Lieber Ingo,
ja, ich bleibe der metaphysischen Tradition verhaftet :-)
Sie ist die forschende, hinterfragende, offene, Ungewissheit akzeptierende...
Sie ist nicht die (alles?) erklärende - das ist nicht mein Metier.
Beste Grüße,
Thomas
PS: das auch mit Deiner Hilfe erstellte merkwürdige Zeit- und Systemkonzept muss ich nach
Wiley Publishing reviews noch klarer gegen biosemiotische und Autopoiesie-Konzepte
abgenzen, wobei ich in manchem auch auf Whiteheads „prehension“ - Konzept zurückgreife.
Mal sehen, bin demnächst fertig damit und werde berichten.
Am 23.10.2025 um 13:13 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 23.10.2025 um 09:02 schrieb Dr. Dr. Thomas
Fröhlich über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
… seit Erfindung der Null bzw. der Leermenge hat die Mathematik die Unendlichkeit
eingefangen und eingehegt. Die bis zur Vollständigkeit gehende Entleerung lässt ein von
einer Fülle, nicht aber von einem weiteren Nichts aus denkbares Nichts zurück, mit dem aus
Sicht der Fülle gehandelt wird, als wäre es etwas.
Diese abstrakte und vollständige, gedanklich bis zur völligen Leere und entsprechenden
Beziehungslosigkeit getriebene Negation bleibt stillschweigend umgeben von einer -
ebenfalls stillschweigend - vorausgesetzten Fülle.
Dieser Fülle eingedenk ist die gedachte Leere die absolute Grenze einer jeden denkbaren
Fülle.
Wenn man die These der absoluten Leere verwirft, ist jede Grenze die zu einem anders
gefüllten, aktuell nicht in den Blick genommenen Fokus.
Moin Thomas,
Du drückst Dich zumeist ebenso romanhaft metaphorisch aus wie Karl. Vom Einhegen der
Unendlichkeit durch die Null oder Leermenge in der Mathematik zu schreiben; was trägt das
zum philosophischen Verständnis bei? Eingefangen im wörtlichen Sinn wird die Unendlichkeit
durch unendliche konvergente Reihen und Funktionen. Der Mengenlehre bedarf es dafür nicht
und die Rechenregeln der ganzen Zahlen (einschließlich der Null) folgen aus der
Übertragung der arithmetischen Struktur von den natürlichen auf die ganzen Zahlen per
Abstraktion durch Äquivalenzklassenbildung.
In der Genesis taucht eine absolute Leere alias
tabula rasa nicht auf, sondern eine nicht oder nicht so geordnete Mischung nicht
voneinander zu unterscheidender, diffuser, ineinander verschwimmender Inhalte, auf die ein
die Inhalte ordnender, indem scheidender Zugriff erfolgt. Der Zugriff ist ein Handeln, und
bringt die scheidende Kraft der Zeit ein. Dabei gewinnt die Unterscheidung Kraft auch im
Sinn einer Eigenzeitlichkeit, oder eines Eigenzeitens der jeweiligen Inhalte: ein jedes
hat seine Zeit.
Im Gegensatz dazu sind die absolute Leere und die nur zahlenmäßig oder algebraisch
abbildungsmäßig in Absehung von ihrem tatsächlichen materiellen Gehalt beachtete Fülle
raum- und zeitlos.
Es war wohl kein Zufall, dass das geniale Dezimalsystem mit der Null im Kontext des
Hinduismus und nicht der abrahamitischen Religionen entstand.
Ohne Rückgriff auf die Fülle als den Inhalt, und
ohne Anerkenntnis der Tatsache, dass eine absolute Leere zwar denkbar, aber eben nur
denkbar und nicht wirklich ist können Zeit und Raum nicht gedacht und gedanklich
berücksichtigt werden.
Eine Numerik ohne die Null dagegen kann aufgefasst und betrieben werden als Fokussierung
auf allem Identifizierbaren gemeinsame Aspekte oder Rollen, und das ist der ihrer sich auf
sie als umgrenzte, gegen andere Inhalte unterscheidbare jeweilige Ganzheit beziehende
Aspekt der Zählbarkeit als solcher. Sie bezieht sich auf - jenseits der Leermenge - auf
Inhaltlichkeit als solcher, also auf das abstrakte Faktum, überhaupt Inhalt zu haben.
Konstruktive wie axiomatische Mathematik bedürfen keiner Metaphysik. Was missfällt Dir am
Verständnis des Zahlenuniversums aus dem schlichten Zählen heraus durch fortgesetzte
Abstraktion per Äquivalenzklassenbildung? Und natürlich gibt es auch eine „Poesie der
Zahlen:" Oswald Egger nähert sich der Mathematik auf der „Ars Mathematica" aus
der Sprache heraus. "In seinem Beitrag „Die Welt in der Welt: p-adische Poetiken in
Syzygie“ erforscht er, wie sich mathematische Ideen, etwa das Konzept der so genannten
p-adischen Zahlen, einer alternativen Zahlenwelt, poetisch fassen lassen. Für Egger sind
Mathematik und Literatur verwandte Denkbewegungen: Beide arbeiten mit Mustern, Abstraktion
und Transformation. Seine Texte übersetzen mathematische Strukturen in sprachliche Bilder
und zeigen, dass Präzision und Imagination keine Gegensätze sind."
Gedankliche Absehung vom Faktum der
Inhaltlichkeit als solcher ist dem Menschen jenseits der frühen Kindheit durch weder durch
empirische, das heißt begrenzt verfügbare Zeit noch durch empirischen, das heißt begrenzt
verfügbaren begrenzenden Raum eingeschränkte ideelle Fortsetzung einer gedanklichen
Bewegung möglich. Die Gedanken sind frei. Und hier gelingt die Konstruktion von Inhalten,
die auch das Gegenteil von Inhalten ein sich eingeschlossen enthalten - womit wir wieder
am Ausgangspunkt der Argumentation (Uroboros) wären :-)
Ja, die Gedanken sind frei, sind aber zu präzisieren, wenn sie verstanden und
nachvollzogen werden sollen. Ebenso wie Karl, scheinst Du von den philosophischen Wenden
nichts zu halten und nach wie vor der metaphysischen Tradition verhaftet zu bleiben.
IT
_______________________________________________
PhilWeb Mailingliste -- philweb(a)lists.philo.at
Zur Abmeldung von dieser Mailingliste senden Sie eine Nachricht an
philweb-leave(a)lists.philo.at