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Am 10.02.2020 um 17:40 schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Am 10.02.2020 um 16:26 schrieb Karl Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Nun ja, wenn man die Angelegenheit ausschließlich unter humorvollem Aspekt sehen will und
kann, lohnt sich kein Einspruch, natürlich!
Für mich hört der Humor jedoch dort auf, wo ich mich aufgrund dieser
politisch-ideologisch gefärbten Geschmacklosigkeit verpflichtet fühlen sollte, eine
mehrheitlich! bzgl. Umwelt- und Gesellschaftsverhalten integere Generation (wenngleich
auch nur bestmöglicher Absicht folgend) unserer Väter und Mütter gegen derartige
„Unflätigkeiten“ zu verteidigen. Ich bleibe dabei: Mein Vater und viele (also
mehrheitlich) seiner Zeitgenossen waren und sind keine „Umweltsäue“.
Damit will ich nicht sagen, ich würde den eigentlichen Hintergrund Deiner Argumentation
nicht verstehen oder gar leugnen; nur eben finde ich besagte Art der kollektiven
Stigmatisierung der Kriegs- und Nachkriegsgeneration unerträglich wie ungehörig, zudem man
Kindern (Chorsänger) diese absurde Zuschreibung zu singen aufnötigt.
Hi Karl,
damals war es der Nazi-Vorwurf der Kinder den Eltern, heute ist es der Umwelt-Vorwurf der
Enkel den Großeltern gegenüber. Und beide Male wollen sie es nicht gewesen sein. Mich hat
das schon damals auf die Palme gebracht. Aber vielleicht hilft es, wenn wir das Thema
neutraler behandeln, indem ich frage: Inwieweit diskriminiert ein statistisches Urteil
über die Mehrheit die Abweichler?
Es grüßt,
Ingo
Das Thema neutraler behandeln, verlangte jedoch gerade eben die Unterscheidung
benannter Generationen von Eltern und Großeltern zwischen bewusst (im Sinne einer zu
kritisierenden Handlungsmaxime) agierenden Personen und jenen, die ihre Lebensweise
lediglich dem Zeitgeist oder auch sog. Sachzwängen folgend gestaltet haben oder sogar
anpassen mussten. Man mag Letztere als Mitläufer brandmarken, für eine pauschale
Diskriminierung sollte es nicht ausreichen, wollte man dem zuzeiten vorherrschenden
Gesellschaftsusus besehend, billigende Umstände gelten lassen.
Und so sind wir wieder bei der Religion: Pharisäer waren es, die diesen Jesus in der Falle
sahen, angesichts der in flagranti beim Ehebruch ertappten Magdalena: „wir können nicht
anders“, skandierten die scheinheiligen Moralisten, „als die Ehebrecherin zu steinigen“.
Und Jesus clever: wer von euch ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein. So ist‘s
überliefert aber viel eingängiger, deutlich die Scheinmoral entlarvender, in Nikos
Kazantzakis‘ Roman „die letzte Versuchung Christi“ beschrieben und im (auf diesem Buch
aufbauenden) Film hoch emotional dargestellt: der Anführer jener Anklagenden hatte schon
den Stein in seiner Hand zum Wurf gehoben, als ihm ausgerechnet einer seiner Gefolgsleute
mit dem Hinweis Einhalt gebot: Du kannst nicht werfen, bedenke dein Vergehen von dem nur
wir beide sehr sicher wissen (sinngemäß).
So bleibt für uns die Frage: aufgrund welchen „Fehlverhaltens“ werden uns unsere Kinder
und Enkel einst verurteilen?
Bester Gruß für Dich und in die Runde! - Karl