Lieber Ingo,
Danke für Deinen Hinweis auf Zitterbewegungen: Das Wort beschreibt die Qualität einer
Qualität namens Elementarteilchen, und diese Qualität hat quantitative, in Formeln
wiederzugebende Aspekte. Andere Qualitäten haben andere quantitative Aspekte oder sind
nicht sinnvoll auf Maß-Skalen abzubilden.
Das heißt, die jeweilige quantitative Abbildung gilt nur für die jeweilige
Qualitäts-Klasse, im Fall der Zitterbewegungen also nur für die Qualität
„Elementarteilchen“.
Für diese Qualität kann ein Eigenzeiten und Eigen-Raum postuliert werden.
Das Problem, das mich beschäftigt ist, wie das Eigenzeiten einer Qualität mit dem
Eigenzeiten einer anderen Qualität ein erweitertes Eigenzeiten zweier „sinnvoll“
kommunizierender Qualitäten schafft. Falls dieses Kommunizieren überhaupt gelingt, dann
lässt sich dieses erweiterete Eigenzeiten unter Umständen in von außen angebrachten
Meßskalen abbilden. Diese gelten wieder zunächst nur für die teilnehmenden Qualitäten und
Qualitäts-Klassen, und so weiter.
Die Idee, dass alle denkbare Qualitäten aus einer Zusammensetzung allen gleicher
elementarer Qualitäts-Bausteine bestehen und aus der Summenbildung dieser
Elementar-Qualitäten abschließend und umfassend aufzufassen sind - diese Idee ist schlicht
falsch, weil sie das Qualität-Sein in nicht zutreffenden, nämlich rein quantitativen -
rein umstandslos addierenden, Summen-bildenden Operationen begründet sieht.
Mit anderen Worten: jeweiliges Eigen-Sein und Eigen-Agieren lässt sich nicht
elementarisieren, sondern bildet eine jeweilige Wurzel möglicher Verwirklichungen je
eigener Art.
Primär sind diese Wurzeln Qualitäten, (z. B. die Qualität „Elementarteilchen“), sekundär
kann man an manche Verwirklichungen externe Skalen anbringen und Verwirklichungen auf
diese Skalen abbilden, das gilt aber nicht für alle und manchmal für garkeine dieser je
eigenen Verwirklichungen.
Der algebraische Zugang ist dabei umfassender als der mit Zahlen operierende, und der
sprachliche Umgang ist der umfassendste, der uns zur Verfügung steht, weil er nicht nur
die Quantitäten identifizierbarer Qualitäten, sondern auch diese Qualitäten zu benennen /
zu identifizieren / in einen (zunächst sprachlichen) Kontext einzubetten vermag.
Viele Grüße,
Thomas
Am 09.03.2021 um 12:05 schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Am 07.03.2021 um 13:38 schrieb Dr. Dr. Thomas
Fröhlich via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Es gibt Parallelen im Begriff der actual occasions und in der Kritik an der
Substanz-Ontologie bei Whitehead,
Hi Thomas,
bei mir liegen die Bücher Whiteheads ebenso wie die Batesons seit den 1970er Jahren
irgendwo ungelesen herum. Beide Autoren werden bis heute immer wieder in der
Ökologiebewegung erwähnt, aber wer hat sie schon gelesen? Alles aus sich selbst und der
Umgangssprache heraus entwickeln zu wollen, scheint mir ein sinnloses Unterfangen; denn
was hat unser Umgang miteinander schon mit dem Leben zwischen Mikro- und Makrokosmos zu
tun? Das erschließen offensichtlich nur mathematische Strukturen. Und obwohl Whitehead
Mathematiker war, hat er seine Prozessphilosophie allein aus der Umgangssprache heraus zu
formulieren versucht. Ein mir unverständliches Vorhaben; denn schon unsere Sinne vermögen
ja Millionen von Farben, Klängen und Gerüchen zu unterscheiden, aber wie viele Worte haben
wir dafür? Und wie nuanciert ist unsere jeweilige Stimmung bzw. „Gestimmtheit“ im
Vergleich mit den wenigen sprachlichen Gefühlsausdrücken dafür? Schon unser Alltagserleben
wird umgangssprachlich extrem übervereinfacht, wie kann man sich da anmaßen irgendetwas
weit darüber hinaus gehendes rein sprachlich erfassen zu wollen?
„Kohärenzen“ oder "actual occasions“, die nicht nur wortreich der Phantasie ihrer
Autoren entspringen, sehe ich bspw. eher in den fundamentalen „Zitterbewegungen“ der
Elektronen, die noch nicht nachgewiesen werden konnten, aber bereits 1930 von Schrödinger
vermutet wurden. David Hestenes schreibt einleitend in: "The zitterbewegung
interpretation of quantum mechanics“ im Abstract: "The zitterbewegung is a local
circulatory motion of the electron presumed to be the basis of the electron spin and
magnetic moment. A reformulation of the Dirac theory shows that the zitterbewegung need
not be attributed to interference between positive and negative energy states as
originally proposed by Schroedinger. Rather, it provides a physical interpretation for the
complex phase factor in the Dirac wave function generally. Moreover, it extends to a
coherent physical interpretation of the entire Dirac theory, and it implies a
zitterbewegung interpretation for the Schroedinger theory as well.“
Interessant dabei ist, dass die Elektronen beim „Zittern“ einer Uhr gleich ihr eigenes
Zeitmaß generieren. David schreibt dazu in „Reading the Electron Clock“ im Abstract:
"If electron zitterbewegung is a real effect, it should generate an electric dipole
field oscillating with the zitterbewegung frequency 2 m_e c^2 / h_bar (10^21 Hz). The
possibility of detecting it as a resonance in electron channeling is analyzed.“ Da die
elmag. WW alle chem. Reaktionen basiert, wären das doch wahrlich dem Leben zugrunde
liegende „Kohärenzen“ oder "actual occasions“. Mit einer an Grassmann anknüpfenden
"Space Time Algebra" (STA) hat David aus der Zitterbewegung ein ganzes
Forschungsprogramm gemacht. Im letzten Jahr wurde Oersted gedacht, der 1820 die Wirkung
von Elektrizität auf eine Magnetnadel entdeckt hatte. Und was haben daran anschließend
Maxwell und Einstein, Dirac und Feynman mathematisch nicht alles daraus gemacht? Und wie
weit wären sie gekommen, wenn sie bloß darüber geredet hätten?
Ich frage mich, warum Philosophen nicht an derartigen Fundamentalprozessen anknüpfend
eine Prozessphilosophie entwickeln. Die wäre dann nicht nur wortreiche Phantasterei,
vielmehr eine durch Formalismen gestützte Theorie, die im Prinzip sogar empirisch testbar
wäre. Dabei könnten die (Elektronen-)Kohärenzen als Knoten von Spin-Netzwerken verstanden
auch zu den aus ihnen in der LQG formulierbaren Flächen- und Volumen-Operatoren beitragen.
Somit entsprängen Zeit und Raum allererst mathematischen Strukturen interpretiert durch
physikalische Theorien. Und deren Konsequenzen reichen ja heute bis in die Arztpraxis,
wenn wir an die vielen hochgenauen Analyse-, Diagnose- und Therapie-Methoden denken.
Hinsichtlich eines physiko-bio-psycho-sozialen Medizinmodells sähe ich es also kreisförmig
gestaltet, wobei die dem sozialen Kontext erwachsende Medizintechnik rückwirkend die
fundamentalphysikalischen Prozesse verkörpert, während diese hinwirkend ihre
Funktionalitäten ermöglichen; ein sich allerdings nicht nur sprachlich um den Patienten
aufspiralender Wirbel. Und im physiko-bio-psycho-sozialen Alltagsmodell spiralt sich
natürlich alles ums Smartphone.
IT