Am Fr., 25. Sept. 2020 um 11:53 Uhr schrieb Ingo Tessmann via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
egal, ob Astrologie oder Esoterik,
Verschwörungsmythologie oder Religion, Querdenken oder Heilpraktik, all das ist
Schwachsinn
und sollte auch so benannt werden.
Das ist doch sehr undifferenziert. Alles in einen Topf werfen und dann
schön umrühren.
Querdenken ist grundsätzlich eine positive Charaktereigenschaft, nur
sollte man dem Ergebnis gegenüber auch ein wenig spektisch bleiben.
Sonst landet man am Ende im Irrlauben an irgendwas, das nicht stimmt.
Bei der Astrologie bin ich zum Beispiel relativ überzeugt davon, dass
es sich dabei früher um ein grundsätzlich gutes Mittel zur Erklärung
gehandelt hat.
Es gibt nun mal empirisch nachweisbar einige Regelmäßigkeiten in der
Natur. Ob man die mit zufällig sichtbaren Sternbildern in Verbindung
bringt oder nicht, ist da fast zweitrangig. Wer weiß, wie viel solche
Astrologie in unser heutigen Wissenschaft noch steckt?
Solche Worte wie "Verschwörungsmythologie" meide ich persönlich. Ich
bleibe bei "Verschwörungstheorie", das ist zwar nicht korrekt weil es
sich nicht um "Theorien" im wissenschaftlichen Sinne des Wortes
handelt, aber plötzlich von "mythen" usw. zu sprechen, ernnert mich da
fatal an Neusprech aus 1984.
Es war für mich erwartbar, dass viele Leute auf das Virus irrational
reagieren würden. Über die genaue Ausprägung war ich dann allerdings
auch überrascht.
Natürlich sind die großen Verschwörungstheorien alle falsch und häufig
eher psychologisch als rational erklärbar, das will ich nur mal
klarstellen.
Nur der Macht und Herrschaft, Gewalt und Grausamkeit,
Dummheit und Unwissenheit ist es geschuldet, dass
der Schwachsinn sich seit Jahrtausenden global ausbreitet.
Das halte ich ebenfalls für eine Verschwörungstheorie. Als würden die
Reichen und Mächtigen der gesamten Welt sich kollektiv darüber
verständigt haben, dass man Aberglaube und Dummheit aufrecht erhält,
um die Leute so einfacher zu kontrollieren.
Ich habe mit dieser Theorie so einige Probleme. Zunächst einmal frage
ich mich, ob die Implikation stimmt, dass man abergläubische und/oder
dumme Menschen schwerer kontrollieren kann. Beweisen die derzeitigen
Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen nicht sehr deutlich, dass
dem nicht so sein muss?
Mir fallen auf Anhiebt mehrere historische Gegebenheiten ein, in denen
Aberglaube die Herrschaft der Mächtigen im Gegenteil sogar bedroht
hat.
Die Qing-Dyastie wird von den Taiping-Aufständen doch wohl nicht
profitiert haben.
Es ist für einen klugen Herrscher im Gegenteil höchst ungelegen, wenn
die Untertanen in Panik verfallen oder den Aufstand proben, weil ein
Komet am Himmel zu sehen ist. Grade ein Sakral-Königtum wird durch den
Aberglauben doch in einen Korsett aus sinnlosen Ritualen und Tabus
gefangen, die seine Herrschaft einschränken. Diese Beobachtung hat
schon Montesquieu im Buch "Vom Geist der Gesetze" über den
Desptotismus angestellt.
Die Religion ist mit der Herrschaft oft, aber nicht ausnahmslos
"Koevoluiert". Das mag daran liegen, dass für die Herrschaft
unpassende Religionen von den Mächtigen bekämpft wurden.
Zudem ich einfach nicht an das Feindbild des im Kern aufgeklärte,
rationalen und eiskalt berechnenden Fürsten glaube, der Religion als
Mittel zum Zweck einsetzt. Häufig genug werden die Fürsten nicht
weniger abergläubig und unwissen gewesen sein, wir ihre Untertanen.
Nehmen wir das von Dir herausgegriffene Beispiel der
Orts- und Zeitabhängigkeit der Geburt.
Wenn du in einer vor-aufgeklärte Gesellschaft leben würdest, dann
würde die Astrologie dir da schon einige Antworten liefern, die du
sonst nicht haben würdest.
Natürlich beeinflusst das Milieu, die Ernährung, Erziehung, die Gene
usw. den Menschen. Es scheint auch einen Zusammenhang zum Zeitpunkt
der Geburt zu geben, ob der Fötus eher die strengen Wintermonate oder
den heiteren Sommer erlebt hat, während er groß wurde.
Je nachdem wird der Körper lieber Fettreserven aufbauen wollen, ebenso
bei der Ernährung.
Jedenfalls erinnere ich mich grob daran, sowas gelesen zu haben.