Am 20.01.2021 um 23:31 schrieb Dr. Dr. Thomas Fröhlich
<dr.thomas.froehlich(a)t-online.de>de>:
Tatsächlich braucht man ein Konzept der adaptativen Annäherung semantischer Achsen - und
eine behelfsmäßige Veranschaulichung parallel und sequentiell kohärenten Prozessierens,
das durch Einschwingen imstande ist, mit anderem Vorgehen ein gemeinsames Vorgehen zu
verwirklichen.
Und hierzu haben wir das von Dir vorgeschlagene Bild des Wirbels genutzt, indem wir
sagen, ein Prozess winde sich spiralig um seine semantische Achse….
Es geht dann um dadurch gebildete semantische Volumina, die sich durch Konvergenz der
Achsen schließlich zu größeren Volumina vereinen können.
Hi Thomas,
es bleibt meine Frage nach dem rationellen Kern Eurer Unternehmung. Sind es die
"dynamic coherence providers (DCPs)"? Von einer allgemeinen "Spiraltendenz
der Vegetation“ spricht ja schon Goethe und Wolfgang Wildgen schreibt in: "Goethe als
Wegbereiter einer universalen Morphologie“: Die "Geistesströmung, für die Goethes
Morphologie und Humboldts innere und äußere Form der Sprache charakteristisch sind, ist
zwar nicht direkt, aber doch indirekt auf eine breitere Strömung heute beziehbar, deren
Kern René Thoms Katastrophentheorie ist. Zum Umfeld der Katastrophentheorie gehören eine
ganze Reihe moderner Ansätze, welche eine dynamische Gesamtsicht der Entstehung geordneter
Strukturen und der Evolution höherer lebender Systeme versuchen. Zu nennen sind die
innerhalb der Theorie dynamischer Ansätze operierenden Ansätze von Haken (Synergetik) und
Prigogine (Entstehung und Ordnung aus Fluktuationen). In einem weiteren Sinn dynamisch und
morphologisch sind auch Eigens Hyperzyklen und Maturanas selbstorganisierende Systeme
(Autopoeises). Außerdem hat die Arbeit von Berry (1982) „Breaking the Paradigms of Physics
from within“ gezeigt, dass diese „Morphologien“ im Mikroskopischen häufig vom Typ der
„Fractals“ Mandelbrots sind.“ Fehlt noch das Lorenz-Modell als rationeller Kern der
Chaosforschung, die ja zur Wiederentdeckung der Poincareschen Untersuchungen zur
Stabilität des Sonnensystems führte. All die Ansätze zusammen und noch weitere lassen sich
wohl unter „Komplexitätstheorie" zusammenbringen.
Dabei hat der Mathematiker Thom mit seiner Semiotik z.B. Einzug in die Musiktheorie
gefunden: "When no consensus can be found, the semiotic principals of Charles Morris
and René Thom should govern the adoption and development of notation. Morris’ semiotic
beliefs is built primarily on textual signs and Thom’s primarily on image and symbology.“
Das Zitat entstammt der gerade erschienenen Bachelorarbeit: "Old Instruments, New
Sounds, Same Language. The Notation, Orchestration, and Compositional Use of Contemporary
Techniques for Orchestral Stringed Instruments" by Chase Jordan. Die Musik wird ja
vielfach als Metapher für Einklang, Stimmung, Resonanz, Kohärenz herangezogen. Aber
vielleicht kann man umgekehrt aus ihr einen nicht nur rationellen Kern für
Zwischenmenschlichkeit heraus stilisieren. Ihr habt einen Zusammenhang zwischen
Narratologie und Biochemie angenommen und damit auch zwischen Physiologie und Semantik
sowie mathematischer Gruppentheorie und Typenlogik, wie ich es aus den Arbeiten
Watzlawicks zur Familientherapie in Erinnerung behalten habe. Jedenfalls ist der Versuch
einer Synthese von science and humanities ein lohnendes Forschungsfeld einer
"Universalmorphologie", die auch Komplexitätsforschung einschlösse. Neben Thom
kann Turing als Gewährsmann herhalten: In Ergänzung seiner Grundlagenarbeit "On
computable numbers“ zur Berechenbarkeit von 1936 hatte er ja 1952 über "The Chemical
Basis of Morphogenesis“ gearbeitet.
Es grüßt,
Ingo