Am 10. Oktober 2025 08:08:04 MESZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb"
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Moin Claus,
ja, worum mag es Aristoteles gegangen sein? Schon beim Syllogismus ging es ihm nicht nur
um wahre Prämissen, sondern auch um erklärende Ursachen, wie Detel in seinem Grundwissen
zu Aristoteles anmerkt. Aber inwieweit kommt die Aristotelische Ursachenlehre dem heutigen
Verständnis von Ursache nahe, die zeitlich früher, logisch hinreichend und im
naturgesetzlichen Zusammenhang mit dem Effekt stehen sollte?
Wird nicht nach heutigem Verständnis der logische oder tautologische Zusammenhang vom
erfahrungsgemäßen unterschieden, bei dem die Wirkung nicht in der Ursache enthalten ist
wie die Folge in der Voraussetzung? Prämissen erklären die Folgen, die umgekehrt aus ihnen
"ausgepackt" werden können, natürliche Wirkungen kennen wir nicht schon mit
ihren Ursachen und sind auf Beobachtung angewiesen, weil wir uns die Natur im Gegensatz zu
unseren Begriffen und Kalkülen nicht ausgedacht haben.
Aristoteles unterscheidet als Antwort auf Warum-Fragen
ja materiale, effiziente, finale und formale Ursachen. Er wollte aufzeigen, welche
Prämissen der Deduktionen in einer möglichst vollständigen Analyse anzunehmen sind.
"Es hat diese Form, ist aus diesem Material, ist zu diesem Zweck da und
bewirkt...also ist es ein..." oder umgekehrt: "Es ist ein..., also hat es diese
Form...etc."
So etwa?
Damit erfüllt er weder das heutige Verständnis von
Ursache (in einem Struktur- und Wirkungszusammenhang) noch kommt seine formale Ursache
einem Selbstkonsistenzverfahren nahe; kann lediglich ahnungsweise als eine Vorstufe dazu
angesehen werden.
Auf eine Entstehung aus sich selbst heraus verweist aber schon der ägyptische
Ursprungsmythos, zu dem Assmann in „Schöpfungsmythen und Kreativitätskonzepte im Alten
Ägypten“ ausführt: „Nach ägyptischer Vorstellung ist die Welt nicht aus dem Nichts,
sondern aus der Eins entstanden. Diese Ur-Eins heißt Atum. Atum ist die Verkörperung der
Präexistenz.“ Diese wird „ausgedeutet als das bewusstlose Dahintreiben des Urgottes Atum
in der Urflut, dem Nun. … Ihre klassische Ausgestaltung erhält diese Vorstellung vom Chaos
in der Schöpfungslehre von Hermupolis.“ Danach ist das Chaos „kein Nichts, kein gähnender
Abgrund (wie das griechische Wort „Chaos" es ausdrückt), sondern ein Urschlamm voller
Keime möglichen Werdens. Aus diesem Urschlamm erhob sich nach der Schöpfungslehre von
Hermupolis der Sonnengott, wiederum in spontaner Selbstentstehung, als Kind auf einer
Lotosblüte.“ Das Sonnenzeitalter begann schon vor Jahrtausenden im alten Ägypten. Aber was
ist daraus geworden?
IT
Am 09.10.2025 um 13:10 schrieb Claus Zimmermann
über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ein bisschen philologische Wortklauberei, um Mißverständnisse zu vermeiden: wovon redet
Aristoteles überhaupt?
Mir ist beim Lesen aufgefallen, daß seine "causae" mit unseren Ursachen nicht
verwechselt werden sollten. Ursachen und Wirkungen, so wie wir diese Ausdrücke verstehen,
müssen unterscheidbar sein, sonst könnte das eine nicht mit dem anderen zusammenhängen.
Das entspräche Aristoteles' "Wirkursache". Aber wie sollte man die
"causa formalis" als Form des Gegenstands vom Gegenstand unterscheiden?
Allenfalls, wenn man darunter z.B. die Formvorstellung eines Bildhauers versteht. (Das
könnte man mit "Form" und "Akt" in Verbindung bringen.)
Ähnliches kann man von der "causa materialis" sagen. Wie soll man den
Gegenstand vom Material unterscheiden, aus dem er besteht? Es ist ein Aspekt dieses
Gegenstands, aber nicht ein anderer Gegenstand.
Vielleicht versteht Aristoteles unter "causae" alles, was den Gegenstand
ausmacht?
Das träfe auch auf die "Zweckursache" zu. Zu einem Werkzeug gehört auch die
Verwendung, nicht nur die Materialbeschaffenheit und die Form, sonst wäre es keins. Auf
die "Wirkursache" trifft das aber nur dann zu, wenn man die Wirkung als
notwendige Folge betrachtet, was nach Hume ja sehr begründungsbedürftig wäre.
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