Am 22.09.2021 um 04:56 schrieb Arnold Schiller:
Am 22.09.21 um 02:27 schrieb Claus Zimmermann via
Philweb:
[Philweb]
Am 21.09.2021 um 23:48 schrieb Arnold Schiller via Philweb:
[Philweb]
Hallo Liste,
zunächst vorweg ein Outing, das ich für diese Bundestagswahl auf
Listenplatz 3 in Bayern für die Piraten kandiere und deswegen eine ganz
andere Perspektive auf den Diskurs habe. Und schon seit sehr sehr langer
Zeit über den politischen Diskurs wie auch den philosophischen Diskurs
über die gesellschaftlichen Zustände zutiefst frustriert bin. Das
beginnt damit, dass ich bereits mit 15 Jahren mich politisch Engagierte
und mein ganzes Leben lang nie einen Cent dafür bekommen habe. Der
einzige Grund ist nicht mein Engagement und meine Erfolge, sondern dass
du in der Politik nur dann Geld bekommst, wenn du gewählt wirst. Mein
Onkel Hans A. Engelhard gehörte zu jenen, die erst in den Münchner
Stadtrat gewählt wurden und dann später sogar Justizminister der BRD
wurde.
Hallo Arnold,
Die Frustration kann man verstehen.
Nach welchen Kriterien sollte politisches Engagement bezahlt werden?
Ich weiss nicht recht, habe mich das noch nicht gefragt.
Nicht nur Wohlhabende sollten es sich erlauben können, also sollte es
schon eine Bezahlung geben. Andererseits erschiene es mir nicht
wünschenswert, wenn das zum Hauptmotiv politischer Betätigung würde.
Die Befürchtung muss man aber doch nicht haben, wenn in der Wirtschaft
viel mehr verdient werden kann.
Wirtschaft und Politik sind so miteinaner verknüpft in unserer
Gesellschaft, dass das keinen Unterschied macht. In der Wirtschaft wird
nicht viel mehr bezahlt, denn am meisten verdienen Aufsichtsräte und
Manager und das ist ein Vitamin B Netzwerk. Die Kassiererin an der
Supermarktkasse, die Pflegekraft im Krankenhaus, der ehrenamtliche
Feuerwehrmann, der Kohlekumpel oder der Fliesbandarbeiter, ja nicht mal
der relativ gut verdienende Ingenieur verdienen vergleichsweise nichts.
Aber ein Blackrockkasper Merz oder ein Sigmar Gabriel verdienen mehr
als all jene, die die Wirtschaft am laufen halten.
Es schadet doch niemandem, wenn ehemalige Spitzenpolitiker sich mit
Vorträgen oder Büchern eine goldene Nase verdienen. Ich denke schon, daß
auch sie mit einer ziemlichen Arbeitsbelastung unter ständigen
Anfeindungen den Laden am Laufen gehalten haben.
Ist die Bezahlung von nebenamtlichen Aufsichtsräten tatsächlich mit
denen von Managern vergleichbar?
Es ist natürlich etwas anderes, sich gegen Bezahlung als Türöffner für
zweifelhafte Staaten oder Unternehmer zu betätigen.
Wahlen sind in der parlamentarischen Demokratie
die Grundlage
politischer Legitimation. Daran schliesst sich eine Tätigkeit an, die
mit anderer Berufstätigkeit kaum vereinbar ist. Insofern kommt es mir
nicht abwegig vor, eine Bezahlung daran zu knüpfen.
Vielleicht könnte man sich ja auch ein Honorar für erfolgreiche und
mit viel Arbeitsaufwand verbundene politische oder juristische
Initiativen als Dienst am Gemeinwesen vorstellen.
https://www.ardmediathek.de/video/zuendfunk-netzkongress/demonstrieren-brin…
wird nicht als Dienst am Gemeinwesen begriffen, sondern damit ist man
eher Störenfried, der das Wohlbefinden stört.
Aus meiner langjährigen Erfahrung weiss ich, dass die einzelnen
Abgeordneten ganz unterschiedlicher Qualität sind. Aber ich weiß auch,
dass die CSU Volltrottel aufstellen kann, die dennoch gewählt werden,
weil es die CSU ist. Das heisst nicht, dass alle CSU-Politiker
Volltrottel sind mit Johannes Singhammer konnte ich ganz gut, obwohl er
von der CSU war. Der fundamentale Unterschied ist aber, dass diese in
den Volksparteien Berufspolitiker sind, die dort sind, weil sie dort ein
relativ gute Absicherung haben. Wenn Sigmar Gabriel mit Drohungen durch
die Reihen geht, dass wenn TTIP nicht befürwortet würde, der Listenplatz
in Bayern gefährdet sei und weil in Bayern die CSU alle Direktmandate
holt, diese Drohung eben bei einem bayerischen SPD-Abgeordneten wirkt,
dann ist das Machtpolitik. Der Wähler honoriert diese Machtpolitik von
Jahr zu Jahr und von Tag zu Tag.
Dazu fällt mir die Geschichte ein, laut der ein Abgeordneter den
Fraktionsvorsitzenden darauf hinweist, daß er nur seinem Gewissen
verantwortlich sei und der antwortet, daß er sich dann ja bei der
nächsten Wahl von seinem Gewissen aufstellen lassen könne.
Hoffen wir, daß dem Abgeordneten wirklich nur das Gewissen schlug und
ihm nicht sein Ortsverein im Nacken saß. Wir wissen es nicht, beides
ist möglich.
Natürlich hätte Gabriel aus unserer Sicht besser sachlich
argumentiert, als mit dem Mandatsverlust zu drohen. Aber vielleicht
nahm er an, daß die Abgeordneten von ihren Landwirten in die Zange
genommen würden und Argumenten weniger als Gegendruck zugänglich
wären? Vielleicht war er auch Überzeugungstäter mit unsauberen Mitteln?
Churchill sagte bekanntlich, die Demokratie wäre die schlechteste
aller Regierungsformen, abgesehen von allen anderen.
Nun ein vollkommen
demokratisches System wie in Großbrittanien haben wir
in Deutschland ja gar nicht. Eine saubere Trennung zwischen Legislative
und Regierung existiert nicht. Schaue ich mir das Wahlverhalten an, dann
verstehe ich schon, dass dem deutschen Volk grundlegend misstraut wird.
In GB gibt es ein Mehrheitswahlrecht, so daß eine Drohung mit dem
Verlust des Listenplatzes nicht möglich ist. Dafür fallen viele Stimmen
unter den Tisch, "the winner takes it all".
Das mit der nicht vorhandenen Trennung zwischen Legislative und
Regierung verstehe ich nicht. Die Regierung kann doch keine Gesetze
beschliessen. Das muss schon der Bundestag machen. Meinst du vielleicht,
daß die Regierung, anders als in GB, auf den Gesetzgeber einwirken kann?
In der Politik wird gnadenlos geklaut. Als ich auf der Suche war, nach
einem Kläger für die WLAN-Prozesse, fand ich sogar einen und wir gingen
2009 diesen Prozess für freies WLAN an. Als wir dann schliessliche 2019
über das EUGH den Prozess mehr oder weniger zum Schlussspurt brachten
waren unsere Forderungen fast so gut wie erfüllt. Niemand hat das
verstanden oder uns dafür belohnt. Genauso erging es mit dem
Volksbegehren gegen Studiengebühren, das ich persönlich initierte und
dann schlecht von den freien Wählern abgekupfert wurde. Vermutlich ist
Piazollo deswegen heute Kultusminister. Der Diebstahl von Ideen ist
vollständig normal. Der Wähler selbst, versteht die politischen Prozesse
leider nicht ansatzweise. Erschrocken bin ich auch darüber, wieviele
Intellektuelle es nicht verstehen.
Wenn man bei Publikationen soviel Wert auf die Angabe der Quellen und
die Anführungszeichen legt, sollte das bei politischen Ideen auch
nicht anders sein.
Widerspricht der Entwicklung der Ideen im demokratischen Willen.
Letztlich hätte ich auch nichts dagegen, wenn
https://arnold-schiller.de/BayPAG/
oder
https://arnold-schiller.de/Menschenrechte/
geklaut wird, denn es geht ja darum für Ideen zu werben und Mehrheiten
dafür zu gewinnen. Letztlich ist das aus dem politischen Willen
entstandene Gesetz ein gemeinsames Werk im optimalen Fall aller.
Aber selbstverständlich ist es eine Geld- und eine Machtfrage. Ohne Geld
und Macht hast du nichts als deinen Verstand und deine Arbeitskraft. Du
schaffst es hie und da kleine Marker zu setzen und hie und da etwas zu
ändern. Als Dank dafür solltest du dir dann Max Weber reinziehen und dir
einfach sagen, wenn du den Undank dieser Welt nicht aushältst, dann bist
du für die Politik nicht geeignet.
Das ist vielleicht eine allgemein menschliche Sache und keine speziell
politische. Unter Freunden ist das natürlich anderes. Aber im
Berufsleben z.B.? (Ausnahmen bestätigen die Regel.)
Bei mir ist es Leidenschaft, die ich aus mir unverständlichen Gründen
nicht aufgegeben habe. Schon tausendmal wollte ich den Büttel hinwerfen.
Und auch jetzt in der letzen Woche des Wahlkampfes sage ich mir, das war
aber jetzt der letzte Wahlkampf. Ich befürchte, ich werde diese
Überzeugung nicht wahr machen, weil ich es wohl nicht lassen kann. Aber
irgendwann war es mein letzter Wahlkampf, weil ich gestorben sein werde.
Eines bleibt bei mir aber nach über 40 Jahren politischem Engagement,
dass ich den Wähler nie verstehen werde. Er wählt den Schrott und
jammert hinterher darüber. Danach beschwert er sich bei der ach so guten
Opposition oder gar ausserparlamentarischen Opposition, warum "man" da
denn nichts machen würde. Um bei der nächsten Wahl wieder alles
vergessen zu haben und wieder die gleichen Leute wiederzuwählen. Ca. 70
Prozent der Deutschen wählen so und zwar bei jeder Wahl. Theoretisch
könnten sie als freie Menschen ihr Kreuz irgendwo anders machen, aber
sie sind soziologische verankerte Massentiere, die in ihrer Absprache
immer und immer wieder das Gleiche wählen. Da die Armen aber dermassen
unterdrückt werden, dass sie bemerken, dass ihre Stimme gar nichts
zählt, gehen die gleich gar nicht mehr zur Wahl.
Das System wird durch diese Irrationalität des Wählers wahrscheinlich
irgendwann zusammenkrachen. Die parlamentarische Demokratie ist gerade
am Scheitern auch deswegen am Scheitern, weil die Elite kein Erbarmen
hat und manchmal befürchte ich sogar keinen Verstand.
Sorry für den Rant,
Arnold
Natürlich gibt es mehr oder weniger integre Menschen und auch mehr
oder weniger integre Politiker (bei denen es ja auch nicht nur auf die
Integrität ankommt). Im Allgemeinen wählen m.E. mehr oder weniger
krumme Hölzer ebensolche. Ist unser System nicht darauf zugeschnitten?
(Niemand hat die ganze Macht, jeder kann notfalls aus dem Verkehr
gezogen werden.)
Das System ist aber total verkrustet
https://arnold-schiller.de/keine-stimme-fuer-cdu-csu-oder-spd/ schrieb
ich 2017 und zwar nicht unbedingt deshalb, weil ich alle Politiker der
Volksparteien für schlecht halte, sondern wer glaubt dann wirklich
ernsthaft, dass diese Berufspolitiker, die jetzt wiedergewählt werden im
nächsten Parlament Dinge tun würden, die sie nicht auch jetzt schon tun
könnten. Das Parlament würde nicht daran gehindert, sofort etwas zu ändern.
Mit 97prozentiger Wahrscheinlichkeit wird Andreas Scheuer im Wahlkreis
Passau wiedergewählt, so wie 2017 Dobrindt in seinem Wahlkreis Weilheim
wiedergewählt wurde. Mit Grausen male ich mir aus, nachdem Dobrindt
schon eine Katastrophe war, aber von Scheuer getoppt wurde, was in der
nächsten Legislatur die Steigerung von Scheuer ist.
Politisch wirksam kann man in unserem System nur durch eine Partei sein,
aber wem sage ich das. Der leichtere Weg ist, sich einer etablierten
Partei anzuschliessen und Kompromisse zu machen, soweit man sie für
vertretbar hält.
Ist unser System wirklich verrottet? Ich habe den Eindruck, es rumpelt
so vor sich hin, wie die Akteure, von denen es getragen wird, zu denen
wir, die Wähler, ja auch gehören.
Was wäre die Systemalternative?
Claus
Grüße,
Arnold
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Excellence in Leadership