Am 30.10.2022 um 12:30 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Das ist sehr trefflich geschildert, Arnold! Kürzlich
fragte ich meine Frau (alles andere, als an philosophischen und sonstigen Gedankenspielen
oder gar Science Fiction interessiert), ob sie sich vorstellen könne, in einer
Computersimulation zu leben. „Warum nicht - das könnte doch sein“ war ihre Antwort.
Tekmarks „mathematical universe“ comes in. Wo ist der Unterschied im System, wenn in
religiöser Vorstellung das Treiben auf diesem Erdenkügelchen von Gott und seinen
himmlischen Heerscharen in weiser Vorsehung vorher bestimmt ist und in anderer Vorstellung
in einem IT-Himmel ausgemachte Programmierfreaks eine Simulation programmieren und diese
in irdischer Emulation laufen lassen? Was soll man nicht alles glauben!
Moin Karl,
alle Menschen sollten wenig glauben, aber viel wissen. Wenn ich an meine
Programmiererfahrungen zurück denke, dann kam mir dabei wie von selbst der Gedanke, ob wie
meine Innenwelt auch die Außenwelt bloß eine Simulation sei. Auf die Natur bezogen
verfolgte ich die beunruhigende Ahnung allerdings nicht weiter, da mir bis heute kein
simulierter Zufall bekannt geworden ist. Da also echter Zufall nicht simulierbar ist,
werde ich kein Gehirn im Tank sein.
Später bei den Philosophen wurde mir natürlich Putmans Beweis der Unmöglichkeit eines
Gehirns im Tank von 1981 vorgeführt. Der erscheint mir ob seines bloßen Sprachbezugs bis
heute nicht plausibel; denn: Wesentliches ereignet sich sprachlos. Im Humboldt-Forum nun
aber erschien 2005 ein Artikel von Olaf L. Müller mit dem Titel: „Wirklichkeit ohne
Illusionen oder Der Abschied vom Skeptizismus“, der wie folgt kommentiert wurde:
„Seit den Matrix-Filmen streiten sich Informatiker und Laien, ob alle unsere Erlebnisse
und Eindrücke der Welt vollständig auf Computersimulation beruhen könnten. Unser Autor
behauptet, dass der Streit längst entschieden ist: durch einen völlig neuartigen Beweis,
dessen geniale Grundidee der Harvard-Philosoph Hilary Putnam im Jahr 1981 publiziert hat.
Wie sich zweifelsfrei demonstrieren lässt, ist die Welt garantiert keine Illusion aus dem
Simulationscomputer.“ Wiederum sprachbezogen wird Müller nicht weiter gekommen sein als
Putnam.
Ist vielleicht jemand hier in der Runde hinsichtlich der Diskussion über das „Gehirn im
Tank“ auf dem Laufenden? Tegmark geht in seinem Aufsatz "The Mathematical Universe“
von 2007 auch auf den Zufall ein; denn: "A convincing demonstration that there is
such a thing as true randomness in the laws of physics (as opposed to mere ensembles where
epistemological uncertainty grows) would therefore refute the MUH.“
Ergänzend haben Pusey et al. 2012 in ihrer Arbeit "On the reality of the quantum
state“ die Realität der Quantenzustände nachgewiesen: "Quantum states are the key
mathematical objects in quantum theory. It is therefore surprising that physicists have
been unable to agree on what a quantum state truly represents. One possibility is that a
pure quantum state corresponds directly to reality. However, there is a long history of
suggestions that a quantum state (even a pure state) represents only knowledge or
information about some aspect of reality. Here we show that any model in which a quantum
state represents mere information about an underlying physical state of the system, and in
which systems that are prepared independently have independent physical states, must make
predictions that contradict those of quantum theory.“ Dass Quantenzustände
Wirklichkeitsbezug haben und nicht nur Information vermitteln, basiert auch die
realistischen Thesen Barads und Kastners.
IT