Am 02.03.2021 um 18:04 schrieb waldemar_hammel via Philweb:
ok, ok, ingo,
ich nehme das "ausdrücklich widersprechen" als im grunde unhaltbar
zurück, und führe an dieser stelle ua einen auszug der maßtheorie ein
[...]
der evolutionäre prozess besteht aus einer ungeheuren vielzahl von
sub-reaktionen und sub-prozessen, die allesamt auf höchsteigenen
maßstäben bewertet und abgebildet werden müssen, und man "misst" den
gesamt-evolutionären-prozess dann mit der ungefähren = gemittelten
"summe" der einzelprozesse-maße (geteilt durch die anzahl
einzelprozesse) - so erhält man ein ungefähres maß für einen
evolutionären gesamtprozess x, oder teilprozess y,
wobei das vernetzsein der evolutionären prozesse am ende allermeist
mehr neue fragen aufwirft, als alte beantwortet, ua weil das
menschliche hirn einfach nicht dazu geeignet ist, komplexitäten ab
einer gewissen (sehr niedrigen) stufe in toto übersehen und
verarbeiten zu können, was ua an unserem lächerlich winzigen
arbeitgedächtnis von lediglich ca 210bit liegt = nur ca 7 inputs
können wir uns "im kopf" gleichzeitig präsent halten (und bei
müdigkeit, abgelenktsein, krankheit usw sinds noch weniger = wir sind
-eigentlich- maß-los doof, mit nach unten keine grenze)
So und das ist doch einerseits Grundlage eines großartigen Plädoyers,
unausweichlich im Menschen angelegte Unzulänglichkeiten billigen zu
können/sollen!
In der Juristerei gilt Billigung als ausgleichendes Prinzip niemals
herstellbarer/verfügbarer Gerechtigkeit. Christen sprechen von
Barmherzigkeit zum Ausgleich menschlicher Unzulänglichkeit und
Fehlbarkeit. Techniker sprechen von Toleranz, andere von Nachsicht und
so weiter in diesem Sinne.
Und weil wir grad' wieder bei Christen sind (oder bei Deinem
"Dr.med.Gott"). Eine meiner Hauptkritik gegen Religion (insbes. der Art
ihrer Vermittlung) ist aber genau dieses Kleinreden des Menschen:
Luther, beispielsweise, der in seinem Glaubensfundamentalismus als Feind
von Vernunft (des Teufels Hure) und Philosophie (gegen die es zu wüten
gilt) elementar gegen dieses von Kants vermittelte „Sapere aude“ steht;
eben die Aufforderung sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, und
demzufolge der Vernunft Raum zu geben, den Menschen als selbstbewusstes
Kulturwesen im Zusammenspiel mit der Lebenswelt zu reflektieren und ihn
nicht als lediglich „göttlicher Gnade“ ausgelieferte Kreatur sehen zu
müssen.
Also diesbezüglich: Lieber Nietzsche als Luther.
Lutheranern zum Trost: Hure ist im benannten Kontext als Versucherin zu
sehen (das AT belässt das geschickterweise beim Tier – der Schlange);
Versucherin wohl deshalb, weil sie „meinet, alles was ihr einfelt, und
der Teuffel ins herz gibt, sol der heilig Geist sein“.
Hier zeigt sich – wie so oft – dass man schon genau recherchieren
(diesbzgl. Disputation „de homine“) muss und nicht „Schlagworte und
Redensarten“ unbesehen nachplappert.
Meine Grundaussage will sein, den Menschen nicht (trotz beliebiger
Unzulänglichkeiten) kleinreden, sondern im Sinne der hier zuletzt
erwähnten Optimierung kosmischer „Systeme“ (und was anderes als Kosmos
ist der Mensch? - Sternenstaub doch, oder?) als ein und durch
verbesserungswürdiges aber auch -fähiges Wesen zu sehen :-))
radioaktiver zerfall:
ja, richtig, ist fundamental, auch in seinen ableitungen, deshalb
möchte ich ihn ja einmal "deterministisch" erklärt haben
Gerard ’t Hoft, Sabine Hossenfelder ua. arbeiten beispielsweise in
der Nachfolge David Bohms noch darauf hin:
Gerard 't Hooft, "Deterministic quantum mechanics":
https://arxiv.org/abs/2005.06374 <https://arxiv.org/abs/2005.06374>
Sabine Hossenfelder and Tim Palmer, "Rethinking Superdeterminism":
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fphy.2020.00139/full
<https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fphy.2020.00139/full>
Natalia Sanchez-Kuntz, Eduardo Nahmad-Achar, "Quantum Locality, Rings
a Bell?: Bell's inequality meets local reality and true determinism":
https://arxiv.org/abs/1605.08493 <https://arxiv.org/abs/1605.08493>
ich bedanke mich erneut bei Dir für den reichlichen lesestoff oben,
den ich wirklich eifrig studieren werde (aber erwarte bitte nicht,
dass ich deine links auch später bei bedarf wiedergeben kann, denn ich
bin sowas wie ein "synthetischer denker", der sich zwar
einmal-gelesenes sehr gut merken kann (oft sogar in form "bildhaftes
gedächtnis" = ich weiß dann noch monate/jahre später, auf welcher
seite und wo etwas auf dieser seite stand, usw), aber meist nicht mehr
weiß, woher, aus welchem buch zb, es kam => deshalb meine
quellen-angaben-schwäche, die natürlich auch auf einem gerüttelt maß
an faulheit beruht, denn wer sucht, der findet gewöhnlich auch)
Auch hier ein implizit gegebenes Plädoyer für das Zugestehen von „anders
sein dürfen/müssen“.
Nicht nur vordergründig die aus anderer Perspektive (von einem
spezifischen Standort aus), sondern auch die grundsätzlich individuell,
wesenhaft anders angelegte Weltsicht bereichert die zwischenmenschliche
Interaktion; diese in einem „Interaktionsraum“ (als von Thomas
eingeführten Begriff) zu dessen notwendiger Funktion die erforderliche
Kohärenz (also ein hinreichender Gleichklang) existieren bzw.
hergestellt werden muss. Das bedeutet unweigerlich, das zu Diskutierende
(Auszutauschende) nicht stets in grundsätzlicher Verabsolutierung
darzustellen, sondern (quasi als Perspektivenwechsel) auch mal statt des
Indikativ das Konjunktiv zu verwenden.
Bester Gruß in die Runde! - Karl
PS: Joseph, Du bist nicht vergessen! Es wartet noch das
"Universalargument" auf nähere Erörterung. Ach und die Zeit, wir wollten
darüber schreiben doch zunächst fehlt sie mir grad (oder bilde ich mir
das nur ein? - Wie auch immer, ich muss aufbrechen...)