Am 31. Juli 2022 00:21:34 MESZ schrieb "Joseph Hipp über PhilWeb"
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 30.07.22 um 22:37 schrieb waldemar_hammel:
Joseph Hipp über PhilWeb schrieb:
Am 30.07.22 um 19:21 schrieb waldemar_hammel:
einiges, bei dem er das Wort Aufmerksamkeit brauchte. Was ist das? Wer ist aufmerksam?
Der Ghost in the machine? Das Gehirn? Die Zellen? Im immateriellen Geist? Wo ist die
Aufmerksamkeit? Ist es gar ein Vermögen, neben, oder als Ersatz für das ebenso fragwürdige
Bewusstsein? Und wo ist das Ich? Wie kann es aufmerksam sein? Waldemar hat noch weitere
Wörter verwendet, die mir ebenso fragwürdig sind. Übrigens erwarte ich auf die Fragen
keine Antwort.
hallo joseph,
mit "aufmerksamkeit(steuerung) " im rahmen der Libet-geschichte meine ich ganz
einfach:
wenn ich mein wachbewusstsein mit meinen sinnesorganen kopple, und dann beides auf die
außenwelt konzentriere,
zb auch, um vom hirn geplante handlungsabläufe feinzutunen und/oder zu kontrollieren,
damit nichts anbrennt, und ich zb eine treppe hinuntergehen kann,
und nicht stattdessen hinunterfalle
aufmerksamkeit = wachbewusstein + sinnesorgane auf die außenwelt (oder bereiche
derselben) konzentriert (und verengt, was ein zusatzproblem ist)
* wo ist das ich währenddessen? das wissen wir doch, es sitzt derweil als kleines
männlein in der epiphyse, bemüht, irgendwie richtung großhirn zu krabbeln,
weil das bewusstsein ungefähr so geheimnisvoll ist, wie dass in pfirsichen pfirsichkerne
sind (was uns ja immer maßlos überrascht)
wh.
Hallo Waldemar,
ich zweifle nicht daran, dass du bei jeder Sache, die du so erlebst, etwas meinst bzw. zu
meinen vermeinst. Und ich zweifle auch nicht dass du die Sache dann einfach meinst.
Problem sind ja die Wörter. Wie könnte ich mit den Wörtern, die du so schön benutzt,
dieselben Sache denken können. Zudem habe ich noch meine eigene Wortwahl und
Beschreibungssprache und müsste deine Gespräche in ein mir nützliches Gespräch übersetzen.
Allein die Übersetzungsarbeit wäre umfangreich. Und am Ende wäre es jeweils nicht sicher,
dass ich dann dieselbe Sache denke. Du siehst, dass ich mich bei Kleinigkeiten nicht an
sprachliche Konvention halte, ein Beispiel ist das "ich denke die Sache", statt
konform: "ich denke an die Sache". In meiner Sprache habe ich die Möglichkeiten
nicht, die du alle hast, und die Möglichkeiten, welche die Literaten haben, Ingo hätte
weitere Namen für andere Personen. Ein Beispiel: Ich kann nicht sagen: "ich
konzentriere mich auf die Außenwelt." Das geht gar nicht bei mir. Denke einmal kurz
an die Statue des Condillac. Er hat die einfachen Sätze am Anfang geschrieben, gemäß denen
ich wie die Statue denke. Kurz auf seine ersten Sätze fällt er auf die
Vergleichsmöglichkeit, die er beim Betrachter, also bei sich selbst vorhanden denkt. Sogar
diese scheinbar einfache Instanz ist mir fremd. Gemeinsam haben wir, du Waldemar und ich,
und auch andere, dass wir der Zirbeldrüse nicht allzu viel zumuten. Ich habe jedoch viel
mehr Probleme: Meine Organe sehe ich nicht, mein Bewusstsein erfahre ich nicht, usw. Ach
ja, ich weiß noch was zur Aufmerksamkeit zu sagen. Hier ist mein Gedankengang, den ich vor
langer Zeit hatte, ich versuche ihn hier hervorzukramen:
Sache1
Wenn eine Person vor einem Bild steht, es betrachtet, ist es sprachlich korrekt zu sagen,
dass sie aufmerksam auf die Teile des Bildes schaut. Und die Aufmerksamkeit wird mit
Fundstücken auf dem Bild sozusagen belohnt. Es geschieht etwas, was als Spiel, mit
interner Finalität bei ihr gedacht werden kann. Scheinbar bestimmt sie, wohin sie schaut.
Jede Sache, welche die Person findet, ist scheinbar eine Belohnung für die
Aufmerksamkeit.
Sache2
Nun könnte gefolgert werden: Immer wenn etwas Neues auf dem Bild erkannt wird, war vorher
eine Aufmerksamkeit vorhanden bzw. aktiv. Es könnte auch sein, dass es gewissermaßen einen
Spannungsabfall gibt, wenn etwas Neues gefunden wurde. Sozusagen ein kleines Aha-Erlebnis.
Auch das würde auf eine Aktivität hin deuten.
Sache3
Dasselbe Geschehen liegt beim Musik-Zuhören vor. Die Person verfolgt die Musik, hier
wählt sie selbst nicht, sondern sie wartet auf die nächsten Noten, die sie enttäuschen
können oder ihr Freude oder sonstwas bei ihr zur Folge haben können. Scheinbar wird das
was außen kommt mit dem was innen erwartet wird, verglichen.
Sache4
Dasselbe Geschehen liegt auch noch bei vielen anderen Sachen vor. Und hier ist ein
Zusammenhang mit der Glückstheorie. Aber frage mich bitte niemand, was das sein könnte.
Sache5
Nun kann gedacht werden, dass immer wenn etwas gemerkt wird, vorher eine Aufmerksamkeit
war.
Sache6
Wie ist es aber, wenn beim Zuhören von Musik eine Tür zuknallt? War die Aufmerksamkeit
auch auf das Türknallen gerichtet? Wenn ja, müsste für alles Mögliche eine Aufmerksamkeit
vorhanden sein. Wenn nein, müssten zwei Arten der Zuwendung benannt werden. Die eine wäre
vermutlich mit dem Wort Aufmerksamkeit zu denken, die andere vielleicht mit dem Wort
Störung. Oder es müsste dann eine zweite Art Aufmerksamkeit für alle möglichen Störungen
vorhanden sein.
Sache7
Husserl teilte bekanntlich die einfachen Sachen, die für eine Person geschehen, in
gerichtete und einfach geschehende auf. Diejenigen der Aufmerksamkeit hätten ein Ziel, die
anderen nicht. Ziemlich sicher dachte Husserl nicht an "Störung" vs.
Aufmerksamkeit, sondern an "einfaches Geschehen" vs. Aufmerksamkeit. Dadurch
wird die Sache insgesamt nicht einfacher. Wenn diese sieben Sachen gedacht werden, kann es
sein, dass jedes Gespräch mit dem Wort Aufmerksamkeit sozusagen auf das Glatteis führt.
Sache8
Nicht nur die Mensch-Tierart, sondern auch andere Tierarten sind der Aufmerksamkeit
fähig. Kann auch eine Maschine aufmerksam sein? Eine erste Störung, das Wittern einer
Gefahr kann bei einem Tier bewirken, dass es aufmerksam sucht, wo die Gefahr ist.
Aus diesen Gründen kann ich den Satz "Ich bin aufmerksam auf etwas." nicht
sagen. Ich freue mich für denjenigen, der das kann, ich kann es leider nicht. Also freue
ich auf das, was du geschrieben hast, obwohl in deinen Sätzen weitere Probleme für mich
vorliegen, ich freue mich, dass das alles für dich nicht problematisch ist:
Ich würde bei diesem Ausdruck z.B. an eine Katze denken, die mit gespannter
Aufmerksamkeit vor einen Mauseloch sitzt und hätte überhaupt keine Bedenken, ihn zur
Schilderung dieser Situation zu verwenden. Ich finde diesen Ausdruck sozusagen ganz
unschuldig und verstehe die Problematisierung nicht.