Am 20. Mai 2024 09:09:07 MESZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb"
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Am 19.05.2024 um 17:54 schrieb Claus Zimmermann
über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ich sagte, es grenze an Fremdbestimmung. Es wird zwar im frühen Stadium der
Schwangerschaft vermutlich nicht in eine schon vorhandene Gegenwart eingebrochen aber
Zukunft verhindert.
Moin Claus,
„vorhandene Gegenwart“ und „verhinderte Zukunft“ sind sehr vage und allgemeine
Charakterisierungen und Substantivierungen. So allgemein geschrieben, werden schon mit
jeder Entscheidung alle nichtgetroffenen verhindert. Durch Verhütung, Verweigerung oder
Aufschub des Zeugens wird bspw. jeweils ein Ovum „vergeudet.“
In diesen Fällen gibt es aber nicht schon einen Keim, aus dem ein Mensch wird, wenn er
nicht, drastisch ausgedrückt, um die Ecke gebracht wird.
Frühestens? Eventuell auch später? Bei so dünnem Eis bin ich ganz vorsichtig.
Die Kontroverse um Abtreibung ähnelt ja der Sterbehilfe, die hierzulande auch noch einer
rechtlichen Klärung bedarf. Wann beginnt und wann endet die Fähigkeit zur
Selbstbestimmung? Was macht menschliches und nicht bloß zelluläres, embryonales, fetales
oder Säuglingsleben bzw. seniles, leidendes, dementes oder vegetatives Leben aus?
Schwierige Fragen, die ich nicht beantworten müssen möchte.
12 Wochen sind vielleicht ein akzeptabler
Kompromiss. Es wird ja ohnehin nicht bestraft, du möchtest nur die durch das symbolische
Damoklesschwert ausgedrückte Missbilligung beseitigen. Ich finde ja auch, dass es Fälle
gibt, in denen es nichts zu missbilligen und zu stigmatisieren gibt, finde aber nicht,
dass in der anderen Waagschale gar nichts liegt.
Es geht mir nicht nur um die Missbilligung, sondern grundsätzlich um die verfehlte
strafrechtliche Einordnung von Schwangerschaft und um den entmündigenden Kontrollzwang
durch die Beratungspflicht.
Es muss nicht entmündigender sein als jede andere Pflicht, die man natürlich auch als
unzumutbaren Eingriff in die Selbstbestimmung betrachten könnte.
Ich finde den Schritt im Gegensatz zu dir so schwerwiegend, dass es mir nicht unangemessen
vorkommt, ihn mit einer Gesprächspflicht zu verbinden, wobei ich nicht sicher bin, ob das
sinnvoll ist, da ich mich mit dem Thema wenig beschäftigt habe. Es kann ja auf
Unterstützungs- und Hilfsangebote hingewiesen werden.
Es sollte natürlich kein Spiessrutenlaufen sein. In der Praxis wird es wie immer darauf
ankommen, mit wem man es da zu tun bekommt. Im schlimmsten Fall wird es unangenehm.
Aus meiner Sicht war der frühere Zustand, in dem die Frauen dann zu Kurpfuschern gingen,
unhaltbar.
Claus
Ebenso wie ein Ovom ist auch eine Zygote mehr als „gar
nichts". Ihr Schutz rechtfertigt aber keine Einschränkung des
Selbstbestimmungsrechts. Im Bericht der KOMMISSION ZUR REPRODUKTIVEN SELBSTBESTIMMUNG UND
FORTPFLANZUNGSMEDIZIN geht es um mehr als Abtreibung. Eizellspenden oder
Leihmutterschaften sind hierzulande auch noch nicht erlaubt.
Der genannte Bericht ist das Ergebnis zweier Arbeitsgruppen:
ARBEITSGRUPPE 1 — MÖGLICHKEITEN DER REGULIERUNG DES SCHWANGERSCHAFTSABBRUCHS AUßERHALB
DES STRAFGESETZBUCHES
ARBEITSGRUPPE 2 — MÖGLICHKEITEN ZUR LEGALISIERUNG DER EIZELLSPENDE UND DER ALTRUISTISCHEN
LEIHMUTTERSCHAFT
IT
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