Am 02.02.2025 um 18:47 schrieb Claus Zimmermann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Es ist möglich, Musik industriell und methodisch herzustellen. Die schmeckt dann aber in
der Regel nach nichts. Man könnte sie mit grammatisch korrekten nichtssagenden Texten
vergleichen. Kommt der Ausdruck nicht daher, dass den Urheber etwas bewegt hat, das er in
Worte oder Klänge gefasst hat, aber nicht nach Regeln, sondern eher durch wirklich
funktionierende Zauberei (das Einschreiben eines Erlebnisses in an sich nichtssagendes
Material), die das Wort und den Klang über das Technische hinaushebt und dann auch im
Publikum etwas bewegt? Fast so wie der Lehmfigur in der biblischen Erzählung Leben
eingehaucht wird.
Den Vergleich des Verhältnisses zwischen Tönen und Tonfolgen oder Schlägen und Rhythmen
einerseits mit dem zwischen Karikaturen und Gesichtern andererseits vestehe ich nicht
ganz. Ist die Karikatur nicht auch auf der Seite einer zur Einheit gewordenen Gestalt? Die
verschiedenen Karikaturen eines Gesichts würde ich eher mit komischen Variationen über ein
Thema vergleichen.
Moin Claus,
die Karikaturen hatte ich als Extrem gemeint, alle Abbildungen von Lebendigem bleiben mehr
oder minder grobe Näherungen. Hinsichtlich der technischen Musikannäherungen werden die
Unterschiede durch geringfügiges Randomisieren nur noch für wenige Kenner hörbar. Oder
denk einmal daran, wie Glenn Gould seine Studioaufnahmen optimiert hat. Natürlich bleibt
jedes Konzerterlebnis etwas Besonderes, aber was soll darüber noch gesagt werden können?
Unser Erleben bleibt nur uns zugänglich, egal ob im Konzert, beim Hören eines
Live-Mittschnitts, beim Lauschen einer im Studio optimierten Aufnahme oder beim Genießen
einer gänzlich technischen Darbietung. Eine erlebnisbezogene Terminologie scheint mir
unmöglich. Das hatte ich ja schon mit dem Beispiel vom Schubert-Liebhaber vs. Schlagerfan
angedeutet. Ich störe mich nur an der Mystifizierung der Künste; denn alle sind nicht mehr
als Menschenwerk.
IT