Am 27.10.2020 um 02:05 schrieb K. Janssen via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ohne nun meine eigene Befindlichkeit resp. Meinung (als aktiver Diskurs-Partner) in Front
zu bringen, muss man davon ausgehen, dass Religion (unabhängig ob und inwieweit deren
Kritik berechtigt ist oder nicht) eine globale gesellschaftlich-kulturgeschichtlich
verankerte Weltanschauung ist, die bezüglich Funktion und Selbstverständnis vom
Löwenanteil der Menschheit akzeptiert und praktiziert wird.
Hi Karl und Waldemar,
„Was alle glauben, wird nicht Wahn genannt“, ließ Heinar Kipphardt einstmals den
schizophrenen Dichter Alexander März sagen. Ich aber werde weiter von Religionswahn und
Verschwörungswahn reden, auch wenn es sich gegen Mehrheiten richten sollte. Denn die
Mehrheiten bestimmen zwar die Demokratie, nicht aber die Wissenschaften. Rund 90% der
Amerikaner geben in Umfragen an, gläubig zu sein, unter den Mitgliedern der National
Academy of Science aber tun das nur etwa 7%.
Dabei sind wir hier bloß eine winzig kleine Minderheit in die Jahre gekommene und an
Philosophie interessierte Zeitgenossen. Im Vergleich mit dem überwältigenden Schrott in
den "sozialen Medien“, die heute die Mailinglisten aus den 1990er Jahren weitgehend
verdrängt haben, geht es bei uns in der Regel respektvoll und fair zu. Gelegentlicher
Unmut und Pöbeleien störten uns bisher wenig.
Die „Mehrheit" in den USA hatte einen Präsidenten gewählt, der gerade der
Erzkatholikin Barrett zum Richteramt im Supreme-Court verholfen hat. Die ist gegen
Abtreibung, aber für Waffenbesitz, tritt also gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen
für den Schutz zellulären Protolebens ein, hat aber nichts gegen die Zehntausenden
Verluste an bewussten Leben durch Waffenbesitz. Ich halte das rational für Schwachsinn,
der aber religionspolitisch hoch wirksam ist. In Polen sind ja ähnliche Entwicklungen zu
beobachten. Und in Frankreich werden wohl nicht nur vermehrt Journalisten, sondern auch
Lehrer vor den Religionsverrückten unter Polizeischutz gestellt werden müssen. Insofern
empfehle ich dir, Waldemar, nicht in Frankreich, sondern eher in Taiwan oder Japan
Zuflucht zu suchen.
Es grüßt,
Ingo