Moin Claus,
ja, worum mag es Aristoteles gegangen sein? Schon beim Syllogismus ging es ihm nicht nur
um wahre Prämissen, sondern auch um erklärende Ursachen, wie Detel in seinem Grundwissen
zu Aristoteles anmerkt. Aber inwieweit kommt die Aristotelische Ursachenlehre dem heutigen
Verständnis von Ursache nahe, die zeitlich früher, logisch hinreichend und im
naturgesetzlichen Zusammenhang mit dem Effekt stehen sollte? Aristoteles unterscheidet als
Antwort auf Warum-Fragen ja materiale, effiziente, finale und formale Ursachen. Er wollte
aufzeigen, welche Prämissen der Deduktionen in einer möglichst vollständigen Analyse
anzunehmen sind. Damit erfüllt er weder das heutige Verständnis von Ursache (in einem
Struktur- und Wirkungszusammenhang) noch kommt seine formale Ursache einem
Selbstkonsistenzverfahren nahe; kann lediglich ahnungsweise als eine Vorstufe dazu
angesehen werden.
Auf eine Entstehung aus sich selbst heraus verweist aber schon der ägyptische
Ursprungsmythos, zu dem Assmann in „Schöpfungsmythen und Kreativitätskonzepte im Alten
Ägypten“ ausführt: „Nach ägyptischer Vorstellung ist die Welt nicht aus dem Nichts,
sondern aus der Eins entstanden. Diese Ur-Eins heißt Atum. Atum ist die Verkörperung der
Präexistenz.“ Diese wird „ausgedeutet als das bewusstlose Dahintreiben des Urgottes Atum
in der Urflut, dem Nun. … Ihre klassische Ausgestaltung erhält diese Vorstellung vom Chaos
in der Schöpfungslehre von Hermupolis.“ Danach ist das Chaos „kein Nichts, kein gähnender
Abgrund (wie das griechische Wort „Chaos" es ausdrückt), sondern ein Urschlamm voller
Keime möglichen Werdens. Aus diesem Urschlamm erhob sich nach der Schöpfungslehre von
Hermupolis der Sonnengott, wiederum in spontaner Selbstentstehung, als Kind auf einer
Lotosblüte.“ Das Sonnenzeitalter begann schon vor Jahrtausenden im alten Ägypten. Aber was
ist daraus geworden?
IT
Am 09.10.2025 um 13:10 schrieb Claus Zimmermann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ein bisschen philologische Wortklauberei, um Mißverständnisse zu vermeiden: wovon redet
Aristoteles überhaupt?
Mir ist beim Lesen aufgefallen, daß seine "causae" mit unseren Ursachen nicht
verwechselt werden sollten. Ursachen und Wirkungen, so wie wir diese Ausdrücke verstehen,
müssen unterscheidbar sein, sonst könnte das eine nicht mit dem anderen zusammenhängen.
Das entspräche Aristoteles' "Wirkursache". Aber wie sollte man die
"causa formalis" als Form des Gegenstands vom Gegenstand unterscheiden?
Allenfalls, wenn man darunter z.B. die Formvorstellung eines Bildhauers versteht. (Das
könnte man mit "Form" und "Akt" in Verbindung bringen.)
Ähnliches kann man von der "causa materialis" sagen. Wie soll man den
Gegenstand vom Material unterscheiden, aus dem er besteht? Es ist ein Aspekt dieses
Gegenstands, aber nicht ein anderer Gegenstand.
Vielleicht versteht Aristoteles unter "causae" alles, was den Gegenstand
ausmacht?
Das träfe auch auf die "Zweckursache" zu. Zu einem Werkzeug gehört auch die
Verwendung, nicht nur die Materialbeschaffenheit und die Form, sonst wäre es keins. Auf
die "Wirkursache" trifft das aber nur dann zu, wenn man die Wirkung als
notwendige Folge betrachtet, was nach Hume ja sehr begründungsbedürftig wäre.