Am 31.08.2025 um 11:00 schrieb Rat Frag über PhilWeb
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Ich glaube aber, dass diese Art von "Theorie der Religion“ ein Abstellgleis ist, auf
das die Wissenschaftler und Philosophen dieses Feldes glücklicherweise nicht geraten sind.
Es existiert, aber echte Religionen erfüllen andere Bedürfnisse. Se erklären alles.
Zumindest für diejenigen, die daran glauben. Beispielsweise traditionelle Stämme. Für die
erfüllt die Religion gleich mehrere Zwecke, sie spendet Trost, sie erkärt Dinge und sie
befriedigt eben dieses ozeanische Gefühl.
Marc Rölli kritisiert die Theorielastigkeit der Philosophie aus pragmatischer Sicht:
„Theoretizismus. Mit diesem Begriff wird im amerikanischen Pragmatismus ein verbreitetes
philosophisches Selbstverständnis der Theorie problematisiert. Es besagt, dass die
Philosophie seit ihren historischen Anfängen im alten Griechenland nicht nur
theorieverliebt ist, sondern die Theorie maßlos überschätzt – nämlich auf Kosten der
Praxis.“
https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783845277301-53.pdf
Auch Einsteins Religionsverständnis blieb der Praxis verhaftet, da er sich dazu nicht als
Wissender, sondern als Weiser äußerte. Am 11. Nov. 1930 schreibt er im Berliner Tageblatt
über Religion und Wissenschaft. Nach den Furcht- und Moralreligionen charakterisiert er
dabei die dritte Entwicklungsstufe als kosmische Religiösität: Nur „besonders reiche
Individuen und besonders edle Gemeinschaften vermögen sich zu ihr hinaufzuschwingen; denn
das Individuum fühlt die Nichtigkeit menschlicher Wünsche und Ziele und die Erhabenheit
und wunderbare Ordnung, welche sich in der Natur sowie in der Welt des Gedankens
offenbart. Es empfindet das individuelle Dasein als eine Art Gefängnis und will die
Gesamtheit des Seienden als ein Einheitliches und Sinnvolles erleben." Da die
„kosmische Religiösität" ohne Gottesbegriff auskomme, könne sie nur über Kunst und
Wissenschaft mitgeteilt werden, deren Funktion darin bestehe, jenes Gefühl unter den
„Empfänglichen zu erwecken und lebendig zu erhalten."
In einem Beitrag zu dem Symposium "Science, Philosophy and Religion“ greift Einstein
1941 das Thema Naturwissenschaft und Religion wieder auf. Ein religiöser Mensch, wie
Buddha oder Spinoza, ist ihm danach einer, „der sich nach seinem besten Vermögen von den
Fesseln seiner selbstischen Wünsche befreit hat und erfüllt ist von Gedanken, Gefühlen und
Bestrebungen, an denen er hängt, um deren außerpersönlichen Wertes willen." Als
„höchster außerpersönlicher Wert“ gilt dem Physiker dabei die „Größe der im Seienden
verkörperten Vernunft." Denn der Naturforscher „gelangt auf dem Wege des Begreifens
zu einer weitgehenden Befreiung von den Fesseln des persönlichen Wünschens und Hoffens und
zu jener demütigen Einstellung des Gemüts gegenüber der in ihren letzten Tiefen dem
Menschen unzugänglichen Größe der im Seienden verkörperten Vernunft.“
Im Gegensatz zum Literaten Thomas Mann, der den Geist der Natur entgegensetzte, verkörpert
für den Physiker die Natur bereits den Geist. Das gilt auch für die innere Natur des
Menschen. Vergeistigung der Natur meint dann bloß eine Art nachahmender
Weitervergeistigung im menschlichen Bewußtsein. Dabei verdanken die feiner Besaiteten der
Vergeistigung ihrer Gefühle und der Beseelung ihrer Gedanken „die subtilsten Freuden,
deren ein Mensch fähig ist: die Freude an der Schönheit von Kunstwerken und von logischen
Gedankengängen", schreibt der Weltweise 1938 in „Aus meinen späten Jahren.“
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