Am 19.12.2021 um 11:25 schrieb Joseph Hipp via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ob wie bisher oder mit dem "Fortschritt": Es ist ein Rahmen vorhanden und es
soll ein Rahmen bleiben. Und dieser Rahmen greift ein in die Möglichkeiten der Personen.
Gerade im Familienrecht. Ingo hat einen Teilbereich ausgewählt, der zwar eng ist, aber ich
kann ihn bedenken:
"'kleine Sorgerecht' für soziale Eltern ausweiten und zu einem eigenen
Rechtsinstitut weiterentwickeln"
das heißt, dass die Gängelung, die bisher im Sorgerecht vorliegt,
z.B. mit dem Ausschluss eines Elters vom Kind, der üblich ist,
z.B. der Bevorzugung von offiziell erklärten "Eheleuten" und Eltern,
z.B. dem Erbrecht, nach dem der Erbe nur zum Teil frei über sein Eigentum verfügen kann,
z.B. dem Antragsverfahren bei Trennung, wobei der andere zum Gegner gemacht werden muss
(Dispositionsmaxime)
fortgesetzt werden soll, jeweils mit einer modernisierenden Vorgehensweise, bei der noch
mehr Faktoren berücksichtigt werden.
H JH,
als Fortschritt anerkenne ich der Natur gemäß mehr Vielfalt statt Einfalt. Die geradezu
phantastische Vielfalt der Materie- und Lebensformen in der Natur hat ja dazu geführt,
dass es uns überhaupt gibt. Schon das sehe ich als Fortschritt im natürlichen
Fortschreiten an. Gegenüber der natürlichen Vielfalt herrscht unter den Kulturen
allerdings deprimierende Einfalt. Um es konkret zu machen: Wenn es zwischen Kleinfamilie
und Kinderheim eine dritte Möglichkeit des verrechtlichen Zusammenlebens in der
Verantwortungsgemeinschaft geben sollte, wäre das hinsichtlich der Förderung von Vielfalt
ein Fortschritt. Niemand würde dazu gezwungen werden und die vielen freien Lebensweisen
davon unberührt bleiben. Gehörst Du vielleicht zu dehnen, vor denen schon Einstein sich
fürchtete? „Halte Dich von negativen Menschen fern. Sie haben ein Problem für jede
Lösung.“ Juristen hatten selten Probleme damit, Adenauer seinerzeit zu unterstützen, aber
schon Brandts Vorhaben wurden von ihnen hintertrieben und so wird es auch Scholz ergehen.
Wahrscheinlich wird es eh nichts mit der rechtlichen Beförderung weiterer Lebensweisen.
Das Wort Fortschritt ist in der Politik oft eine
Floskel. Wenn nicht, braucht zumindest nicht gesagt zu werden, was denn im Einzelnen
geändert werden soll. Zudem passt das Wort Fortschritt von vornherein nicht auf das
Reduzieren des Rahmens. Beim Judizieren (*) liegen enorme Schwierigkeiten vor, die höheren
und niederen Gesetze im Einzelfall korrekt auszulegen und anzuwenden, es entstehen dabei
Üblichkeiten in Verfahren, die mit dem, was mit dem Wort Fortschritt gedacht werden soll,
bei weitem nicht geändert werden können. Auch ein "Jurweb" würde vermutlich
schnell zum Streit führen. zu vor: Wenn ich das Wort Rechtsinstitut höre, wird mir schon
schwindlig. Wie ist es mit der bekannten Trennung von Bereichen: Sorgerecht, Umgangsrecht
in verschiedene Verfahren, wobei der eine Richter nicht weiß was im anderen Verfahren
"verhandelt" wird. Das führt zu Doppelarbeit und das Ganze geht aus den Augen.
Die Trennung nach Descartes kann zu etwas führen, aber wenn sie schlecht gemacht ist,
nicht. Darauf noch "den Fortschritt" auf das alte Vehikel zu setzen, das ist wie
die Auto-Industrie, bis ein anderer kam, und den Verbrenner einfach überholte. Siehe den
Seiltänzer bei Nietzsche.
Gerade weil das Wort Fortschritt häufig bloße Floskel ist, kommt es darauf, es zumindest
hin und wieder konkret zu verwenden, z.B. hinsichtlich der Förderung von Vielfalt,
natürlich nicht nur im Familienrecht, sondern auch bspw. in der Landwirtschaft: Warum
überlässt man es den Faschisten und Anthroposophen ihre völkische und spinnerte
Siedlungspolitik zu betreiben und schafft keinen klaren rechtlichen Rahmen zur Förderung
ökologischen Landbaus auf naturwissenschaftlicher Grundlage zur Förderung biologischer
Vielfalt statt ideologischer oder industrieller Einfalt? Das Recht ist dabei stets nur
Hilfsmittel und nicht Selbstzweck. Ich bin gespannt, ob es dem Grünling Özdemir gelingen
wird, die Phalanx der Macht in Landwirtschaft und Gesellschaft hinsichtlich unserer
unsinnigen Ernäherungsgewohnheiten auch nur ein wenig anzukratzen.
Ach ja, bin ich hier in einem Sozioweb oder gar einem
Politweb?
Fortschritt ist ein genuines Thema auch der Philosophie spätestens seit der Aufklärung.
Wenn Du kein Sozio-, Polit- oder Jurweb daraus machen wirst, bleiben wir im Philweb. Aber
was sind Worte mehr als das, was wir in sie hineinlegen?
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