(1)
moralen und ethiken sind schlichte setzungen, zu großen teilen
historisch fundiert,
und das heißt, es stecken hinter diesen regelwerken ganz praktische
zusammenlebens-erfahrungen,
(= aus der lebenspraxis abgeleitet)
die im zeitverlauf kodifiziert wurden.
daher moralen und ethiken als spielregeln einerseits durchaus sehr
praktisch und wichtig,
andererseits jederzeit veränderbar, da keine naturgesetze, sondern
menschliche setzungen,
die aufgrund neuer sachlagen und neuer rahmenbedingungen jederzeit
modifiziert werden können und DÜRFEN.
die daraus entstehende frage ist,
(1) WER dazu berechtigt sein soll/darf, solche änderungen vorzunehmen,
(2) und wer jeweils macht hat, solche abänderungen als
gesamtgesellschaftlich dann verbindlich nicht nur vorzuschreiben,
sondern sie auch society-weit durchzusetzen,
und da scheiden sich heute die geister erheblich,
weil wir nicht mehr in kleingruppen leben, sondern in
abermillionen-groß-verbänden.
meine ansicht dazu:
moralen und ethiken sollten heute weitgehend anarachisch
(sozialitäten-lokal) organisiert sein im sinne "netzwerk",
zb in form dynamischer untereinander wechselwirkender fuzzy-logiken, um
balancen zu ermöglichen.
von dabei absoluten(!) prinzipien sollte man sich dringend verabschieden,
da (1) realitäten-falsch, und (2) in großgemeinschaften nicht real
durchsetzbar.
(2)
auch die zweite frage, "ist ein verbrecher für seine tat verantwortlich"
fordert ganz praktisch-nützliche setzungen.
man unterscheidet ja, "medizinisch nicht verantwortlich", oder
"medizinisch schuldfähig", und kommt damit in reality gut aus.
der alte schicksals-begriff, also die historisch-bedingte angenommene
vorherbestimmtheit (fatalismus), ist heute weitgehend vom tisch,
indem die praxis erweist, dass jeder mensch sehr weitgehend durchaus
selbst aktiv entscheidet, was er tut und was er lässt.
auch hier allerdings keine absoluta möglich, denn die wirklichkeit ist
stets spektral = regenbogen statt weiß/schwarz.
die geschichte mit dem "freien willen" ist eher ein parodie, als ein
reales problem,
denn natürlich hat die natur ihren lebewesen KEINEN freien willen als
absolutum einkonstruiert,
denn aus überlebensgründen muss jedes lebewesen die
gültigkeitsintervalle seiner jeweiligen eigenkonstruktion einhalten,
sonst verschwindet es aus der evolution.
weitgehend "freier wille" innerhalb dieser konstruktiven
gültigkeitsintervalle JA,
(ich kann meinen kopf innerhalb der anatomischen und
neuro-konstruktionsgrenzen halten, wie ich will)
ausserhalb davon = tod.
mein freier wille ist, jetzt eine zigarette zu rauchen = ja,
mein freier wille lässt mich in den schlot eines aktiven vulkanes hüpfen
= dies ist dann mein letzter freier wille.
ich habe riesigen hunger, und jemand stellt mir ein köstliches essen hin
= wird mein freier wille es schaffen, dass ich NICHT zugreife, weil
explizit verboten?,
meine stoffwechselsensoren befehlen: essen, egal was folgt, mein überich
sagt: finger weg, es ist verboten und ausserdem straf-bewehrt dies zu essen.
hab ich ein problem ..., und nun werden randbedingungen entscheiden, wie
ich mich verhalten werde (der berühmte "flügelschlag eines
schmetterlings" etwa),
denn ich bin nicht "buridans eselchen".
der richter wird sagen "sie haben gegessen, obwohls verboten war, also
strafe",
der nicht hinzugezogene mediziner würde sagen: "der mensch war stark
unterzuckert, also hat er zugeschlagen und im hungerexzess alles
verputzt, also schuldunfähig gewesen".
mein eigenes erleben war: ich habe freiwillig nicht-wirklich freiwillig
gehandelt, denn meine stoffwechselsensoren haben meine ICH-instanzen,
mir deutlich bewusst (hungergefühl), genötigt ...
und in derselben weise gibt es sehr viele unbewusste
ich-instanzen"nötigungen" unserer physiologie und psychologie,
die meisten davon sind/bleiben, heute bekannt, sogar vorbewusst und/oder
gänzlich unbewusst,
(neuro-ökonomisches prinzip = was keine aktive aufmerksamkeits-steuerung
benötigt, wird vorbewusst/unbewusst abgearbeitet, darüber stolperten
Libets experimente)
und solche nennt man dann einfach "freier wille", weil man an der
oberfläche dazu keine expliziten begründbarkeiten findet.
die moderne esoteriken-folklore, dass die "unbestimmtheit" der
quantenmechanik das vorhandensein eines freien willens beweise, ist
völlig unsinnig,
und zeugt lediglich davon, dass, wer sowas auch nur denkt, nicht den
freien willen hatte und/oder hat, sich mit QM vertraut zu machen.
Am 01.10.2017 um 11:37 schrieb Rat Frag via Philweb:
[Philweb]
Hallo liebe Liste,
entschuldigt bitte, wenn meine Gedanken unausgegoren oder albern wirken.
Zunächst einmal: Meines Erachtens basieren die meisten ethischen
Systeme auf den Gedanken des "Freien Willens". Man macht Menschen für
Dinge verantwortlich, die sie tun, nicht für andere Dinge.
Meine Frage lautet nun: Nehmen wir an, eine neue Neuropsychologische
Theorie könnte aus Begleitumständen zwingend ableiten, wie sich eine
Person in Zukunft verhalten wird.
Wenn jetzt die Person A in den Umständen B sich befindet, dann wird A
z. B. ein Rowdy oder ein Dieb.
Können wir in dieser Situation im Ernst noch Person A für seine
Karriere als Dieb oder Knochenbrecher verantwortlich machen? Es waren
ja eigentlich nur die Umstände B, die ihn dazu führten. Er wäre als
Person für seine Handlungen ebensowenig verantwortlich wie
beispielsweise eine chemische Reaktion für ihren Verlauf
verantwortlich ist. Es liegt keine Entscheidung zu grunde.
Ein Kompatibilist könnte jetzt sagen, dass ich hier einen Denkfehler
mache. Wir haben nicht herausgefunden, dass es keinen "Freien Willen"
im Sittlichen Sinne gibt, sondern wie haben etwas neues über den
Willen erfahren. Eben das es sich dabei nur um die Neuropsychologische
Sache XYZ handelt.
Nur meines Erachtens erzwingt diese Interpretation weitreichende
Schlussfolgerungen in Bezug auf Verantwortung und Moral.
Man müsste also eine Ethik ohne Verantwortung erschaffen.
Kann mir jemand folgen?
Was denkt die Liste?
Gruß
Rat.
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