Hallo IT, werte Anwesende
/was bleibt, was verändert sich, was wird zum Narrativ und
wozu soll das alles gut sein? /
Narrative und Wirklichkeit im Gespräch um relevante öffentliche
Meinungsfindung
Ein Essay über Stochastische Gesprächsräume, Geltungslogiken und die
Herausforderung gemeinsamer Wahrheiten
Appetithäppchen: Provokation in Versform
/grau in grau ist alle //Th//eorie
viel schneller geht es ohne sie/
/hierzuland so scheint's gescheiter
kommt man mit Gefasel weiter
/Einleitung: Gespräch im Wandel
Missverständnisse im Diskurs sind oft nicht bloßes Unvermögen, sich
auszudrücken, sondern Folge grundverschiedener „Geltungslogiken“ – also
Regeln, nach denen in unterschiedlichen kulturellen, wissenschaftlichen
oder technischen Systemen Aussagen als wahr oder gültig gelten. Wenn
diese Unterschiede nicht transparent gemacht werden, resultiert daraus
ein scheinbares „Aneinander-Vorbeireden“. Doch gerade in dieser Reibung
steckt die Chance für eine neue Form der Verständigung: eine
„Meta-Sprache“, die Differenz nicht auflöst, sondern produktiv austrägt.
I. Ordnung, die aus Struktur kommt: Mathematische Wahrheit als Modell
Im mathematischen Diskurs ist bewiesen, dass in beliebig gefärbten
Zahlenmengen immer geordnete Muster (arithmetische Progressionen)
auftreten. Das liegt weniger an der äußeren Färbung als an der inneren
Verteilung, der sogenannten Dichte (van der Waerden, Erdős & Turán,
Szemerédi). Dieses Modell einer „Notwendigkeit durch Struktur“ lässt
sich auf kulturelle Systeme übertragen: Ordnung entsteht nicht durch
äußere Zuweisung, sondern durch innere Muster.
/Zitat I.M. (29.07.25): „D.h. in hinreichend großen Zahlenbereichen
hat die additive Struktur die ewige Wiederkehr des Gleichen zur Folge.“/
II. Die platonische Lüge der Moderne: Bildung als Narrativ und Simulation
Platon beschrieb die „edle Lüge“ als Erzählung, die gesellschaftliche
Ordnung stabilisiert. Heute wird das Bildungssystem ähnlich zur
„Simulation von Reife“: Mit der massenhaften Vergabe von Bestnoten und
KI-gestützter Digitalisierung verliert die Abiturnote ihre Aussagekraft
als Ausdruck individueller Leistung.
/Zitat Ingo T.: „Vielleicht ist die platonische Lüge heute die
Vorstellung, dass die Abiturnote noch Ausdruck echter, individueller
Reife sei.“/
III. Diskurse ohne Anschluss: Wenn Systeme ihre Sprache verlieren
Die verschiedenen Systeme (Mathematik, Bildung, Technik, Ethik)
operieren mit eigenen Regeln und Sprachen. Ohne explizite Anerkennung
dieser Unterschiede entstehen Diskursbrüche.
/Zitat Ingo M.: „Der Diskurs scheitert oft nicht, weil niemand recht
hat – sondern weil keine gemeinsame Sprachebene gefunden wird.“/
Zusätzlich erschwert wird die Verständigung durch individuelle
Wahrnehmungsverzerrungen:
/„Einzig in Betrachtung solipsistisch angelegter
Persönlichkeitsmerkmale kommt es zu bisweilen pathologischen
Wahrnehmungsverzerrungen, wie etwa Wahnvorstellungen in Form von
unzutreffender Interpretation der Lebensumwelt. Dramatisch für
Betroffene, gleichermaßen für die mental kranke Person, wie für
Menschen in deren direktem Umfeld ist, dass erstere ihre irrige
Interpretation als eine objektiv gültige annehmen und diese Position
nicht selten radikal vertreten.“/
Diese Dynamik zeigt, wie komplex und fragil die öffentliche
Meinungsbildung ist, da individuelle Narrative radikal von der
kollektiven Wirklichkeit abweichen können.
IV. Rückkehr der Geltungslogiken: Vom Mythos zur Maschine
Ursprünglich symbolische Narrative werden heute technisiert und
algorithmisch codiert. Das einst egalitäre Bildungsideal gerät unter
KI-Einfluss in eine neue Ungleichheit.
/Zitat Ingo T: „Was einst als Mythos begann, wurde zur Logik, dann
zur Technik – und kehrt nun als algorithmisierte Erzählung zurück.“/
V. Vorschlag einer Meta-Sprache: Denken im Zwischenraum
Statt Vereinheitlichung braucht es eine Sprache, die Unterschiede
sichtbar macht und verhandelbar hält. So wird nicht das Gesagte, sondern
das Gemeinte Teil des Diskurses.
/Zitat Ingo M.: „Wirkliches Verstehen beginnt, wo
Gesprächsteilnehmer die Geltungsbereiche ihrer Sprache explizit
machen – und bereit sind, nicht nur das Gesagte, sondern auch das
Gemeinte zu verhandeln.“/
Schluss: Der Sand im Getriebe – oder das Gespräch als Widerstand
Die größte Gefahr ist die blinde Akzeptanz technischer und
algorithmischer Logiken ohne kritische Reflexion. „Vielleicht ist genau
das der Sand im Getriebe – nicht der Zweifel, sondern die blinde Akzeptanz.“
Kontextualisierung anhand eines Dialogs – Ein Rückblick
In einem metaphorischen Dialog wurde die „Große Hafenrundfahrt“ als Bild
für systematische, oft unsichtbare Prozesse benutzt, etwa beim Umgang
mit Umweltgiften oder gesellschaftlichen Kontrollmechanismen.
Gleichzeitig fungiert die „Große Hafenrundfahrt“ als ironische
Umschreibung für die Prostata-Vorsorgeuntersuchung in medizinischen Kreisen.
Dieser Transfer von Metaphern zwischen Fachbereichen illustriert, wie
Narrative und Bedeutungen in verschiedenen Kontexten variiert und
rezipiert werden – eine zusätzliche Herausforderung für die Verständigung.
Motivation hinter diesem Projekt
Die Arbeit entstand aus der Einsicht heraus, dass öffentliche Diskurse
zunehmend fragmentiert sind, geprägt von unterschiedlichen
Wissenssystemen, kulturellen Prägungen und technologischen Umwälzungen.
Die Frage „Wie entstehen relevante öffentliche Meinungen in einer
zunehmend digitalisierten, pluralen Welt?“ treibt das Projekt an. Dabei
ist die Herausforderung, eine Kommunikationsform zu finden, die
Differenzen nicht nivelliert, sondern produktiv nutzt. Persönliche
Erfahrungen mit Tinnitus, die Suche nach Struktur im Chaos, und der
Einsatz von KI zur Reflexion über Sprache und Ordnung spiegeln den
persönlichen und intellektuellen Hintergrund dieses Vorhabens wider.
Ich habe in den hier vorhandenen 1800 Philweb-mail Eintraegen gestöbert
und über den Zeitraum vom 13.04.2024 bis heute nach relevanten Bezügen
gesucht.
Am 30.07.25 um 09:09 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
Ausgangsfrage Karps: "Zwingt mich ein
sozialwissenschaftlich
fundierter Ansatz dazu, über jene Konflikte sozialer Handlung
hinwegzusehen, die Aktoren Gelegenheit zur Befriedigung verpönter
Wünsche verschaffen. Und wenn dem so ist, wie kann ich mich dieses
Ansatzes weiterhin bedienen, ohne dabei Gefahr zu laufen, auf
den Aggressionsbegriff zu verzichten?“ Thiel zählt die Gründung
Palantir’s zu den kreativen singulären Momenten. Für Habermas dürfte
Palantir den Systemimperativen folgend zur Kolonisierung der
Lebenswelt beitragen.
gruss aus der Diaspora
ingo mack