Am 08.11.2025 um 18:18 schrieb
tessmann(a)tu-harburg.de:
Ich hatte vor Jahrzehnten einmal die Vermutung geäußert, dass Einverständnis zumeist
durch Missverständnis zustande kommt.
Alexander Nowak zitiert in seiner KRITIK DES SUPERVALUATIONISMUS den Neo-Positivisten
Henryk Mehlbeg aus seinem Werk "The reach of science“ mit den Worten: „a term is
vague if it can be understood in several ways without being misunderstood.“
Mehrverständnis ohne Missverständnis scheint mir ebenso paradox wie Einverständnis durch
Missverständnis. Wie logisch exakt mit Vagheit umgegangen werden könnte, wird im
Supervaluationismus zu formulieren versucht, indem superwertig für wahr gehalten wird, was
für alle zulässigen Verständnisse einfachwertig wahr ist.
Im Fazit führt Nowack einleitend aus: „Der Supervaluationismus bietet eine prominente
Lösung der Sorites-Paradoxie und es darf sicherlich behauptet werden, dass er auch
durchaus den Status einer Standardlösung einnimmt, wenn es um die formale Behandlung und
Integration von semantischer Vagheit durch eine Formalisierung eines Teils der natürlichen
Sprache geht.“
Und: „Unabhängig von den traditionellen Einwänden von Seiten der Logik gegen vage
Individuen im Zusammenhang mit logischer Gleichheit", kann es möglicherweise ein
interessanter Ansatz sein, dass man nicht etwa „präzise sprachlich beschreibt, was in der
Welt vage ist (Objektvagheit/ontologische Vagheit), sondern man würde vielleicht eher
extensional präzise ein Objekt beschreiben können, das seinerseits ein semantischer
Sachverhalt ist, der gerade eben vage ist. Vagheit wäre dann immer noch semantische
Vagheit, die betrachteten vagen Objekte zumindest nicht in der gleichen Weise vage, wie
etwa einfache Individuen der Ontologie es sein würden.“
Das scheint mir ein verdoppelt vager Ausblick zu sein. Aber vielleicht hilft die
Fixpunktsemanitik weiter, die sich rekursiver selbstkonsistenter Verfahren bedient. In
„Supervaluations, truth, and intutionistic logic“ schreibt Pablo Dopico im Abstract:
"In this paper, we show how to obtain a supervaluationist fixed-point theory of truth
for intuitionistic logic. In particular, we show how to do supervaluations over Kripke
structures for intuitionistic logic, and we obtain the corresponding theories of truth,
both semantic and axiomatic. Furthermore, we show how the theory of truth changes when the
Kripke structures over which the supervaluations are defined change. Finally, we advance a
supervaluationist theory of truth that, unlike the classical case or any of the other
intuitionistic, supervaluationist theories, is compositional in nature.“
Und was ist dabei herausgekommen? „We have presented a different way of doing
supervaluations that was compositional in spirit, with the aim of showing that a
supervaluationist but compositional theory of truth was attainable. We have also proved
that such a theory really corresponds to the basic format of supervaluations over a
different forcing relation.“ Dabei meint kompositorisch, dass zusammengesetzte
Wahrheitswerte Funkionen einfacher Wahrheitswerte sein sollen und mit dem rekursiv
definierten Forcing werden Relationen zwischen Weltelementen und Aussagen hergestellt, wie
bspw. der Ausschluss des Übergangs von Weltelementen auf die allgemeine Falschheit, der
damit nicht zu den (oben erwähnten) zulässigen Verständnissen gehört.
Mich interessiert natürlich besonders der Zusammenhang zwischen philosophischer und
mathematischer Logik, d.h. inwieweit vage Sätze der Philosophie durch selbstkonsistente
rekursive Fixpunktverfahren in exakte Formeln der Mathematik überführbar werden. Zudem
kommt es mir auf Beziehungen zwischen qualitativer Logik und quantitativer Mathematik an,
d.h. inwiefern der Supervaluationismus etwa via Fixpunktverfahren auf Fuzzy-Logiken oder
stochastische Prozesse bezogen werden könnte. Nebenbeibemerkt präzisiert das rekursiv
definierte Forcing zwischen (logischen) Weltelementen und (philosophischen) Sätzen eine
Weise der Korrespondenz zwischen Sachverhalten und Aussagen.
IT