Am 03.04.2024 um 08:34 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 02.04.24 um 14:14 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
einen neuen Betreff.
Es ist mir leider entgangen, dass zu diesem eine Vorbemerkung erforderlich ist. Es ist
so, als könnte/sollte/müsste etwas zwischen den zwei (Literatur und Naturwissenschaft)
besprochen werden. Teilweise mag diese Gegenüberstellung Sätze und Texte bewirken. Nur ist
schon mal ein Teil dieser Gegenüberstellung völlig falsch. Dieser würde mit dem Beispiel:
Literatur und Naturwissenschaft zum Vorschein kommen. Ein anderer Teil der
Gegenüberstellung ist in Ordnung. Etwa wenn jemand seine Bücher aufteilt in solche, die
mit Literatur zu tun haben, und solche, die mit Naturwissenschaft zu tun haben. Der erste
Blick müsste jedoch darauf gehen, dass "Naturwissenschaft" zumindest teilweise
wie in eine Art Wissensbaum ist, aus dem das Wissen abgegriffen werden kann, in dem/mit
dem es gelernt werden kann, indem die Person länger an einer Stelle bleibt. Zudem wird von
Zeit zu Zeit Neues hinein gebracht, an den Endzweigen. Der Baum wird zudem laufend
korrigiert, von Zeit zu Zeit sogar umgebaut. Dieser Baum wurde mit der Zeit fester, nur an
den kleinen Zweigen blieben die schwachen Stellen. Mit dem Namen Bourbaki wollten einige
Mathematiker die Mathematik auf eine ähnliche Weise konstruiert darstellen. Ihre Methode
half aber didaktisch wenig, das war ihnen bewusst.
Hi JH,
auf den neuen Betreff war ich ja über Dirac und Oppenheimer gekommen, wobei Dirac nicht
verstand, warum Oppie seine Zeit mit Literatur vertat. Von Dirac dagegen ist der Satz
überliefert: "A great deal of my work is just playing with equations and seeing what
they give.“ Was konnten demgegenüber Wortspielereien ergeben? Ähnlich wie Dirac
beschäftigte sich auch Einstein selten mit Literatur. Gleichwohl hatte ich 2003 meine
Ausführungen beendet zu: "Albert Einstein und Thomas Mann. Vergleichende
Betrachtungen ihrer Erkenntnisweisen.“ Weiter plante ich entsprechende Betrachtungen zu
Paul Dirac und Virginia Woolf, Heisenberg und Döblin, de Broglie und Proust, Schrödinger
und Musil, Pauli und Broch. Bin damit aber bis heute nicht zurande gekommen.
Ich sehe also einen Zugang zur Gegenüberstellung von Literatur und Naturwissenschaft durch
vergleichende Betrachtungen der Erkenntnisweisen ihrer Urheber im Kontext ihrer
Zeitgenossenschaft. Wir leben ja nicht isoliert, sondern in einer jeweiligen historischen
Epoche. Und die wirkt sich aus darauf, wie wir leben und was wir denken. Du bist da keine
Ausnahme, scheust Dich aber vor Vereinnahmungen, Gemeinsamkeiten, Zusammenfassungen. Mir
erscheinst Du geradezu als eine „Assoziationsmaschine“. Ebenso ist das Gehirn aber auch
eine „Sinnmaschine“. Welchen Sinn könnten Deine Assoziationen haben?, frage ich mich.
Wortspielerisch machst Du aus „Literatur und Naturwissenschaft“ „Erbsen und Lungen“ oder
getrennte Bücherreihen und kommst auf eine Art Wissensbaum. So hatte ich es nicht gemeint,
da ich ja von zwei Physikern ausging, die sich uneinig über den Wert von Literatur waren.
Dath lässt in seinem Roman „Dirac“ Oppenheimer im Vergleich mit der Forschungsarbeit
antworten: „Das ist dasselbe, wie wenn sich Dante hinsetzt und über seine Liebe schreibt:
'ogni intelletto di la su la' mira.' „Es bedeutet: Jeder höhere Intellekt
betrachtet sie.“ „Da kommt ... diese Suche ins Spiel, ... die mich eben doch sehr an unser
wissenschaftliches Arbeiten erinnert ... Das ganze Motiv dieser höheren, vergeistigten
Liebe hat bei ihm seine Wurzel in der neuplatonischen Philosophie und in deren ziemlich
abstraktem Verständnis von Erotik. Dante hat dem eigentlich nur dichterischen Ausdruck
verliehen …“ Und schon kämen wir über die vergeistigte Liebe in die Philosophie.
Idealerweise hat die Person einen persönlichen
didaktischen Baum (kladistisch/ontogenetisch zu denken), mit dem sie sich an den
geschichtlich gewordenen Wissensbaum "Naturwissenschaft" anzupassen versucht.
Dem gegenüber wäre mit dieser bildlichen Heuristik kein Baum des Wissens in Bezug auf
Literatur herstellbar, sondern ein Baum Geschichte der Literatur. Beim einen ist die
Klassifikation nützlich, beim anderen die Kladistik. Auch ein Baum "Geschichte der
Naturwissenschaft" kann zusätzlich zum entsprechenden Baum des Wissens hergestellt
werden.
Der zweite vorläufige grob gedachte Unterschied: Literatur folgt auf ein bestimmtes
Wissen, und auf Naturwissenschaft folgen Maschinen. Das ist grob so gesagt, aber so wird
der Unterschied bemerkt. Es scheint demnach ein Kategorienfehler (gemäß Gilbert Ryle) im
Betreff zu liegen.
Auf Naturwissenschaft folgt nicht nur das Funktionieren technischer Geräte, sondern auch
das Prognostizieren natürlicher Ereignisse. An dieses Wissen kann Literatur anschließen.
Drüber hinaus gibt es gemeinsame Erkenntisweisen, wie die bspw. zwischen Einstein und
Mann, so dass es sich nicht um einen Kategorienfehler handelte.
Oft hat auch eine inadäquate Gegenüberstellung das
Denken in Gang, nur macht nicht jeder gerne dabei mit: Was kann der Erbsenspezialist mit
dem Lungenspezialist austauschen?
Therapievorschläge, sollte einmal eine Erbse in die falsche Röhre gelangt sein.
Eine andere Bemerkung folgend auf eine
"verbotenes" Herausziehen aus dem Kontext, aus dem Geschriebenen von IT:
"Beiden gemeinsam ist das Regelbefolgen, das sich aber einmal auf Wörter, das andere
Mal auf Zahlen bezieht." Die Entgegnung wäre: "Zahlen sind Wörter. Erst wenn das
erkannt ist, kann zu den Unterschieden gesprochen werden." Hier kann jeder kommen und
sagen: "Ja, beides sind Zeichen." worauf hin ich auch nicht "ja, so habe
ich es auch gedacht" schreien würde. Nicht einmal das Wort "Wissen" brauche
ich, obwohl es oben vorkommt. Viele Wörter helfen eben als Vaihingerfiktionen. Auf
dieselbe Weise bewirkte der Betreff bei mir das vorhin Geschriebene.
Nicht Zahlen sind Wörter, sondern nur Zahlwörter sind solche. Wörter entstammen dem
Sprechen oder Schreiben, Zahlen dem Zählen oder Rechnen. Die Unterschiede ergeben sich aus
der Herkunft bzw. Konstruktion. Wesentlich ist nicht die Sprache, sondern das
Außersprachliche, Vorgefundene oder Hergestellte, das lediglich oberflächlich versachlicht
werden kann, wenn überhaupt. Und sind die Vaihingerfiktionen nicht schon im
Möglichkeitssinn Musils aufgegangen?
Ich bemerke noch etwas mit einem sehr ungenauen Satz:
"Beliebig sind nicht nur die Literaturprodukte, sondern auch die Maschinen."
Eigentlich müsste ich dem Denken des IT folgend schreiben: "In beiden entsprechenden
Tätigkeiten wird geschwafelt und schwadroniert." Vielleicht würde IT vielleicht
mindestens nachschießen mit "und so wird Geld gemacht."
Die Maschinen sind noch weniger beliebig als die der Logik folgende Mathematik, da sie
zudem zweckmäßig funktionieren müssen.
IT