Am 12.09.2025 um 22:28 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Das ist alles gut gedacht so. Das innere Geschehen bei den Planern und Realisierern
unterliegt der Kausalität, zwar anders als die Kausalität, mit der Unfälle geschehen. Beim
Planen gibt es eventuell, und das weißt du besser als ich, Normen, die anzuwenden sind,
nur fehlen sie bei neuen Ansätzen. Der Höhe des Sicherheitsfaktors wird zwar nicht
beliebig gewählt, aber dennoch ist er oft heuristisch festgelegt. Wartung und vieles
andere kommt noch dazu. Diese Normen gehören weder dem positiven noch dem überpositiven
Recht an, die Gerichte vertrauen auf die "Experten".
Die Experten warnten vor dem Einsatz von Radreifen bei Hochgeschwindigkeitszügen (> 200
km/h). Und ein Verfahren gegen einige Mitarbeiter gab es ja auch, in dem das Gericht so
etwas wie Systemzwang anerkannte. Denn rechtskräftige Verurteilungen soll es nach GPT
keine gegeben haben, da keine individuelle Schuld nachweisbar und das Versagen eher
systemischen Charakter (Organisation, Managementkultur) gehabt haben soll. Die Rechtsakten
kenne ich aber nicht und erinnere mich auch nicht mehr an das Verfahren seinerzeit.
Und das taten
sie aufgrund der kapitalistischen Systemimperative.
Die obersten Entscheider sind wie die Ochsen in einem Gespann, der eine zieht hierhin,
der andere dort hin. Auch dort gibt es kein positives Recht, und über das überpositive
wird gestritten.
Festzustellen, wie es ist, ist einfacher als die Normen zu nennen. Allerdings ist es
einfach, auf die Fehler hin zu weisen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, und wenn
die Sache idealer vorgestellt werden kann als sie ist.
In Eschede kam ja noch dramatisierend hinzu, dass der Radreifen ausgerechnet von einer
Weiche vor einer Brücke ausgelöst zu Bruch ging. Aber was möglich ist, kann eintreten,
auch wenn es extrem unwahrscheinlich ist. Wobei Unglücksfälle wie krasse
Fehlentscheidungen generell seltene Ausnahmen darstellen, wenn bedacht wird, wie viele
Entscheidungen überhaupt ständig getroffen werden.
So ist es jedenfalls im Bahn-, Flug- und Schiffsverkehr. Beim Autoverkehr scheinen
Fehlentscheidungen dagegen weitaus häufiger vorzukommen, da sie zumeist individuell
getroffen werden und weniger Systemzwängen unterliegen. Hierzulande ist das Auto noch
immer eine heilige Kuh und es wäre undenkbar in Berlin zur Hälfte Tempo 30 km/h
einzuführen, so wie es in Helsinki möglich war — und es seitdem dort keine Verkehrstoten
mehr gab.
Du setzt bei Kausalnetzen auf Wortkombinationen, ich auf vernetzte Kausalschleifen, wie
sie in die System Dynamics eingingen, nach denen schon die Weltmodelle programmiert
wurden. Siehe dazu bspw.: „From Causal Loop Diagrams to System Dynamics Models“:
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-030-47994-7_6
Ernst Ulrich von Weizsäcker hat 2018 mit „Wir sind dran“ die „Grenzen des Wachstums“ von
1972 fortgeschrieben. Und nach den Naturforschenden haben unterdessen auch
Sozialforschende, wie Emanuel Deutschmann, gemerkt, dass wir in einer
Expontialgesellschaft leben. Aber was können wir mehr tun, als uns einen Reim darauf
machen? Immerhin gibt es noch ein paar Unentwegte, die was zu tun gedenken, so wie
Extinction Rebellion; denn das 1. Prinzip der gegen das Aussterben Rebelliereden lautet:
„Wir haben eine gemeinsame Vision der Veränderung. Eine Welt zu schaffen, die auch für
zukünftige Generationen lebenswert ist.“ Dem Globen Rollback gegenüber sind sie — wie
schon die Hippies damals — zu einsamen Rufern in der Wüste geworden.
IT