Am 10. Dezember 2017 um 11:40 schrieb Ingo Tessmann <>:
Die Mathematiker sind seit nunmehr 6000 Jahren auf dem
Weg zu einer
„freien Monodoxie“ weit vorangekommen.
Ich verweise auf meinen Einwand mit den Gegenstandsbezug. Dieser scheint
stichhaltig zu sein.
Und die Physiker eiferten ihnen erfolgreich nach.
Zählen und Folgern,
Messen und Experimentieren werden durch Konsistenz und Reproduzierbarkeit
möglich, ansonsten haben wir Beliebigkeit und Zufälligkeit, die nicht
nachvollziehbar und überprüfbar sind.
Und was ist mit Dingen, die ganz offensichtlich *nicht* reproduzierbar sind?
Gestatten Sie mir einen Exkurs?
Wir können astronomisch beispielsweise die Hubble-Expansion feststellen,
weil wir die Rotverschiebung ferner Objekte beobachten konnten. Es wird
aber - so habe ich einmal in einem ernsthaften physikalischen Artikel
gelesen - eine kosmische Epoche geben, in der die einzelnen Galaxien so
weit vonander entfernt sein werden, dass keine Rotverschiebung mehr
festzustellen sein wird.
Genau dem selben Problem begegnen wir bei anderen Wissensfragen mit
*historischen* Aspekt. Sei es die Evolutionsgeschichte der Menschheit oder
irgendwas, das sich im Laufe der Menschenheitsgeschichte abgespielt hat.
Man kann die Ermordung Cäsars nicht reproduzieren.
Dieser Absolutismus, der nur das Messen, Experimentieren usw. und auf der
anderen Seite die nackte Beliebigkeit sieht, scheint mir falsch. Ich habe
ihn einer Zeit lang auch angehangen. Er ist aber aus verschiedenen guten
Gründen nicht empfehlenswert.
In Übriegen besteht ein naturwissenschaftlichen Experiment grade darin,
dass man bestimmte Umwelteinflüsse systematisch ausschaltet.
Das Gebot der
Reproduzierbarkeit ist aber eben wieder eine "Regel der
Argumentation".
Nur eben eine sehr spezielle Regel, die besagt, "wenn du
wissenschaftlich argumentieren willst, dann X". Will ich das denn?
Ob Du das willst, weiß ich nicht, aber mir geht es beim Argumentieren
nicht nur um Meinungsaustaus
Das ist ein guter Punkt.
Doch was nützt es mir, wenn ich im Recht bin und der Rest meiner
Gesellschaft mir nicht recht gibt?
Die Wissenschaft schafft Wissen, das stimmen sollte.
Das ist die einzige
Voraussetzung. Erreicht wird das durch Konsistenz und Reproduzierbarkeit
mit der Folge funktionierender Technik und wahrscheinlicher Prognosen.
Entschuldige, aber das kann ich so nicht stehen lassen.
Wissen ist im Normalfall so definiert, dass es stimmt und die Wissenschaft
sucht nach der Wahrheit.
Aber wie willst du aus dieser Voraussetzung bereits etwas ableiten?
Und Grothendieck hat nicht mehr in „Mengen“, sondern
in „Kategorien“
gedacht und z.B. in der Kategorie „Schema“ einen Raum nicht mehr durch
seine Punkte, sondern durch die Funktionen auf ihm untersucht.
Du hast mir eine ungefähre Vorstellung gegeben.
Ich denke, ich ahne, worauf du hinauswillst. Das ist allerdings eine
mathematische Spezialdisziplin, die mir eher nicht so genau bekannt ist.
In Alltagssituationen wird ja so häufig aneinander
vorbei geredet, weil
sich die Teilnehmer zuvor nicht auf einen gemeinsamen Rahmen geeinigt
haben. Die Mathematiker machen vor, wie man es besser macht: Definition,
Satz, Beweis bzw. Worum geht es? Wie verhält es sich damit? Warum ist das
so?
Ich wiederhole den Einwand: Die Mathematik hat ihren *Gegenstandbezug*
aufgegeben. Es geht nicht mehr um die Frage, ob die Voraussetzungen richtig
oder falsch sind, sondern man setzt die Axiome voraus und wenn man unter
anderen Axiomen arbeitet, dann arbeitet man eben an einem anderen Gebiet.
Etwa "euklidische" vs. "nicht-Euklidische" Geometrie.
Die Mathematik ist ein nützliches Werkzeug für die Wissenschaft. Man
untersucht die Folgen, die aus einer bestimmten Annahme erwachsen,
unberücksichtigt der Korrektheit der Annahmen.
Die Physik beispielsweise geht da ja anders vor. Hier kommt es sehr wohl
auch darauf an, ob die Grundlagen der Schlussfolgerungen auch richtig sind.
Damit ist die Physik sehr viel näher am Beispiel einer realen Diskussion
als die Mathematik. Dies ist jedenfalls meine bescheidene Meinung.