Hallo Thomas,
Verständlich fände ich, zu sagen, daß man den Ausdruck "nichts" - zumindest in
einem bestimmten Sinn - nur versteht, wenn man auch den Ausdruck "etwas"
versteht. Nehmen wir an, ich soll über meine Eindrücke in einer bestimmten Situation
berichten. Mir könnte etwas bekanntes begegnet sein. Oder vielleicht nur ein Luftzug oder
Geräusch, von dem ich nicht eindeutig auf etwas bekanntes schliessen kann. Man könnte das
dann so beschreiben, als Luftzug oder Geräusch, oder auch sagen: da war irgendwas, aber
ich weiss nicht, was. Jedenfalls nicht nichts. Oder man hört, sieht, fühlt, riecht,
schmeckt nichts. Dann würde man von "nichts" reden, ohne damit ausschließen zu
wollen, daß hier sehr wohl "etwas" gemessen werden könnte - vielleicht aber auch
nicht. "Nichts" und "etwas" verhalten sich hier wie die Alternativen
auf einem Fragebogen, von denen man die zutreffende ankreuzen soll. Man versteht die eine
nur, wenn man die andere auch versteht. Da es sich um sprachliche Zeichen handelt, finde
ich es angemessener, von Verständlichkeit als von Denkbarkeit zu reden, denn was nicht
verständlich ist, kann erklärt werden oder ist nicht schlüssig, während Denkbarkeit doch
mehr bedeutet als Nachvollziehbarkeit unter bestimmten sprachlichen Voraussetzungen. Man
würde mit der Unterscheidung zwischen Denkbarem und Undenkbarem doch einen
Erkenntnisgewinn verbinden.
Das ist wahrscheinlich ein Unterschied zum metaphysischen Denken über "Sein" und
"Nichts", das, auch wenn es sich nicht als Jenseitswissenschaft versteht, doch
zumindest Ausflüge in dieser Richtung unternimmt. Meiner Ansicht nach ist so etwas
allenfalls in der Kunst möglich, bei der die freie Erfindung der inneren Wahrheit nicht
schadet.
Meine Vermutung aus der Laiensicht zur Einführung der Null beim Rechnen wäre, dass man
sich vielleicht gefragt hat, warum es nicht möglich sein sollte, den erste Schritt beim
Zählen umzukehren wie alle anderen Schritte auch.
Ich denke jetzt schon: hätte ich mal lieber die Klappe gehalten und bleibe als Schuster
demnächst lieber bei meinen Leisten.
Claus
Am 23. Oktober 2025 09:02:30 MESZ schrieb ""Dr. Dr. Thomas Fröhlich" über
PhilWeb" <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Liebe, für mich sehr hilfreich Streitenden,
seit Erfindung der Null bzw. der Leermenge hat die Mathematik die Unendlichkeit
eingefangen und eingehegt. Die bis zur Vollständigkeit gehende Entleerung lässt ein von
einer Fülle, nicht aber von einem weiteren Nichts aus denkbares Nichts zurück, mit dem aus
Sicht der Fülle gehandelt wird, als wäre es etwas.
Diese abstrakte und vollständige, gedanklich bis zur völligen Leere und entsprechenden
Beziehungslosigkeit getriebene Negation bleibt stillschweigend umgeben von einer -
ebenfalls stillschweigend - vorausgesetzten Fülle.
Dieser Fülle eingedenk ist die gedachte Leere die absolute Grenze einer jeden denkbaren
Fülle.
Wenn man die These der absoluten Leere verwirft, ist jede Grenze die zu einem anders
gefüllten, aktuell nicht in den Blick genommenen Fokus.
2 aneinander grenzende Grundstücke im Gegensatz zur Gesamtheit aller Grundstücke oder so.
In der Genesis taucht eine absolute Leere alias tabula rasa nicht auf, sondern eine nicht
oder nicht so geordnete Mischung nicht voneinander zu unterscheidender, diffuser,
ineinander verschwimmender Inhalte, auf die ein die Inhalte ordnender, indem scheidender
Zugriff erfolgt. Der Zugriff ist ein Handeln, und bringt die scheidende Kraft der Zeit
ein. Dabei gewinnt die Unterscheidung Kraft auch im Sinn einer Eigenzeitlichkeit, oder
eines Eigenzeitens der jeweiligen Inhalte: ein jedes hat seine Zeit.
Im Gegensatz dazu sind die absolute Leere und die nur zahlenmäßig oder algebraisch
abbildungsmäßig in Absehung von ihrem tatsächlichen materiellen Gehalt beachtete Fülle
raum- und zeitlos.
Das Leben ist frei nach Kant doch eine Abfolge von Ereignissen oder Zuständen, von denen
meist mehrere gleichzeitig nebeneinander oder im Vorder- oder Hintergrund stattfinden.
Ohne Rückgriff auf die Fülle als den Inhalt, und ohne
Anerkenntnis der Tatsache, dass eine absolute Leere zwar denkbar, aber eben nur denkbar
und nicht wirklich ist können Zeit und Raum nicht gedacht und gedanklich berücksichtigt
werden.
Eine Numerik ohne die Null dagegen kann aufgefasst und betrieben werden als Fokussierung
auf allem Identifizierbaren gemeinsame Aspekte oder Rollen, und das ist der ihrer sich auf
sie als umgrenzte, gegen andere Inhalte unterscheidbare jeweilige Ganzheit beziehende
Aspekt der Zählbarkeit als solcher. Sie bezieht sich auf - jenseits der Leermenge - auf
Inhaltlichkeit als solcher, also auf das abstrakte Faktum, überhaupt Inhalt zu haben.
Gedankliche Absehung vom Faktum der Inhaltlichkeit als solcher ist dem Menschen jenseits
der frühen Kindheit durch weder durch empirische, das heißt begrenzt verfügbare Zeit noch
durch empirischen, das heißt begrenzt verfügbaren begrenzenden Raum eingeschränkte ideelle
Fortsetzung einer gedanklichen Bewegung möglich. Die Gedanken sind frei. Und hier gelingt
die Konstruktion von Inhalten, die auch das Gegenteil von Inhalten ein sich eingeschlossen
enthalten - womit wir wieder am Ausgangspunkt der Argumentation (Uroboros) wären :-)
Viele Grüße und Danke für die inhaltlich gefüllten Anregungen!
Thomas
Am 23.10.2025 um 01:40 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at <mailto:philweb@lists.philo.at>>:
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Am 22.10.2025 um 15:15 schrieb tessmann--- über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at <mailto:philweb@lists.philo.at>>:
Am 22.10.2025 um 03:38 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at <mailto:philweb@lists.philo.at>>:
Ordnungsinstanz als ein Element kosmischer Intelligenz, Christen u.a. benennen sie als
Gott, empfinden sie als Gefühl der Allgeborgenheit, eine Geborgenheit, von der sich jedoch
der weit größte Teil der Menschheit schicksalhaft entbindet.
Von kosmischer Intelligenz schreiben wir beide, ich sehe in ihr aber keine
Ordnungsinstanz, sondern eine mathematische Selbstkonsistenz. Eine bloß sprachlich
beschriebene Ordnungsinstanz ist weder notwendig anzunehmen, noch kann sie hinreichen, da
die Sprache nicht weiter reicht als alltägliche Handllungszusammenhnge, denen sie
entstammt. Und was Geborgenheitsgefühle anbelangt, so mag sie jeder haben wie es ihm
beliebt. Ihr angebliches Schwinden ist zu begründen, bevor es sinnvoll bedauert werden
kann.
Deine Sicht auf Welt und Kosmos ist nun mal von Deiner Überzeugung geprägt, Mathematik
sei das einzige Instrumentarium, mit dem die Prinzipien der Entstehung dieser Lebenswelt
zu ermessen und entsprechend zu ergründen, solchermaßen zu verstehen und schließlich zu
erklären sind.
Selbstredend hat sich die Mathematik mit dem Aufkommen der Naturwissenschaft als ein
signifikantes Instrument zur Erkenntnisgewinnung erwiesen. Doch diese „Mathematisierung“
führt an bedeutsamen Zusammenhängen ontologischer Fortentwicklung vorbei, resp. ignoriert
sie aus nachvollziehbarem Grund: Die materielle Natur ist mit dem „Werkzeug der Zahlen und
geometrischen Formen“ hinreichend zu erfassen und darzulegen, nicht so die transzendente
Ebene, also jene der Metaphysik, da sie den ontologischen Aspekt hinsichtlich ihrer
Abstraktheit nicht zu erfassen vermag. Meinetwegen bringt man den Begriff der
Unendlichkeit hier ins Spiel: In der Mathematik kurzerhand als Lemmiskate bezeichnet und
an dieser Stelle ist einfach Schluss mit allem Zählen und Messen. Die Philosophie jedoch
macht hier nicht Schluss, sondern es fängt dort erst an, interessant zu werden, oder eben
auch verworren, quasi als logisches Paradoxon. Die Schlange beißt sich in den eigenen
Schwanz. Metaphysisch gesehen könnte man die Frage nach Unendlichkeit eben mit dem Zustand
abstrakter Objekte an ihrer fiktiven Grenze in Verbindung bringen. Penrose sagt, es gibt
ausser der mathematisch gesetzten Unendlichkeit (als Trick) diese nicht, da diese Grenze
nicht für Photonen gilt, da selbige dieses Limit durchdringen.
Kurzum: Aus noch so hoher Komplexität mathematischer Algorithmen entsteht weder
menschliches noch kosmisches Bewusstsein. Die Natur ist lediglich mit der „Sprache“ der
Mathematik beschrieben, jedoch keinesfalls durch sie entstanden.
Soweit für den Augenblick - womöglich gibt’s bei mir eine kurze Auszeit - vielleicht
entfacht sich hier unter Mitwirkung anderer Teilnehmenden hier ein Diskurs zu dieser
interessanten Thematik.
KJ
PS: Zur kosmischen Ordnungsinstanz- wie erklärst Du das Phänomen der außerordentlichen
Feinabstimmung des Kosmos?
_______________________________________________
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Am 22.10.2025 um 03:38 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ordnungsinstanz als ein Element kosmischer Intelligenz, Christen u.a. benennen sie als
Gott, empfinden sie als Gefühl der Allgeborgenheit, eine Geborgenheit, von der sich jedoch
der weit größte Teil der Menschheit schicksalhaft entbindet.
Von kosmischer Intelligenz schreiben wir beide, ich sehe in ihr aber keine
Ordnungsinstanz, sondern eine mathematische Selbstkonsistenz. Eine bloß sprachlich
beschriebene Ordnungsinstanz ist weder notwendig anzunehmen, noch kann sie hinreichen, da
die Sprache nicht weiter reicht als alltägliche Handllungszusammenhnge, denen sie
entstammt. Und was Geborgenheitsgefühle anbelangt, so mag sie jeder haben wie es ihm
beliebt. Ihr angebliches Schwinden ist zu begründen, bevor es sinnvoll bedauert werden
kann.
Deine Sicht auf Welt und Kosmos ist nun mal von Deiner Überzeugung geprägt, Mathematik
sei das einzige Instrumentarium, mit dem die Prinzipien der Entstehung dieser Lebenswelt
zu ermessen und entsprechend zu ergründen, solchermaßen zu verstehen und schließlich zu
erklären sind.
Selbstredend hat sich die Mathematik mit dem Aufkommen der Naturwissenschaft als ein
signifikantes Instrument zur Erkenntnisgewinnung erwiesen. Doch diese „Mathematisierung“
führt an bedeutsamen Zusammenhängen ontologischer Fortentwicklung vorbei, resp. ignoriert
sie aus nachvollziehbarem Grund: Die materielle Natur ist mit dem „Werkzeug der Zahlen und
geometrischen Formen“ hinreichend zu erfassen und darzulegen, nicht so die transzendente
Ebene, also jene der Metaphysik, da sie den ontologischen Aspekt hinsichtlich ihrer
Abstraktheit nicht zu erfassen vermag. Meinetwegen bringt man den Begriff der
Unendlichkeit hier ins Spiel: In der Mathematik kurzerhand als Lemmiskate bezeichnet und
an dieser Stelle ist einfach Schluss mit allem Zählen und Messen. Die Philosophie jedoch
macht hier nicht Schluss, sondern es fängt dort erst an, interessant zu werden, oder eben
auch verworren, quasi als logisches Paradoxon. Die Schlange beißt sich in den eigenen
Schwanz. Metaphysisch gesehen könnte man die Frage nach Unendlichkeit eben mit dem Zustand
abstrakter Objekte an ihrer fiktiven Grenze in Verbindung bringen. Penrose sagt, es gibt
ausser der mathematisch gesetzten Unendlichkeit (als Trick) diese nicht, da diese Grenze
nicht für Photonen gilt, da selbige dieses Limit durchdringen.
Kurzum: Aus noch so hoher Komplexität mathematischer Algorithmen entsteht weder
menschliches noch kosmisches Bewusstsein. Die Natur ist lediglich mit der „Sprache“ der
Mathematik beschrieben, jedoch keinesfalls durch sie entstanden.
Soweit für den Augenblick - womöglich gibt’s bei mir eine kurze Auszeit - vielleicht
entfacht sich hier unter Mitwirkung anderer Teilnehmenden hier ein Diskurs zu dieser
interessanten Thematik.
KJ
PS: Zur kosmischen Ordnungsinstanz- wie erklärst Du das Phänomen der außerordentlichen
Feinabstimmung des Kosmos?
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