Ok, dann war das wohl Leichenschändung...
Claus
Am 10. Aug. 2021, 19:19, um 19:19, Ingo Tessmann <tessmann(a)tu-harburg.de> schrieb:
Hi Claus,
ich stecke zwar im fast 4000 Seiten starken, sechsten
IPCC-Sachstandsbericht (AR6). Beitrag von Arbeitsgruppe I:
Naturwissenschaftliche Grundlagen, Version vom 9. August 2021; wundere
mich aber, dass das Lügnerparadoxon immer wieder aufgekocht wird.
Damals im Logikseminar hatten wir es mit der Typentheorie erledigt und
im Informatikseminar rekursiv ad absurdum geführt; denn die
selbstbezügliche Verneinung divergiert (bzw. oszilliert ewig zwischen
wahr/falsch), während die entsprechende Bejahung konvergiert (bzw.
immer wahr bleibt). Und was will man mehr als die Wahrheit?
IT
Am 10.08.2021 um 18:48 schrieb Claus Zimmermann
via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
[Philweb]
Ergänzung:
Wenn ich immer lüge, trifft das auch auf meine Aussage, immer zu
lügen, zu. Ich
sage damit also gleichzeitig, daß ich nicht immer lüge.
Die Aussage enthält einen versteckten Widerspruch.
Was unterscheidet das Lügnerparadoxon vom ebenfalls
selbstbezüglichen, aber nicht
paradoxen Satz "Ich sage immer die
Wahrheit"?
Er kann wahr oder falsch sein, aber es wird nicht
hintenrum gesagt,
er wäre beides gleichzeitig.
Verneint man das Lügnerparadoxon, ist das Resultat übrigens, anders
als ich
zunächst intuitiv angenommen hatte, nicht mehr
paradox-selbstwidersprüchlich. Dann wird aus "immer" "nicht immer"
oder, wie man es umgangssprachlich vielleicht ausdrücken würde "nie
oder allenfalls manchmal" und der Satz kann ganz normal wahr oder
falsch sein.
Die Entgiftung der anderen Paradoxa überlasse ich lieber Leuten, die
davon keine
Migräneanfälle kriegen.
Claus
Am 07.08.2021 um 19:29 schrieb Claus Zimmermann via Philweb:
> [Philweb]
> Um nicht eine der Joseph-Hipp-Diskussionssünden zu begehen, gebe ich
gleich zu,
daß ich nur auf einen ganz kleinen Teil dieses Beitrags
antworten kann. Es liegt an meinem Gehirnskasten. Ich habe ihn schon
bei der Lektüre rattern und quietschen gehört wie einen Motor, der
einem gleich um die Ohren fliegt. Ich bitte also um Nachsicht dafür,
daß ich sozusagen vom Standstreifen aus nur etwas zum Lügnerparadox
wiederhole, was ich schon mal gesagt habe.
> Wenn man sagt "der Satz S ist
(gleichzeitig und im gleichen Sinn)
wahr und falsch" oder "sowohl S als
auch nicht-S sind gleichzeitig im
gleichen Sinn wahr oder falsch", ist das ein Formfehler, da ein Satz
und seine Verneinung gemäß der Definition der Verneinung verschiedene
Wahrheitswerte haben.
> Nichts anderes sagt aber doch der kretische
Lügner: nimmt man an,
daß der Satz wahr ist, impliziert das seine Falschheit und
umgekehrt.
In jedem Fall ist der Satz gleichzeitig wahr und falsch. Damit begeht
er einen Formfehler und mehr scheint mir an der Sache nicht dran zu
sein.
> Er begeht ihn nur unauffälliger als bei
offener Voraussetzung der
gleichzeitigen Wahrheit und Falschheit, indem er in einer
Doppelrolle
auftritt. Er äussert den Satz und kommentiert ihn gleichzeitig und
schreibt ihm dabei verschiedene Wahrheitswerte zu, ohne daß es
offensichtlich ist.
> Vielleicht ist das bei anderen
selbstbezüglichen Sätzen ähnlich?
> Claus
> Am 7. Aug. 2021, 18:16, um 18:16, Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at> schrieb:
>> [Philweb]
>> Einen schönen Gruß an die Liste!
>>
>> Diesmal möchte ich etwas sagen über einen bestimmten Link:
>>
https://blogandnot-blog.blogspot.com/2010/01/how-not-to-solve-curry.html
>> (Eine schnelle Einführung in die Thematik
bietet der
Wikipedia-Link:
>>
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Currys_Paradoxon&oldid=18408…)
>>
>> Natürlich mache ich mir mit diesen Zitat nicht den gesamten Artikel
>> oder gar alle Texte auf den Blog zu eigen.
>>
>> Das, wenn ich es so ausdrücken darf, Killerargument für den
>> Dialetheismus ist ja, dass er erlaubt, mit solchen Situationen wie
den
>> Lügnerparadox umzugehen ohne dabei jede
denkbare Schlussfolgerung
wahr
>> werde zu lassen. In der klassischen Logik
dagegen kann man aus
einem
>> Widerspruch im Prinzip alles herleiten.
>> Als Wermutstropfen erhalten wir dafür eine vergleichsweise
unhandliche
>> und unanschauliche Logik
>>
>> Wenn der Dialetheismus aber gegenüber einer Aussage wie "Currys
>> Paradox" ebenso auf technische Hilfsmittel zurückgreifen muss wie
ein
>> Anhänger der klassischen Auffassung, dann
scheint mir das Konzept
>> zunehmend weniger attraktiv.
>> Wenn der Fehler offenbar wirklich darin liegt, dass eine Sprache
>> Aussagen über ihre eigenen Wahrheitsbedingungen erlaubt, dann
landet
>> man logischerweise entweder bei
Metasprachen oder bei einer Art
>> Typentheorie.
>>
>> Eine andere, mögliche Herangehensweise an das Problem, scheint mir
von
>> Hrn. Prof. Dr. Hoyningen vorgebracht
worden zu sein:
>>
https://youtu.be/6BmWn0U7r14
>>
>> Das ist kurzgesprochen die Theorie, dass Aussagen der Form "A and
>> Non-A" überhaupt keinen logischen Wahrheitswert haben und daraus
>> nichts folgt.
>> Zwar müsste ein Dialetheist, um seine Theorie als richtig
>> darzustellen, auch solche alternativen Erklärungsansätze irgendwie
>> widerlegen, aber auch diese Alternative muss erklären können, wieso
so
>> etwas wie Currys Paradox auftreten kann.
>>
>> Wenn eine Form der Typentheorie sowohl das Curry-Paradox als auch
den
>> Lügner besiegen kann, dann ist sie in
jedem Fall die "stärkere"
>> Erklärung und daher vorzuziehen. Stärker meint hier, dass sie mehr
>> erklärt mit weniger Annahmen.
>> Natürlich kann auch der Dialetheist seine Idee retten, indem er
alle
>> möglichen Zusatzannahmen trifft. Nur
dürfen diese Annahmen nicht
>> willkürlich erscheinen. Ist die Theorie nur unter willkürliche
>> Annahmen zu retten, dann ist sie natürlich als Erklärung
"schwächer"
>>> als eine Theorie, die ohne willkürliche Annahmen auskommt.
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>>> Was denkt die Liste darüber?
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