Am Di., 2. Nov. 2021 um 13:36 Uhr schrieb K. Janssen via Philweb <
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Die nette wie amüsante Darstellung kognitiver
Fehlinterpretationen einer
Wahrnehmung (etwa bei der Betrachtung von Kippbildern) hat definitiv
keinen Aussagewert über die größtenteils konkret stattfindende
Perzeption der Faktiziät dieser Lebenswelt. Dabei ist es unerheblich,
mit welchen Mechanismen das Gehirn letztlich diesen überlebenswichtigen
Realitätsbezug herstellt.
Dieses Argument ist, möchte ich bemerken, mir bisweilen im Zusammenhang mit
Aristoteles begegnet.
Man könnte es so formulieren: "Wir nehmen die Welt *grundsätzlich* schon
richtig wahr, es gibt aber *Ausnahmen* in Form von Sinnestäuschungen,
Träumen, Wahnsinn und Irrtum, indem irgendeine Anomalie den normalen
Erkenntnisvorgang verhindert".
Diese Idee hat (aus meiner Sicht) zwei wesentlich interessante
Implikationen:
1.) In einem hypothetischen Fall, indem wir jede Anomalie der Erkenntnis
ausschließen, würden wir mit Sicherheit richtig liegen. Das ist also genau
das Projekt, auf das Descartes, Hobbes und Spinoza waren.
2.) Da Anomalien Ausnahmeerscheinungen sind, *sozusagen links und rechts am
Galton-Brett*, können wir auch umgekehrt folgern: Was die Mehrheit der
Menschen in verschiedenen Zeitaltern als richtig betrachtet hat, das wird
deshalb wohl stimmen. Weil es ja wahrscheinlicher ist, dass eine einzelne
Epoche, eine einzelne Gruppe von Menschen die Anomalie darstellt als der
Rest.
Beide Ideen scheinen mir zumindest diskutabel.
Und wenn die Implikation falsch ist, dann sollte man zumindest mal einen
Blick auf die These selbst werfen.