Am 19.12.21 um 10:05 schrieb Ingo Tessmann via Philweb:
[Philweb]
Am 18.12.2021 um 20:35 schrieb Rat Frag
<rat96frag(a)gmail.com>om>:
[...] zur zukünftigen Verantwortungsgemeinschaft.
Was ist damit gemeint?
Hi RF,
den Anfang sehe ich im erweiterten Familienrecht, wie es im Koalitionsvertrag der Ampel
zu lesen ist: „Wir werden das Familienrecht modernisieren. Hierzu werden wir das `kleine
Sorgerecht' für soziale Eltern ausweiten und zu einem eigenen Rechtsinstitut
weiterentwickeln, das im Einvernehmen mit den rechtlichen Eltern auf bis zu zwei weitere
Erwachsene übertragen werden kann. Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft
einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr
volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen.
Wir wollen Vereinbarungen zu rechtlicher Elternschaft, elterlicher Sorge, Umgangsrecht und
Unterhalt schon vor der Empfängnis ermöglichen.“
Ich sehe es als Fortschritt an, über das traditionelle patriarchal und religiös bestimmte
Eherecht für die Kleinfamilie hinaus zu gehen und bin gespannt, ob daraus was werden wird.
Idealerweise könnte die Verantwortungsgemeinschaft eine Institution zwischen Kleinfamilie
und Kinderheim werden, in der mehrere Erwachsene mit Kindern zusammenleben könnten. Aber
die Widerstände gegen die Verantwortungsgemeinschaft dürften ebenso immens werden wie die
gegen die reproduktive Selbstbestimmung und ein über Alkohol und Nikotin hinaus gehendes
Drogenrecht; alles Bestrebungen, die bereits mit Brandt vor 50 Jahren begannen und noch
immer der Verwirklichung harren. Mich deprimiert das.
IT
Ob wie bisher oder mit dem "Fortschritt": Es ist ein Rahmen vorhanden
und es soll ein Rahmen bleiben. Und dieser Rahmen greift ein in die
Möglichkeiten der Personen. Gerade im Familienrecht. Ingo hat einen
Teilbereich ausgewählt, der zwar eng ist, aber ich kann ihn bedenken:
"'kleine Sorgerecht' für soziale Eltern ausweiten und zu einem eigenen
Rechtsinstitut weiterentwickeln"
das heißt, dass die Gängelung, die bisher im Sorgerecht vorliegt,
z.B. mit dem Ausschluss eines Elters vom Kind, der üblich ist,
z.B. der Bevorzugung von offiziell erklärten "Eheleuten" und Eltern,
z.B. dem Erbrecht, nach dem der Erbe nur zum Teil frei über sein
Eigentum verfügen kann,
z.B. dem Antragsverfahren bei Trennung, wobei der andere zum Gegner
gemacht werden muss (Dispositionsmaxime)
fortgesetzt werden soll, jeweils mit einer modernisierenden
Vorgehensweise, bei der noch mehr Faktoren berücksichtigt werden.
Das Wort Fortschritt ist in der Politik oft eine Floskel. Wenn nicht,
braucht zumindest nicht gesagt zu werden, was denn im Einzelnen geändert
werden soll. Zudem passt das Wort Fortschritt von vornherein nicht auf
das Reduzieren des Rahmens. Beim Judizieren (*) liegen enorme
Schwierigkeiten vor, die höheren und niederen Gesetze im Einzelfall
korrekt auszulegen und anzuwenden, es entstehen dabei Üblichkeiten in
Verfahren, die mit dem, was mit dem Wort Fortschritt gedacht werden
soll, bei weitem nicht geändert werden können. Auch ein "Jurweb" würde
vermutlich schnell zum Streit führen. zu vor: Wenn ich das Wort
Rechtsinstitut höre, wird mir schon schwindlig. Wie ist es mit der
bekannten Trennung von Bereichen: Sorgerecht, Umgangsrecht in
verschiedene Verfahren, wobei der eine Richter nicht weiß was im anderen
Verfahren "verhandelt" wird. Das führt zu Doppelarbeit und das Ganze
geht aus den Augen. Die Trennung nach Descartes kann zu etwas führen,
aber wenn sie schlecht gemacht ist, nicht. Darauf noch "den Fortschritt"
auf das alte Vehikel zu setzen, das ist wie die Auto-Industrie, bis ein
anderer kam, und den Verbrenner einfach überholte. Siehe den Seiltänzer
bei Nietzsche.
Ach ja, bin ich hier in einem Sozioweb oder gar einem Politweb?
Jh
* Es zirkulieren viele Wörter in Bezug auf Judikatur. Hierbei soll
gleichzeitig ein Richter, ein Gericht, Parteien, Gesetze, Recht,
Unrecht, Dispositionsmaxime, dann eine bestimmte Verfahrensweise, die
von Gericht zu Gericht anders sein kann, vorliegen. Dann zu jedem Wort
das Suffix "recht" setzen ist schon problematisch. Gibt es ein
Polygamierecht? Fehlt das? Ein Fremdgehrecht? Praktiziert wird das
Fremdgehen, die freie Liebe, die Polyamorie usw. Und wenn die Hälfte der
Personen sich nicht unter den Rahmen einordnen, was dann, ok. dann haben
sie Vorteile und Nachteile? Und wenn alle diese Wörter mit dem Suffix
vorliegen, dann können "Rechtsinstitute" gedacht werden. Die Übersetzung
in die juristische Sprache und dann dir Rückübertragung auf den Fall ist
eine intellektuell beanspruchende Sache. Und zu allem kann mehr mit
schwadroniert werden als ohne.