterfragen, Messen, Rechnen,
Interpolieren und selbstredend auch durch konstruktives Mutmaßen erzielt
wird.
Ein Meister in Letzerem war für meine Begriffe Leó Szilárd. Mutmaßen
beziehe ich diesbezüglich auf seine (nahezu prophetische) Weitsicht. Vor
allem beeindruckt mich sein interdisziplinärer Denkansatz, bei dem er
Gehirnfunktionen intelligenter Wesen mit den Begriffen von Entropie und
damit Information assoziiert.
Ich bin wieder auf Szilárd im Zusammenhang des hier diskutierten Themas
zu möglichen Zeitreisen gestoßen. Dabei an Maxwells Dämon denkend,
kommt Szilárds hoch interessante Arbeit „Entropieverminderung in einem
thermodynamischen System bei Eingriffen intelligenter Wesen“ ins Spiel
(diese ist im Internet als Faximile verfügbar).
Es trifft nur in Teilen zu, was Waldemar konstatiert: „wir "sehen" zwar,
was wir sehen, aber nur insoweit und in der form, als es rein
überlebenstechnisch wichtig ist, und das passt nahtlos zusammen damit,
dass die evolutionären mechanismen gar keine möglichkeiten bieten, ein
lebewesen darüber hinaus entwickeln zu können“.
Denn daraus lässt sich keinesfalls ableiten, dass Menschen in ihrem
Denken und Handeln wegen biologisch angelegter Determiniertheit
grundsätzlich nicht aus dieser „Vorgeformtheit“ ausbrechen können und
sich somit den absonderlichen Thesen des radikalen Konstruktivismus zu
ergeben hätten. Würde diese Ansicht zutreffen, gäbe es keinerlei
Fortschritt in der Menschheitsentwicklung zu verzeichnen.
Es geht für den Menschen i.a. nicht nur um Überleben, sondern um
sinnvolles Leben schlechthin und dessen Erforschen mit allen zur
Verfügung stehenden Mitteln. Allein die Erkenntnisse der medizinischen
Forschung zeigen schon den gewaltigen Fortschritt zum Verständnis von
Körperlichkeit und Psyche des Menschen.
Selbstredend allerdings scheint der Weg zu Wissens- und Erkenntnisgewinn
- gleichermaßen subjektiv wie kollektiv - schier endlos zu sein; zudem
fraglos mit beliebigen Hindernissen verstellt, die es immer wieder aufs
Neue zu überwinden gilt. Doch es ist zweifelsfrei - ungeachtet des „cui
bono“ - ein lohnendes Unterfangen.
Dabei ist offensichtlich (nahezu) jeder Beitrag von denkenden Menschen
bedeutsam, denn schließlich wird nach den Prinzipien von Okkham
(Rasiermesser) und Popper (Falsifikation) das jeweils wirklich
Zutreffende zutage treten.
In diesem Sinne soll‘s hier weitergehen, wenngleich die grauenvollen
Ereignisse dieser Zeit kaum dazu anregen, diese Welt als
verheißungsvollen Lebensraum zu erforschen resp. zu beschreiben.
Beste Grüße! - Karl
PS: Derzeit bin ich immer wieder in Gebieten mit unzureichender
Internetverbindung, was Antworten hier bisweilen verzögert.
wh: „woher deine, karl, abneigung dagegen, wäre vermutlich sehr
interessant zu wissen, auch für Dich selbst !
Diese Frage lässt mich immer noch nachdenklich zurück und das längst
nicht nur bezüglich meiner Abneigung gegen Mach resp. einigen Vertretern
des „Wiener Kreises“.
Ich denke, es ist weniger eine Abneigung, als vielmehr ein nicht
hinreichend durchdachter oder zumeist schlichtweg mental verdrängter
Bereich, wie dieser sich mit dem Gesamtkomplex des „Leib-Seele-Problems“
darstellt. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei die
Sozialisation, insbes. wie diese sich unweigerlich und sehr spezifisch
als grundlegende Beeinflussung ergeben hat.
Wir haben hier oft von der Bedeutung und Notwendigkeit geschrieben, sich
beizeiten von derartiger Sozialisation, insbes. von (überkommen)
metaphorisch angelegten Erklärungsmustern zu lösen und durch eigenes
(Nach-)Denken eben dann ein genuin selbst erworbenes Weltbild resp.
Erfahrungspotential aufzubauen.
Dennoch wäre es wohl vermessen anzunehmen, ab einer gewissen Zeitspanne
des Lebens im Besitz eines umfassend zutreffenden – zudem objektiv
gültigen – Weltbilds zu sein. Daher spricht man wohl vom „Weg der
Erkenntnis“ und all jene, die sich wirklich auf diesem befinden, werden
spüren, dass dieser Weg kein Ziel haben kann, sondern dieser Weg - wie
als Sprichwort weit verbreitet - selbst das Ziel ist .
Zurück zu Ernst Mach. Wie kamen wir überhaupt auf ihn?!
Womöglich in Folge meiner kritischen Bemerkung bzgl. Julian Barbours
Buch „The End of Time“. Mein Unbehagen diesem Titel gegenüber und damit
insbes. der damit verbundenen Aussage (die – oberflächlich gesehen -
einer Leugnung des Phänomens der Zeit, wie ebenso jener Carlo Rovellis
„Time does not exist“ gleichkommt) bezieht sich aber keinesfalls auf die
(mir höchst sympathischen) Autoren selbst; zumal beide nicht das Faktum
der Zeit ablehnen, sondern diese in jeweiligen Bezug zur Mikro- und
Makrowelt setzten. Darüber hatten wir schon geschrieben und es ist
sicher lohnenswert, dieses Thema nochmal hier aufzugreifen.
Kritisch gegenüber einer Theorie oder These zu sein, muss also nicht
heißen, dieses auch gegenüber deren Urheber oder Vertreter zu sein, denn
meist zeigt sich bei näherer Beschäftigung (über gewisse Aussagen
hinweg) ein wesentlich weiter gesteckter weltanschaulicher Rahmen, in
dessen Kontext man sich gedanklich wieder einzubringen vermag.
Da trifft definitiv zu auf mein (gespaltenes) Verhältnis zu Mach. Viele
seiner Ideen, Ausarbeitungen (natürlich die auf Mechanik bezogenen), die
sich auf gesellschaftliche Fragen (insbes. Religion) oder besonders auch
auf Philosophie beziehen, sind mir zugänglich. Auch seine Forderung zu
gedanklicher Ökonomie erscheint mir höchst angebracht, ganz im Gegensatz
jedoch zu dem von ihm postulierten Reduktionismus, dem ich grundsätzlich
zutiefst abgeneigt bin. Eher noch akzeptabel wären für mich manche
philosophische Aspekte dieser Auffassung, keinesfalls jedoch
naturwissenschaftliche.
Natürlich kann ich mich (systemisch) als ein Konglomerat aus ca. 6×10^2
^8 UP-Quarks und nahezu der gleichenAnzahl Down-Quarks sehen, was
durchaus Machs „Elementen“ entsprechen würde. Doch das macht mich
(ganzheitlich) nicht als Mensch aus!
Wir hatten hier schon einiges über Emergenz geschrieben (die Du,
Waldemar, vehement ablehnst). Obgleich es einer reduktionistischen
Sichtweise entgegenstehen mag, sollte doch nicht zu leugnen sein, dass
ein Glas Wasser zu trinken, ein durchaus „ganzheitliches“ Empfinden von
Emergenz ist, unbenommen des Wissens um die molekulare Struktur von Wasser.
Wenn ich hier wieder Emergenz in‘s Spiel bringe, tue ich dies
keinesfalls im metaphorischen sondern eindeutig im biochemischen Sinne:
ein einziges Wassermolekül ist nicht „flüssig“ , sehr wohl ein Verbund
von ca. 10^2 ^0 Molekülen, die einen Tropfen Wasser bilden. Die
Begrifflichkeit von Emergenz bezieht sich demnach auf Analogien zwischen
verschiedenen Klassen betrachteter Systeme.
Als emergent wahrgenommene Systeme lassen sich „technisch-prozessual“
nicht auf ihre Teile reduzieren, da die hierzu erforderlichen
Randparameter unverfügbar sind. Hieraus ergibt sich das Problem des
Reduktionismus bei der technisch-systemischen Reduktion aus der Makro-
in die Mikroebene.
Analog hierzu gestalten sich Versuche, die kausale Wirkung mentaler
Zustände auf materielle Vorgänge zu reduzieren.
Auf mein Wasser-Beispiel zurückkommend würde demnach die Empfindung (als
mentaler Zustand) als Sinnesempfindung zu werten sein, die nach
Mach‘scher Annahme einer „naiv-realistischen“ Wahrnehmung (also etwas zu
schmecken) entsprechen würde und damit letztlich nichts anderes ist, als
als ein gedanklich assoziierter Empfindungskomplex, quasi ein
gegenständlich aufscheinendes „Gedankensymbol“.
Natürlich kann man so argumentieren und dieses auch jeder für sich
annehmen. Konsensfähig im umfassend wissenschaftlichen Kontext ist diese
Annahme definitiv nicht!
Daher neige ich weitaus mehr einem antireduktionistischem Konzept zu,
das mir bereits vor Jahrzehnten in David Bohms Buch “Die implizite
Ordnung – Grundlagen eines dynamischen Holismus“ plausibel erschien.
Man muss keinesfalls in einen (schon gar nicht metaphysischen) Holismus
verfallen, sondern könnte letzteren vielmehr als systemtheoretisch zu
wertende Ganzheit resp. Einheit bezüglich der Wechselwirkung zwischen
deren Teilen betrachten. Ich stimme E. Mach natürlich zu, wenn er sich
dagegen ausspricht, diese ganzheitliche Empfindung in „metaphysischem
Sinne“ zu beschreiben, zudem er betont, dass durch die Abstraktion auf
die „Elemente“ eines Ganzen (in diesem Beispiel die Wassermoleküle)
nicht deren Bedeutung verloren geht.
Systemrelevant dabei sind m.E. nicht die mikroskopischen Teile eines
beliebig makroskopischen Ensemble an sich, sondern informationstragende
Teile (per Spinausrichtung), die als strukturbildende Elemente ein
Ganzes darstellen und dieses als selbstorganisierendes System prozessual
selbstreferent korrigieren und erweitern.
Die Information also bildet die eigentlich strukturbildenden Elemente
aus: In-Form-bringen. „It‘s from bit“, das ist J. Wheelers bleibendes
Vermächtnis.
Mein Unbehagen bezieht sich demnach vornehmlich nicht auf die Person E.
Mach sowie großen Teilen seines Werks, sondern auf gewisse Aussagen und
Festlegungen, die sich darüber hinaus im Nachgang - auch durch
unzulängliche bzw. ideologisch bedingte Auslegungen seiner Thesen -
entwickelt haben.
Ausgehend vom psychophysischen Parallelismus, der sich als Fechners
These zum Leib-Seele-Problem etabliert hatte und sich in der Folge über
Riehls „Seelenlehre“zur Identitätstheorie (M. Schlick) entwickelt hat,
erklärt sich meine ablehnende Haltung gegenüber letzterer durch deren
absolut reduktionistischenDuktus.
Selbstredend kann man (nach heutigen Kenntnissen der Neurologie) mentale
Prozesse auf die Physis der Gehirnstrukturen insoweit zurückführen, als
letztere unabdingbare Voraussetzung der neuronalen
Informationsverarbeitung sind (ähnlich wie die Computer-Hardware die
Verarbeitung von programmierter Software voraussetzt).
Um bei diesem Beispiel zu bleiben, sind jedoch Hard- und Software eines
Computers selbsterklärend nicht als identisch gleichzusetzen, sondern
beide „Substanzen“ stehen in einer prozessual - funktionellen Beziehung
zueinander. Die Software ist eine substratunabhängigeGröße und steht
damit definitiv nicht in einer systemischen Beziehung zur Hardware eines
dedizierten Computers, sie wird (sollte) allerdings auf anderen Rechnern
der gleichen Hardwareplattform ebensofunktionieren.
Mit diesem praktischen Beispiel aus meiner Berufswelt möchte ich erst
mal wieder schließen, nicht jedoch ohne mein eigentliches Ansinnen
hinsichtlich der Wertung mentaler Prozesse noch einmal zu verdeutlichen:
Mentale Prozesse als "Psychologisierung" des Geistes zu betreiben, kann
m.E. nicht zu einem tieferen Verständnis hinsichtlich des
Leib-Seele-Problems führen. Doch vermutlich wird noch ein gutes Stück
des oben beschriebenen Wegs der Erkenntnis zu gehen sein, bis man
erkennt, dass Geist keine subjektiv-mentale Instanz, sondern ein
allumfassendes Ordnungsprinzip ist. Das gibt zu denken!
Soweit zu Mach, Gott und die Welt und für den Augenblick!
Mit bestem Gruß! - Karl
PS: Vermutlich werde ich in den kommenden Tagen kaum Gelegenheit haben,
hier zu schreiben bzw. zu antworten. Trotzdem würde ich mich freuen,
wieder mal von Euch hier zu lesen.
Für die bisher schon erfolgten Rückmeldungen hier in philweb möchte ich
mich sehr bedanken! Damit ist gezeigt, dass der Listserver funktioniert
und wir wieder nach "Lust und Laune" hier unsere Gedanken, Erfahrungen
und Meinungen austauschen können.
Ein großes Danke auch der Uni-Wien, genauer deren phil. Fakultät, Prof.
Herbert Hrachovec (hh) sowie Herrn Kroeger, der jüngst eine Revision der
Maillisten durchgeführt hat und uns darüber hinaus mit seiner
administrativen Unterstützung vor Ort den EDV-technischen Betrieb dieser
Liste ermöglicht.
Sicher lohnt sich ein Blick auf die neu eingerichtete Website:
https://lists.philo.at/hyperkitty/list/philweb@lists.philo.at/, um sich
mit dem veränderten Erscheinungsbild vertraut zu machen.
Beste Grüße in die Runde! - Karl
Es gab einen kurzen „Aussetzer“ des philweb-Listservers, der womöglich zu verzögerter Verteilung und ggf. zu Mehrfachaussendung von Mails hier geführt hat. Das Problem wurde sogleich freundlicherweise von Herrn Kroeger (univie) behoben.
Beste Grüße! - Karl
transmitted from iPad-Client
Die Gegenüberstellung „Physis versus Psyche“ lässt sogleich an den
klassischen Dualismus im Sinne Descartes denken und darüber hinaus
selbstredend an die nach wie vor schwelenden Auseinandersetzungen
hinsichtlich des Leib-Seele-Problems.
Handelt es sich dabei um die versuchte Lösung eines Grundsatz- oder
Scheinproblems?
Womöglich könnte zur Klärung dieser Frage die im Wissenschaftsbereich
eingeführte Begrifflichkeit von „Psychophysik“ beitragen. Jedenfalls
gälte es, die Empfindung von Dualität aufzuheben, die durch die
subjektiv vom „Alltagsverstand“ (Hausverstand) getrennt erfassten
Bereiche des Seins verursacht wird, nämlich die unabweisbare
individuelle Bewusstwerdung der eigenen Körperlichkeit als Physis und
die der mentalen Konstitution als Psyche.
Dieses unzweifelhaft bestehende „funktionelle Verhältnis zwischen Körper
und Seele“ als eine Art „mathematisches Funktionsverhältnis“ zweier
Veränderlichen einer Gleichung anzusehen, entspricht der Einführung
einer quasi „mathematischen Metaphorik“, wie Fechner diese vornahm.
Fraglich bleibt dabei, ob die damit erfolgte Positionierung des
psychophysischen Parallelismus gegenüber Dualismus und Materialismus als
konsensfähige Erklärung der benannten Problematik (sei sie denn
fundamental oder scheinbar) hinreichend ist.
Von Fechner zu Ernst Mach ist diesbezüglich nur ein kleiner Schritt,
insoweit letzterer Fechners grundsätzliche Arbeit des (unter einem
Doppelaspekt angelegten) psychophysischen Parallelismus explizit für den
Bereich der „Leib-Seele-Theorie“ erweiterte und diese als „neutralen
Monismus“ in die Wissenschaftsphilosophie einführte. Wo Fechner das
„Physische“ ebenso beseelt (womöglich in Anlehnung an Spinoza, Goethe)
und damit gewissermaßen auch als psychisch annahm, gibt es bei Mach nur
ein neutrales „Eines“, also weder explizit physische oder psychische
Entitäten. Jeweilige Wirklichkeit setzt sich bei ihm aus Elementen einer
einzigen zusammenhängenden Masse zusammen.
Wen mag es wundern, wenn sich aus derartig fundamentalen Aussagen nicht
unzählige Interpretationen, Thesen und Hypothesen und nicht zuletzt
ideologische Vereinnahmungen ableiten.
Letztere sind es, die mich im Zusammenhang mit Ernst Mach irritieren,
wie ich das zuletzt hier auf die Frage nach meiner ablehnenden Haltung
ihm gegenüber schrieb:
/wh: „woher deine, karl, abneigung dagegen, wäre vermutlich sehr
interessant zu wissen, auch für Dich selbst!“/
/kj: Auch für mich selbst - das trifft den Kern und zeigt, wie genau wir
uns hier mittlerweile kennen. Mach‘sche Mechanik, schrieb ich, ist
natürlich ein großes Werk, wer wollte das bestreiten. Vermutlich ist gar
nicht Mach selbst, sondern seine Jünger, die mich bisweilen heftigst
irritieren. War und ist’s nicht so mit diesem Christus? Haben nicht
seine Jünger und sonstige „Stellvertreter“ das eigentliche Werk
(Bergpredigt) in ihrem Sinne (um)interpretiert? Zweifelsfrei geht dieser
Vergleich zu weit, entspringt nur meiner subjektiven Einstellung (sollte
es eher als diffuses Ressentiment benennen). So gelobe ich, Deinem Rat
zu folgen und mich etwas wohlwollender meinen diesbezüglichen
Bücherressourcen zuwenden./
Und tatsächlich habe ich es so unternommen. Auf die (natürlich zu
erwartende) Einlassung Waldemars bzgl. Jesus, dem Christus, möchte ich
bewusst nicht eingehen; vielmehr nun auf Mach. Dieses im Kontext meiner
Hinwendung zum Themenkomplex des psychophysischen Parallelismus und
hoffentlich ohne festgefahrenes Ressentiment ihm gegenüber, vor allem
aber in Erwartung von Beiträgen hier, die in Summe ein Stück weiter zum
Verständnis der geschilderten Zusammenhänge führen können.
Soweit für den Augenblick.
Mit besten Grüßen! - Karl
wh: „woher deine, karl, abneigung dagegen, wäre vermutlich sehr
interessant zu wissen, auch für Dich selbst !
Diese Frage lässt mich immer noch nachdenklich zurück und das längst
nicht nur bezüglich meiner Abneigung gegen Mach resp. einigen Vertretern
des „Wiener Kreises“.
Ich denke, es ist weniger eine Abneigung, als vielmehr ein nicht
hinreichend durchdachter oder zumeist schlichtweg mental verdrängter
Bereich, wie dieser sich mit dem Gesamtkomplex des „Leib-Seele-Problems“
darstellt. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei die
Sozialisation, insbes. wie diese sich unweigerlich und sehr spezifisch
als grundlegende Beeinflussung ergeben hat.
Wir haben hier oft von der Bedeutung und Notwendigkeit geschrieben, sich
beizeiten von derartiger Sozialisation, insbes. von (überkommen)
metaphorisch angelegten Erklärungsmustern zu lösen und durch eigenes
(Nach-)Denken eben dann ein genuin selbst erworbenes Weltbild resp.
Erfahrungspotential aufzubauen.
Dennoch wäre es wohl vermessen anzunehmen, ab einer gewissen Zeitspanne
des Lebens im Besitz eines umfassend zutreffenden – zudem objektiv
gültigen – Weltbilds zu sein. Daher spricht man wohl vom „Weg der
Erkenntnis“ und all jene, die sich wirklich auf diesem befinden, werden
spüren, dass dieser Weg kein Ziel haben kann, sondern dieser Weg - wie
als Sprichwort weit verbreitet - selbst das Ziel ist .
Zurück zu Ernst Mach. Wie kamen wir überhaupt auf ihn?!
Womöglich in Folge meiner kritischen Bemerkung bzgl. Julian Barbours
Buch „The End of Time“. Mein Unbehagen diesem Titel gegenüber und damit
insbes. der damit verbundenen Aussage (die – oberflächlich gesehen -
einer Leugnung des Phänomens der Zeit, wie ebenso jener Carlo Rovellis
„Time does not exist“ gleichkommt) bezieht sich aber keinesfalls auf die
(mir höchst sympathischen) Autoren selbst; zumal beide nicht das Faktum
der Zeit ablehnen, sondern diese in jeweiligen Bezug zur Mikro- und
Makrowelt setzten. Darüber hatten wir schon geschrieben und es ist
sicher lohnenswert, dieses Thema nochmal hier aufzugreifen.
Kritisch gegenüber einer Theorie oder These zu sein, muss also nicht
heißen, dieses auch gegenüber deren Urheber oder Vertreter zu sein, denn
meist zeigt sich bei näherer Beschäftigung (über gewisse Aussagen
hinweg) ein wesentlich weiter gesteckter weltanschaulicher Rahmen, in
dessen Kontext man sich gedanklich wieder einzubringen vermag.
Da trifft definitiv zu auf mein (gespaltenes) Verhältnis zu Mach. Viele
seiner Ideen, Ausarbeitungen (natürlich die auf Mechanik bezogenen), die
sich auf gesellschaftliche Fragen (insbes. Religion) oder besonders auch
auf Philosophie beziehen, sind mir zugänglich. Auch seine Forderung zu
gedanklicher Ökonomie erscheint mir höchst angebracht, ganz im Gegensatz
jedoch zu dem von ihm postulierten Reduktionismus, dem ich grundsätzlich
zutiefst abgeneigt bin. Eher noch akzeptabel wären für mich manche
philosophische Aspekte dieser Auffassung, keinesfalls jedoch
naturwissenschaftliche.
Natürlich kann ich mich (systemisch) als ein Konglomerat aus ca. 6×10^2
^8 UP-Quarks und nahezu der gleichenAnzahl Down-Quarks sehen, was
durchaus Machs „Elementen“ entsprechen würde. Doch das macht mich
(ganzheitlich) nicht als Mensch aus!
Wir hatten hier schon einiges über Emergenz geschrieben (die Du,
Waldemar, vehement ablehnst). Obgleich es einer reduktionistischen
Sichtweise entgegenstehen mag, sollte doch nicht zu leugnen sein, dass
ein Glas Wasser zu trinken, ein durchaus „ganzheitliches“ Empfinden von
Emergenz ist, unbenommen des Wissens um die molekulare Struktur von Wasser.
Wenn ich hier wieder Emergenz in‘s Spiel bringe, tue ich dies
keinesfalls im metaphorischen sondern eindeutig im biochemischen Sinne:
ein einziges Wassermolekül ist nicht „flüssig“ , sehr wohl ein Verbund
von ca. 10^2 ^0 Molekülen, die einen Tropfen Wasser bilden. Die
Begrifflichkeit von Emergenz bezieht sich demnach auf Analogien zwischen
verschiedenen Klassen betrachteter Systeme.
Als emergent wahrgenommene Systeme lassen sich „technisch-prozessual“
nicht auf ihre Teile reduzieren, da die hierzu erforderlichen
Randparameter unverfügbar sind. Hieraus ergibt sich das Problem des
Reduktionismus bei der technisch-systemischen Reduktion aus der Makro-
in die Mikroebene.
Analog hierzu gestalten sich Versuche, die kausale Wirkung mentaler
Zustände auf materielle Vorgänge zu reduzieren.
Auf mein Wasser-Beispiel zurückkommend würde demnach die Empfindung (als
mentaler Zustand) als Sinnesempfindung zu werten sein, die nach
Mach‘scher Annahme einer „naiv-realistischen“ Wahrnehmung (also etwas zu
schmecken) entsprechen würde und damit letztlich nichts anderes ist, als
als ein gedanklich assoziierter Empfindungskomplex, quasi ein
gegenständlich aufscheinendes „Gedankensymbol“.
Natürlich kann man so argumentieren und dieses auch jeder für sich
annehmen. Konsensfähig im umfassend wissenschaftlichen Kontext ist diese
Annahme definitiv nicht!
Daher neige ich weitaus mehr einem antireduktionistischem Konzept zu,
das mir bereits vor Jahrzehnten in David Bohms Buch “Die implizite
Ordnung – Grundlagen eines dynamischen Holismus“ plausibel erschien.
Man muss keinesfalls in einen (schon gar nicht metaphysischen) Holismus
verfallen, sondern könnte letzteren vielmehr als systemtheoretisch zu
wertende Ganzheit resp. Einheit bezüglich der Wechselwirkung zwischen
deren Teilen betrachten. Ich stimme E. Mach natürlich zu, wenn er sich
dagegen ausspricht, diese ganzheitliche Empfindung in „metaphysischem
Sinne“ zu beschreiben, zudem er betont, dass durch die Abstraktion auf
die „Elemente“ eines Ganzen (in diesem Beispiel die Wassermoleküle)
nicht deren Bedeutung verloren geht.
Systemrelevant dabei sind m.E. nicht die mikroskopischen Teile eines
beliebig makroskopischen Ensemble an sich, sondern informationstragende
Teile (per Spinausrichtung), die als strukturbildende Elemente ein
Ganzes darstellen und dieses als selbstorganisierendes System prozessual
selbstreferent korrigieren und erweitern.
Die Information also bildet die eigentlich strukturbildenden Elemente
aus: In-Form-bringen. „It‘s from bit“, das ist J. Wheelers bleibendes
Vermächtnis.
Mein Unbehagen bezieht sich demnach vornehmlich nicht auf die Person E.
Mach sowie großen Teilen seines Werks, sondern auf gewisse Aussagen und
Festlegungen, die sich darüber hinaus im Nachgang - auch durch
unzulängliche bzw. ideologisch bedingte Auslegungen seiner Thesen -
entwickelt haben.
Ausgehend vom psychophysischen Parallelismus, der sich als Fechners
These zum Leib-Seele-Problem etabliert hatte und sich in der Folge über
Riehls „Seelenlehre“zur Identitätstheorie (M. Schlick) entwickelt hat,
erklärt sich meine ablehnende Haltung gegenüber letzterer durch deren
absolut reduktionistischenDuktus.
Selbstredend kann man (nach heutigen Kenntnissen der Neurologie) mentale
Prozesse auf die Physis der Gehirnstrukturen insoweit zurückführen, als
letztere unabdingbare Voraussetzung der neuronalen
Informationsverarbeitung sind (ähnlich wie die Computer-Hardware die
Verarbeitung von programmierter Software voraussetzt).
Um bei diesem Beispiel zu bleiben, sind jedoch Hard- und Software eines
Computers selbsterklärend nicht als identisch gleichzusetzen, sondern
beide „Substanzen“ stehen in einer prozessual - funktionellen Beziehung
zueinander. Die Software ist eine substratunabhängigeGröße und steht
damit definitiv nicht in einer systemischen Beziehung zur Hardware eines
dedizierten Computers, sie wird (sollte) allerdings auf anderen Rechnern
der gleichen Hardwareplattform ebensofunktionieren.
Mit diesem praktischen Beispiel aus meiner Berufswelt möchte ich erst
mal wieder schließen, nicht jedoch ohne mein eigentliches Ansinnen
hinsichtlich der Wertung mentaler Prozesse noch einmal zu verdeutlichen:
Mentale Prozesse als "Psychologisierung" des Geistes zu betreiben, kann
m.E. nicht zu einem tieferen Verständnis hinsichtlich des
Leib-Seele-Problems führen. Doch vermutlich wird noch ein gutes Stück
des oben beschriebenen Wegs der Erkenntnis zu gehen sein, bis man
erkennt, dass Geist keine subjektiv-mentale Instanz, sondern ein
allumfassendes Ordnungsprinzip ist. Das gibt zu denken!
Soweit zu Mach, Gott und die Welt und für den Augenblick!
Mit bestem Gruß! - Karl
PS: Vermutlich werde ich in den kommenden Tagen kaum Gelegenheit haben,
hier zu schreiben bzw. zu antworten. Trotzdem würde ich mich freuen,
wieder mal von Euch hier zu lesen.
Peter Simons
‘Metaphysicians from A to W And How to Improve on Them’
Wednesday, May 25 at 18:30 (CET)
The MAP (Master in Philosophy) at USI (Università della Svizzera Italiana, Lugano) is pleased to announce the last talk of the Lugano Philosophy Colloquia of Spring 2022, ‘Metaphysicians from A to W And How to Improve on Them’.
The guest speaker is:
Peter Simons (TCD and USI)
The talk is chaired by:
Barry Smith (Buffalo and USI)
Date:
Wednesday, May 25 at 18:30 (CET)
Location:
The talk will be run via a hybrid format: on campus at Auditorium, USI, Main Building and on Zoom. It will also be streamed on USI Master in Philosophy Facebook page<http://www.facebook.com/usimap>.
To participate:
Please write an email to amm.map(a)usi.ch<mailto:amm.map@usi.ch> or send a message to our Facebook page (www.facebook.com/usimap<http://www.facebook.com/usimap>).
The Abstract of the Talk:
Three of the greatest metaphysicians of the twentieth century, all born before 1900, wrote in English. One was Australian, one English, and one American. They are, in chronological order, Samuel Alexander, Alfred North Whitehead and Donald Cary Williams. Empirical realists all, each espoused a systematic account of the universe in which metaphysics stood at the centre. The lessons we can take from them are varied: from Alexander we have spacetime, mind-brain identity, and emergence; from Whitehead we have mereology and the primacy of dynamic process; from Williams we have tropes and the reasonableness of induction. They all agreed on the central importance of categories, though their treatments differ considerably. They influenced other fine metaphysical thinkers: Anderson, Armstrong and Lewis, to name just the most prominent. But each makes metaphysical choices that are questionable, so the question arises whether we can do better, taking the best from each and welding it together into a system that avoids the pitfalls. Building on both their strengths and their weaknesses, this talk outlines how that can be done.
The talk is part of the Lugano Philosophy Colloquia - a series of events organized by:
- Master in Philosophy at USI
- Ratio – Philosophical Association
- Istituto di Studi Filosofici, Lugano
If you want to stay updated on our incoming philosophical events, please check our page https://www.usi.ch/en/feeds/17840 and subscribe to our mailing list<https://lists.usi.ch/mailman3/postorius/lists/philosophy.lugano.lists.usi.c…>. For any question, please write to amm.map(a)usi.ch<mailto:amm.map@usi.ch>
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Thank you!