Am 31.07.25 um 10:10 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
Am 30.07.2025 um 18:19 schrieb Claus Zimmermann
über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
"Der libertäre Thiel scheint mit dem Christentum aber nichts am Hut
zu haben." (IT)
https://www.msn.com/de-ch/nachrichten/other/sie-wollen-das-chaos-aufhalten-…
Diesem Artikel entnehme ich, dass er Politik mit einer Version des
Christentums verbindet, die der Vizepräsident als "amerikanische
politische Religion" bezeichnet, was es wohl besser trifft.
Ausführlicher wird Thiels Religionswahn behandelt in „Herrschaft in
Permanenz – Zur Katechontik Peter Thiels und Carl Schmitts“:
https://philosophie-indebate.de/herrschaft-in-permanenz-zur-katechontik-pet…
Über Rene Girard kommt Thiel zur Beschäftigung mit dem christlichen
Erlösungsglauben und über Carl Schmitt zur politischen Theologie. Aber
kommt es Thiel (gemäß Habermas) auf kommunikatives Einverständnis an
oder denkt er vornehmlich instrumentell-strategisch? Es lassen sich
jedenfalls zwei wesentliche ideologische Entwicklungsphasen im Denken
Thiels ausmachen: Die libertäre orientiert an Ayn Rand und Friedrich
Hayek, die erlösungsgläubige nach Girard und Schmitt. Interessant und
aufschlussreich wäre es, die verwickelten Zusammenhänge zwischen
jeweiligen ideologischen und Geschäftsinteressen Thiels genauer zu
behandeln. Ich beschränke mich auf einen groben Anfang.
1998 ging es Thiel darum, in libertärer Absicht mit Confinity Inc.
Geldgeschäfte weitgehend unabhängig von Staat und Banken tätigen zu
können. Bekanntlich verfolgte Musk mit X.com <http://X.com> das
gleiche Ziel — und anstatt zu konkurrieren fusionierten sie beide
Firmen zu Paypal. Damit war allerdings nur ein neuer effizienter
Geldtransferdienst eingeführt, aber noch lange nicht die ersehnte
Unabhängigkeit von Staat und Banken erreicht worden. Infolge der
Anschläge 9/11 gründete Thiel dann 2003 im Vorweg zum "9/11 Commission
Implementation Act“ Palantir Technologies, um Terrorismus zukünftig
durch weitreichende und detaillierte Datananalysen bereits präventiv
begegnen zu können.
Hatte sich Thiel hinsichtlich der Geldgeschäfte schon nicht unabhängig
machen können, so verkaufte er sich mit einem milliardenschweren
Rahmenvertrag bis 2029 an das US-Verteidigungsministerium, um mit
Palantirs KI-System Maven die Datenanalysefähigkeiten der US-Armee zu
revolutionieren. Entgegen Thiels libertären Ambitionen ermöglichen
Palantirs KI-Systeme gerade den Überwachungs- und nicht den
Freiheits-Staat. Im Einklang mit seiner Abneigung gegen Wettbewerb und
der Befürwortung von Monopolen entwickelte Thiel sich dann zum
Antidemokraten im Trump-Team 2016 — als „Contrarian" entgegen seiner
Mitstreiter im Silicon Valley.
Nunmehr scheint Thiel im Kampf gegen den „Antichristen" dem
Religionswahn verfallen zu sein, wobei er mit „Antichrist die
vermeintliche Gefahr einer autoritären Weltregierung von Klima- und
Sicherheitsfanatikern“ meint und den zum Katholizismus konvertierten
Vance zum Vizepräsidenten empfahl. Damit denkt er bereits über Trump
hinaus, um die nächste Wahl mit Vance gewinnen zu können. Schmitt
folgend soll auch Thiel als „Katechontiker“ Antiapokalyptiker sein und
sich als Vertreter einer den „Antichrist“ aufhaltenden
Geschichtstheologie sehen. Thiel hat ein interessegeleitetes
Verständnis von Apokalypse und reduziert dieses auf die Ansage der
Katastrophe. Damit schürt er Ängste im Volk, die sich dann nach dem
autokratischen Führer in der Not sehnen sollen. Selbst wird ihn
hauptsächlich die Angst davor umtreiben, seine Mrd. verlieren zu können.
Im Patriarchat ist Religion wesentliches Herrschaftsinstrument und in
den USA bis heute mehrheitsbeschaffend einsetzbar. Im Unterschied zu
Vance sehe ich Thiel nicht ernsthaft dem Religionswahn verfallen,
sondern lediglich instrumentell-strategisch über Trump hinaus um die
Sicherung seiner Mrd. bemüht zu sein. Schon Konstantin wird bei der
Auszeichnung des Christentums als Staatsreligion damals beabsichtigt
haben, fortan über die Schätze in den Tempeln und Kultstätten der
anderen Götter verfügen zu können. Was ist Ideologie und was seriöse
Politik? In der Wirtschaft geht es um Profit und in der Politik um
Macht zur Sicherung des Profits. Dabei hegt Thiel nach wir vor seine
Vision von einem als Unternehmen geführten Staat. Einen Anfang dafür
sieht er im „Seasteading“.
IT
Hallo Ingo,
Wenn man nicht eine bestimmte Form des Katholizismus in den Knochen hat
(was auf Carl Schmitt nach eigener Aussage zutraf, wenn ich mich nicht
irre), ist das ganz schwer zu verstehen.
Maßgeblich für das eigene Denken und Handeln und zwar, und da wird es
m.E. bedenklich, auch in der Politik, sind dann nicht eigene Erfahrungen
und Überzeugungen, sondern Glaubensinhalte, z.B. Prophezeiungen.
Bedenklich finde ich es, weil man zwar zu eigenen Überzeugungen steht,
sie aber nicht unbedingt für das letzte Wort halten muss. Im Gegensatz
zu dem, was einem von ganz oben mitgeteilt wird.
Ist politische Theologie nicht das Gegenteil von "mein Reich ist nicht
von dieser Welt". (Ausserdem: wurden die Finanzdienstleister nicht von
einem gewissen Jesus aus dem Tempel geschmissen?)
Über das Katechon als biblisches Konzept des Weltuntergangs kann man
sich bei Wikipedia unterrichten. Daran schliesst sich vielleicht die
Frage an, was das für unsere Zeit bedeutet. Wer ist der Höllenfürst, wer
will ihn aufhalten?
Die Abneigung gegen Steuern könnte man auf Maria und Josef zurückführen,
die es bekanntlich auf der Flucht vorm Finanzamt bis nach Ägypten
verschlagen hat.
Claus
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