Am 27.10.2020 um 12:26 schrieb Ingo Tessmann:
Am 27.10.2020 um 02:05 schrieb K. Janssen via
Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ohne nun meine eigene Befindlichkeit resp. Meinung (als aktiver Diskurs-Partner) in Front
zu bringen, muss man davon ausgehen, dass Religion (unabhängig ob und inwieweit deren
Kritik berechtigt ist oder nicht) eine globale gesellschaftlich-kulturgeschichtlich
verankerte Weltanschauung ist, die bezüglich Funktion und Selbstverständnis vom
Löwenanteil der Menschheit akzeptiert und praktiziert wird.
Hi Karl und Waldemar,
„Was alle glauben, wird nicht Wahn genannt“, ließ Heinar Kipphardt einstmals den
schizophrenen Dichter Alexander März sagen. Ich aber werde weiter von Religionswahn und
Verschwörungswahn reden, auch wenn es sich gegen Mehrheiten richten sollte.
Sofern
es sich um (in Tat und Wort) real existierenden Religionswahn
handelt, muss man es definitiv so benennen und diskutieren dürfen! Von
Verschwörungswahn ganz zu schweigen.
Religion jedoch grundsätzlich als Wahn, Blödsinn, Seelentrost für
Dummköpfe zu deklarieren und mit dergleichen diskreditierenden
Attributen abzutun, noch dazu in hasserfüllter, schlichtweg nicht mehr
zu duldenden Ausdrucksform (Tötungsappell etc.) ist mir unerträglich und
der Diskussionskultur dieser Liste definitiv nicht angemessen. Zudem
zeugt derartige (von einseitig atheistischer Weltsicht geprägte)
Argumentation von einem erheblichen Maß an Intoleranz, welches exakt
jenen zugeschrieben wird, die man vernichtend kritisiert.
Was meine persönliche Einstellung resp. Meinung zur Thema Religion
anbelangt, sollte diese in den diesbezüglich zurückliegenden
Diskussionen hier klar geworden sein. Ich lasse mich aber nicht durch
undifferenzierte wie auch unsachliche Argumentation vs Religion in einen
Gesamtzusammenhang von durchaus kritikwürdigen, verachtenswerten
klerikalen Praktiken bringen. Gegen letztere habe ich seit jeher hier
Stellung bezogen.
Zuschreibungen, wie von Waldemar mir gegenüber eben vorgenommen,
/wh: "du bist praktisch als reales kirchenmitglied als wirklicher
alchemist unterwegs, und statt die sache "kirche und ableitungen" nur zu
untersuchen, lebst du sie wirklich."/
mögen im Kontext des Disputs zwar verständlich sein, bleiben aber (wie
wiederum in diesem Fall) in der Gesamtsicht unreell, wenn nicht sogar
verletzend. Eigentlich sollte die solchen Zuschreibungen zugrunde
liegende Widersprüchlichkeit auf Anhieb erkennbar sein:
Man fordert für sich resp. die Gesellschaft Freiheit der eigenen
Meinung, Einstellungen und Lebensweise (sofern diese nicht gegen Recht
und Ordnung verstößt), billigt diese aber Anderen nicht zu. Warum also
sollte ich kein Kirchenmitglied sein?! Warum unterstellt man mir, ich
würde mit der Abgabe (von durchaus nicht wenig) Kirchensteuer Unrecht in
der Welt finanzieren. Diese (undifferenziertem Moralverständnis
entsprungene) Einseitigkeit der Argumentation ist geradezu absurd!
Wie gesagt, es sollte hier meine tatsächliche (eben auch innerste) aber
auch sehr kritische Einstellung zu Religion, Kirche und Glauben klar
geworden sein. Insofern ist es schlichtweg verletzend, wenn ich somit
pauschaler Religionskritik unterworfen werde.
Betreffend Waldemars Aussage, ich würde Kirche und "Ableitungen" (was
immer er damit meint) nicht nur untersuchen, sondern sie auch leben,
kann ich nur sagen (wie hier schon des öfteren angesprochen): Unbenommen
der zu meiner Kindheitszeit gesellschaftlich grundsätzlich üblichen
christlichen Sozialisierung, habe ich mich von allen anthropomorphen,
naiven Gottesbildern, sowie von allen institutionellen, klerikalen
Abartigkeiten gelöst (insoweit lebe ich keine Kirche). Diese Ablösung
geschah jedoch, ohne meine Überzeugung (und eben nicht blindem Glauben!)
von einer mit dem Weltgeschehen verschränkten übernatürlichen Entität
(oder Substanz) über Bord zu werfen.
Und diese Entität (wir werden uns jetzt hoffentlich nicht auch noch über
die Wahl dieses Begriffs auseinanderzusetzen haben!) kann man Gott
nennen. Warum eigentlich gestehen Atheisten andersdenkenden Menschen
diese Freiheit der Begriffswahl nicht zu?! Und warum unterstellen
Atheisten religiös geprägten Menschen pauschal, für die Untaten
kriminell klerikaler Cliquen verantwortlich zu sein. Dieses kann man
eigentlich nur noch auf eine manisch verengte Sicht auf das Feindbild
Religion zurückführen.
Und um Befindlichkeiten, Fixierungen zum Thema Religion nicht zu
strapazieren, sollten wir davon hier im Forum einigen Abstand nehmen. Warum?
Du und Waldemar (und wer auch sonst noch) werden von Religion überzeugte
bzw. sich ihrer innewohnenden Religiosität bewusste Menschen nicht
überzeugen können und dies trotz allem Bezug auf objektiv geltende
Naturwissenschaft oder magisch-animistische Weltmodelle.
Der Versuch endet unrühmlich (wie gesehen) oder läuft Gefahr, in eine
nicht mehr zu beherrschende Emotionalität zu verfallen.
Und zudem: Habt Ihr, Ingo und Waldemar, jemals erlebt, dass ich Euch
von der Notwendigkeit eines Gottesglaubens oder gar von naiver
Religionsausübung überzeugen wollte?
Dieses sei noch zur Wortwahl (ELI oder Tötungsappell) erwähnt: Wir
sollten uns hier alle bewusst sein, dass es sich bei philweb nicht um
eine hermetisch abgeschlossene Diskussionsplattform handelt, sondern um
ein über das Internet aller Welt zugängliches Forum!
Darauf weise ich als Listadmin und IT-Ingenieur hin.
Doch noch einmal: Aus den Erfahrungen zurückliegender Diskussionen über
Religion bzw. daran anknüpfende Themenkreise lernend, sollten wir im
Geiste unseres üblichen Niveaus weiterhin um fairen Austausch von
Wissen, Meinungen, Thesen etc. bemüht sein, denn jede Kommunikation
dieser Art bringt uns ein Stück vorwärts.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl