Am 02.06.2024 um 23:49 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Diese Passage lässt mich an die Diskussionen hier zum
Konstruktivismus denken, eine Sichtweise, die menschliche Wahrnehmung nicht als
Erkenntnisvermögen realen Geschehens, sondern als subjektiv geprägte Konstruktion
annimmt.
Das scheint geradewegs unser Problem hier zwischen uns zu sein. Subjektive
Voreingenommenheit, resp. Prägung.
Moin Karl,
wie in der Passage aus dem Höhlengleichnis begnügst Du Dich zumeist mit Metaphern, während
ich es genauer wissen will. Warum hinterfragst Du nicht Deine Voreingenommenheit und
vermeintliche Prägung? Ich habe mich ja schon wiederholt als methodischer Konstruktivist
geoutet. Ohne Methodik bleibt Konstruktivismus bloß metaphorisch. Was soll denn eine
„subjektiv geprägte Konstruktion“ sein?
Wodurch unterscheidet sich ein Jesus als sog.
Wanderprediger von einem Sokrates, der mit seinem Sermon die Bürger auf Athener Plätzen
und Strassen nervte? Von beiden Wanderpredigern haben wir keine persönlich verfassten
Dokumente. Wo liegt der Unterschied zwischen den Evangelisten und einem Platon oder
Xenophon?
Jesus predigte, Sokrates argumentierte.
Sittlichkeit und freizügiges Zeigen von Pornofilmen im
Sexualunterricht - von welchem Wertekodex bist Du denn geleitet?
Mich leitet kein Wertekodex, sondern die Freiheitsmaxime der französischen Revolutionäre:
„Alle Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten.“ Wie alle anderen
Filme auch, sind Pornofilme ästhetisch und wissenschaftlich, aber nicht moralisch und
mythologisch zu beurteilen. Dashalb sollten sie auch nicht unter dem Deckmantel des
Jugendschutzes zensiert werden.
Yin ohne Yang? Wie lebensfremd muss man sein, um
solches überhaupt zu denken?
Was nicht zu Deiner Voreingenommenheit passt, ist lebensfremd? Alltagsbezogen mag das so
sein. Aber Feministinnen und Sexualforschende, die sich bessere Gesellschaftsformen
vorzustellen vermögen, denken schon lange über Parthenogenese und eine Gesellschaft ohne
Männer nach. Biologisch verkümmert das Y-Chromosom womöglich einmal ganz von selbst bis zu
seiner Funktionslosigkeit. Und gesellschaftlich ist die männliche Kraftmeierei durch
Technik schon lange überflüssig geworden.
Dann solltest Du diese Erklärung hinzugefügt haben,
damit überhaupt die Möglichkeit entsteht, diese Analogie als solche zu verstehen. Doch
zugegebenermaßen verstehe ich sie auch jetzt nicht. Vielleicht findet sich hier im Forum
eine Person, die mir „auf die Sprünge hilft.“
Du hattest geschrieben: „Der Junge lernt die sexuelle Rolle an der Mutter, das Mädchen am
Vater“. Und: „Die Normalität ist nach wie vor die heterogene Familienform.“ Offensichtlich
setztest Du die Familie voraus als Du vom Rollenlernen der Kinder schriebst. Verstehst Du
jetzt die Analogie? „Wenn ich die Kleinfamilie voraussetze, dann orientieren sich die
Kinder hauptsächlich an den Eltern. Wenn ich das Aktuell-Unendliche voraussetze, dann sind
reelle Zahlen überabzählbar.“
Im Gegensatz zu dieser logischen ist mir eine literarische Analogie aus den
Trisolaris-Büchern im Gedächtnis geblieben, die einem Ingenieur vielleicht eher
einleuchtet: „Die Familie ist der Bildschirmschoner des Bewusstseins.“ Das schrieb ein
Chinese über seine Landsleute. Ist es bei Dir möglich auch so?
IT