Wenn man alles begründen müsste, könnte man gar nichts begründen, sondern würde in einen
unendlichen Regress einsteigen. Die Frage nach Gründen endet, wenn man sagt: dafür brauche
ich keinen Grund, das ist für mich selbstverständlicher als alles was als Grund dafür
angeführt werden könnte. Dabei kann man sich allerdings irren, denn es kann sein, daß
einem, was man für selbstverständlich hält, eingetrichtert worden ist, und man kann oder
will sich nicht mehr daran erinnern. Diesen Gedanken im Hinterkopf zu haben bedeutet aber
nicht, alles für begründungsbedürftig zu halten.Vielleicht könnte man die Frage nach dem
Grund für einen Grund mit der vergleichen, ob man verspricht, ein Versprechen zu halten.
Kann man sich erst dann darauf verlassen oder kann man sich immerhin mehr darauf
verlassen? In bestimmten Ausnahmefällen vielleicht, grundsätzlich eher nicht.Das heißt
natürlich nicht, daß an der Frage nach Gründen etwas zu beanstanden wäre. Ich würde unter
Begründung die Zurückführung eines nicht einleuchtenden Satzes auf einen einleuchtenden
verstehen. Ich glaube, das endet, wenn man darauf stösst, wer man ist und was man will.
Das könnte auch bei der Hippiekommune so sein. Es könnte sich allerdings auch um eine
Zeitgeisterscheinung handeln. Da ist dann Selbstüberprüfung angesagt.Vielleicht sollte man
statt nach Gründen manchmal lieber fragen: bist du sicher, daß du das wirklich
willst?Grüße, Claus
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at> Datum: 05.05.19 11:17 (GMT+01:00) An: erich(a)hf-plus.com
Cc: philweb <Philweb(a)lists.philo.at> Betreff: Re: [Philweb] Die Luecke am Anfang
jeder Demokratie [Philweb]Am So., 5. Mai 2019 um 00:16 Uhr schrieb erich(a)hf-plus.com
<erich@hf-plus.com>:>> Geschichte darf man niemals aus heutiger Sicht
betrachten, sondern immer nur aus der Sicht der damaligen Gegebenheiten.Es war nicht meine
Absicht, die US-Gründerväter oder die Revolutionärein Frankreich zu kritisieren. Die
Gründerväter haben offensichtlichetwas geschaffen, dass 200 Jahre nachher noch gut
funktioniert. DieRevolutionäre dagegen haben (leider) ein System geschaffen, das inweniger
als 10 Jahren kollabiert ist.Natürlich mussten sie in der praktischen Politik mit den
Gegebenheitenarbeiten, die zufällig vorlagen. Aus einer
abstrakten'philosophischen' Sicht, scheint mir das aber ein Problem zu sein.Das
Paradox ist relativ einfach zu formulieren: Wenn beispielsweiseeine Hippiekommune sich
fragt, ob sie zur Selbstverwaltung eineDemokratie einführen wollen und dann demokratisch
darüber abstimmen,dann haben sie sich dadurch ipso facto schon für ein
demokratischesModell entschieden. Es wird demokratisch abgestimmt.Das Paradox ist ähnlich
wie dem, rational zu begründen warum manrational sein soll. Macht keinen Sinn, denn wenn
man auf rationaleBegründungen Wert legt, ist man de facto schon rational.Der
vorgeschlagene Ausweg ist deshalb eine Verfassung, die sichzumindest theoretisch ändern
lässt._______________________________________________Philweb mailing
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