Am 11.12.2017 um 22:19 schrieb Claus Zimmermann
<Zimmermann.Claus(a)t-online.de>de>:
Hallo Ingo,
Du redest über "das Argumentieren zur Herstellung von Einverständnis in
Freiheit". Es soll widerspruchsfrei sein, einverstanden, weil ich nicht weiß, was mir
jemand sagen will, wenn er von einem verheirateten Junggesellen redet oder davon, daß es
zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort regnet und nicht regnet. Die
Voraussetzung dafür siehst du, wenn ich das richtig verstehe, in der Nachahmungsfähigkeit,
weil wir Kulturtechniken durch Nachahmung lernen. Ich stimme insofern zu, als Erklärungen
und Begründungen erst möglich sind, wenn man schon sprechen kann, Rechenkunststücke erst,
nachdem man die Zahlenreihe nachbeten kann.
Ich möchte nur darauf hinweisen, daß nicht jeder durch Nachahmung alles lernen kann.
Nicht jeder kann Farben unterscheiden, hat ein Ohr für Musik etc. Aber das widerspricht ja
nicht der Annahme, daß Lernen Nachahmungsfähigkeit voraussetzt, daß sie also nicht erlernt
werden kann.
Wenn man als Fortgeschrittener die Techniken beherrscht und anwendet, kann man im Sinn
deines Zitats oben nicht einfach behaupten und dekretieren, sondern muss begründen und es
ist, außer in der Philosophie, auch nicht üblich oder sinnvoll, diesen Begründungen so
weit nachzugehen, bis eine weitere Begründung weder gegeben noch verlangt werden kann.
(Also nicht in ferne Welten, sondern bis zum Alleralltäglichsten).
Hallo Claus,
ja, so sehe ich das, Wissenschaft ist hochstilisierte Lebenspraxis und Argumentieren
hochstilisiertes Diskutieren. Wir sind stets eingebunden in eine natürlich vorgegebene und
kulturell entwickelte Situation, in der wir Dinge handhaben und miteinander reden. Dabei
befinden wir uns gegenwärtig in einem Technotop, sind geradezu durchdrungen von
Technologien und umstellt von Technik, gleichsam zu Techniks geworden. Sehr viel stärker
noch als das Auto seit über 100 Jahren hat das Smartphone seit 10 Jahren das Leben von
Milliarden geprägt. Es gibt bereits Baby-Tablets und womöglich auch schon
Argumentations-Apps, mit denen die Kinder das Argumentieren einüben könnten; denn ich
vermute, dass nur wenige Kleine es in ihren frühkindlichen Rollenspielen nachahmen können.
Hier wären die Kindergärten und Schulen gefordert. Und in einigen Schulen soll tatsächlich
schon das Argumentieren gelernt werden, z.B. im Deutschunterricht:
https://bildung-rp.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/Argumentieren_im_…
Ich hatte damals an einem Seminar zur Argumentationstheorie bei dem Feyerabend- und
Lorenzen-Schüler Harald Wohlrapp in Hamburg teilgenommen (der später ein Buch darüber
geschrieben hat). Seine Vorüberlegungen dazu sind in seiner Habilitationsschrift
klickbar:
https://kops.uni-konstanz.de/handle/123456789/24279
<https://kops.uni-konstanz.de/handle/123456789/24279>
Während Harald seinerzeit im Philosophenturm zu Hamburg über den „Entwurf einer
dialektischen Intercognitionstheorie“ nachdachte, wurde im Hafen der HANSAPORT gebaut, an
dem heute Schiffe gelöscht werden sollen, die nicht mehr die Elbe befahren können. Die 9.
Elbvertiefung scheint 15 Jahre nach Antragstellung nur noch durch den Artenschutz, wie
z.B. die Vorgabe zum Erhalt des Schierlings-Wasserfenchels, verzögert zu werden. Die
Analyse der Planungsgeschichte wäre ein Paradebeispiel für die Argumentationstheorie.
Es grüßt
Ingo