lieber karl,
ich habe dir zu danken für deine untigen --ausführlichen-- ausführungen,
und ja, der etwas "schratige" und "eckige" herr niemann fehlt mir sehr
als mitschreibender hier, denn seine ideen waren sehr oft "nicht von pappe",
und ich erinnere noch sehr gut, wie er uns über diese liste morgens
anschrieb, wir sollten die tv's einschalten, es fände gerade 9/11 statt ...
h.j. niemann war (oder ist, falls es ihn noch hoffentlich gibt) kein
"radikaler relativist", wie du unten sagst, sondern das genaue gegenteil
eines solchen,
indem er den "rationalismus" sehr hoch hängte (zb auswege aus "seinem"
münchhausen trilemma", aus dem ich viel gelernt habe, wie überhaupt von
herrn niemann !)
ich danke dir auch für deinen untigen ausführlichen hieb gegen den
"radikalen konstruktivismus", der aber weitestgehend ins leere geht,
denn dieser ist keineswegs
eine (sonderbare) form von "relativismus", obwohl viele möchtegerns als
falsche erben sich relativistisch-weiterspinnend daran gehängt haben, zb
luhmann und gesellen,
und der RK ist auch keine "ideologie" (ich selbst bin allem
ideologie-formen feind), sondern im grunde nur die erkenntnis, das alle
unsere "realität" = unser zugriff auf realität,
auf den zugriff auf (vorher) hirngemachte "realität" beschränkt ist, und
dass wir mit keinem trick der welt aus dieser "enge" herauskommen
können, und wir nur hoffen können,
dass diese hirnerzeugte realität mit der "wirklichen realität" irgendwie
korrespondieren mag, wozu uns evolutionäre anpassungsmechanismen
menschenhirn+körper-umwelt einiges
"vermutungs-recht" geben, und weil ich eben nur hirnerzeugtes habe, auf
das ich referenzieren kann, nehme ich die hirnerzeugte realität für die
"wirkliche realität", was im allgemeinen
auch nicht zu großartigen widersprüchen führt, weil ich evolutionär eben
ziemlich gut "angepasst bin (adaptiert)", sodass der semantische abstand
zwischen hirnrealität und
"wirklicher realität" nicht großartig ins gewicht fällt (ich kann zb
autofahren in verschiendsten umgebungen aus "wirklicher realität", ohne
dass dabei im allgemeinen was anbrennt,
was nur funktioniert, weil meine dabei hirnrealitäten ziemlich gut mit
den "wirklichen realitäten" korrespondieren, aber dennoch fahre ich
ausschließlich in meinen hirnrealitäten,
und wehe mir, wenn diese eine zu große semantische distanz zur
"wirklichen realität" entwickeln sollten) .
diese korrenspondenz gilt aber nur, soweit die evolution arbeiten
konnte, also mich an eine "wirkliche realität" heranadaptieren konnte,
deshalb gilt das nur für den meso-skalen-bereich,
auf dem ich lebe,
im kleinsten wie im größten komme ich deshalb "unter die räder", dass
meine referenzierungen auf die hirnrealität mit den "wirklichen
realitäten" nicht mehr unter einen hut zu
bringen sind (zb quantenwelt, und (meine feste vermutung) auch kosmos
usw = die "mehr als exotische" quantenwelterfahrung auch im größten
dürfte uns, heute-nichtsahnend, noch bevorstehen)
die richtige antwort auf die berühmte frage "macht ein umfallender baum
auch lärm, wenn keine ohren ihn zu hören in der nähe sind?" ist: nein,
denn "lärm" ist ein hirn-real,
aber nach anderen hirn-realitäten werden schallwellen von diesem
ereignis ausgehen, und diese werden mit der umgebung wechselwirken, und
vielleicht das pilzwachstum
auf totholz anregen oä.
und mit:
" Mit Varela, Maturana, Watzlawick, Luhmann, Glaserfeld, v. Foerster et
al. schickten sich typische Vertreter des New Age an, einen
Paradigmenwechsel herbei zu führen, der jedoch allenfalls als Übergang
zu nunmehr wirklich neuen Sichtweisen auf die Prinzipien der
Selbstorganisation und vornehmlich selbstreferentieller
neurophysiologischer Persönlichkeitsstrukturen gelten kann. "
vermischst du falsches, indem zb luhmann zu den falschen propheten
gehört, die den RK fast ad absurdum führen, indem sie relativismen
predigen, wo garkeine sind = der RK ist kein relativismus
in irgendeiner form, RK ist auch kein new.age gemache, er ist einfach im
grund nur die feststellung, dass wir hirngemachte-realtität als "echte
realität" zwangsweise referenzieren müssen, weil uns jeder zugang
zur wirklich "echten realität" nicht gegeben ist, und additiv dazu kommt
dann noch, dass wir wie alles leben eh selbst-referentiell
funktionieren/ablaufen, was mögliche verwerfungen aus unserem
referenzieren der hirnrealität statt "echter realität" in grenzen hält,
sofern die hirnrealität mit der "echten realität" evolutionär bedingt
einigermaßen/hinreichend korrespondiert, sodass die
stets vorhandene divergenz beider mindestens sich nicht
überlebensvernichtend auswirkt = wir stehen da aber eben immer "auf
messers schneide", ein größerer fehler genügt, und wir habens
hinter uns.
---
" Die Leugnung eines objektiv kognitiven, unverstellten Zugangs zur
realen Lebenswelt durch den radikalen Konstruktivismus in seiner Annahme
einer ausschließlich subjektiven Wahrnehmung als Konstrukt des Gehirns
lässt sich im Lichte neuester neurowissenschaftlicher Forschung
schlichtweg nicht mehr halten. "
das ist wichtig. wieso das ??
unsere wahrnehmung ist doch notwendiger weise stets subjektiv, und
liefert uns lediglich ein "abbild" der realität, auf das wir dann
referenzieren, als wärs "die realität an sich", deshalb auch besteht
dieses abbild nur aus eigenschaften = semantiken, und nie aus "hardware".?.
und gerade die neurowissenschaften stützen doch die grundlagen des RK ??
wirkliche realität | unser hirn bildet diese realität ab| wir machen
ableitungen aus diesem hirnerzeugten abbild, und nie aus der wirklichen
realität, auf die wir keinerlei zugriff haben (können) =
geht "technisch" garnicht, da unser hirn in diesem zusammenhang als
"detektor" arbeitet, und unsere nachbearbeitung das bild einer nur
vermeintlich "wirklichen realität" re-konstruiert =
wir rekonstruieren uns eine nur vermeintlich "wirkliche realität" aus
dem, was der detektor hirn (mit den vorgeschalteten sinnen usw) liefert,
wobei noch dazukommt, dass unser hirn
als materiell selbst teil dieser uns unbekannt bleibenden "wirklichen
realität" ist, wir also auch zb die funktionsweise dieses hirns nur aus
den abbildern desselben in unserer subjektiven
wahrnehmung zu re-konstrieren versuchen müssen (woraus vielerlei
schwierigkeiten entstehen) = das problem, dass der detektor hirn, der
uns (nur) ein abbild der "wirklichen realität" erzeugt,
selbst zur "wirklichen realität" gehört, von der wir lediglich
(ungenaue) abbilder haben können - da kann man nur "viel spaß" bei den
entschlüsselungs-versuchen wünschen, die bei gelingen
ein quantensprung für unsere sicht auf die "wirkliche wirklichkeit"
wären ("hirnforschung" als, am ende, mission impossible, da das
eigentliche nicht am oder im hirn liegt, sondern die schnittstelle
hirn|"wirkliche realität" ist/betrifft = adapterfunktionen).
können wir, und wenn ja wie einen adapter konstruieren, der in der lage
ist "wirkliche wirklichkeit" in form eines abbildes derselben 1:1 zu
liefern? anwort: nein, denn auch dieses 1:1 abbild müsste,
selbst wenn es gelänge, um rezipiert und verstanden zu werden, durch
unser hirn laufen, und spätestens damit wäre der ganze vorherige aufwand
sinnlos.
und
" Diese optimistische, das Leben bejahende und befördernde Sicht steht
im klaren Gegensatz zu Heideggers „in die Welt geworfen sein“. Damit
verweise ich an die hier vor Zeiten geführte Diskussion zum Thema der
Willensfreiheit: Wer sich kreativ in den Kategorien des Denkens,
Sprechens und Handelns zu bewegen vermag, hat immer die Freiheit (Neues)
anzufangen. Natürlich erfolgt das nach den Regeln des „trial and error“.
Dabei kann nur jener am Leben schuldig werden, der einen erkannten
Irrtumsweg nicht verlässt; dabei ist es gleichgültig, ob Sprache oder
Handlung die Gesetzlichkeit des Lebens verletzen. "
wirf den ganzen heidegger weg, das taugt alles nix !
dass nur derjenige wirklich "schuldig" wird, der einen als falsch
erkannten weg nicht verlässt, ist allerdings 100% richtig, weil alles
leben natürlich "fallibel" ist, ABER menschen (und auch tiere)
sind durchaus gewohnheitstiere, was mit ihrem energetischen sein
zusammenhägt (aufwand/nutzen usw), deshalb verharren wir gerne alle in
unseren komfortblasen, bis wir gezwungen sind,
zb durch ereignisse, unsere blase zu verlassen, oder modi-wechsel
durchzuführen, vorher rührt sich nix, weil eben "minimale energie" auch
für lebewesen gilt =
auch lebewesen können aus naturgesetzen nicht aussteigen ...
wh.
-------
Am 26.10.2021 um 03:00 schrieb K. Janssen via Philweb:
[Philweb]
Am 21.10.2021 um 00:56 schrieb Joseph Hipp via Philweb:
[Philweb]
Nur mal einige Fragen und vielleicht auch Fragwürdigkeiten, in freiem
Schreiben (also Schwafeln):
1. Ist Schwafeln bzw. Schwadronieren gerade bei mathematischen
Aufgaben und Lösungsversuchen erforderlich, mehr noch als bei der
freien Rede der Belesenen?
2. Ich frage mich, ob das Wort Vaihinger-Fiktion überhaupt
erforderlich ist. Er wollte seine Fiktion schließlich klar von den
Hypothesen einer Wissenschaft trennen. Im einen Fall wird eine sehr
unsichere Sache in einer Sache einfach mal benutzt, dann wird
gerechnet, und wenn die Lösung vorliegt, dann wird die unsichere
Sache weggeworfen. (unsichere Sache=Fiktion). Wenn jedoch in einer
Gesamt-Theorie eine Hypothesenmenge genommen wird, die sogar
austauschbar ist, dann wird diese auch nur in der Wissenschaft selbst
gebraucht, und fällt weg, wenn sich ein anderes Thema aufdrängt. Und
aus der einen oder anderen Hypothese werden Sätze, die innerhalb der
Theorie behauptet werden, wenn andere Hypothesen genommen werden. Ich
kann mich nur so ungefähr ausdrücken. Dann wären Vaihinger-Fiktionen
doch nur Hypothesen, sozusagen für den täglichen Gebrauch. Zur
Unterscheidung in dem Sinne nehme ich das Wort Vaihinger-Fiktion auf
jeden Fall gerne an.
Schwafeln oder Schwadronieren sind durchaus negativ besetzte Begriffe,
die nicht nur deshalb in der Mathematik (sei es bei der Stellung oder
Lösung mathematischer Aufgaben) keine Anwendung finden; ich denke, das
gilt für den gesamten MINT-Sektor der Naturwissenschaft und daher gibt
es diesbezüglich kaum Diskussionsbedarf.
In allen anderen Bereichen gesellschaftlicher Kommunikation finden
sich nicht nur diese Begriffe, sondern sehr oft auch deren konkrete
Ausprägungen.
Der oftmals verwendete Ausspruch „nicht auf Worte sondern auf Taten
kommt es an“ legt zunächst nahe, gesellschaftliches Geschehen
überhaupt nur an Taten resp. an der daraus entstandenen Faktizität
bewerten zu wollen. Diese einseitige Festlegung übergeht allerdings
die Bedeutung der Verbindung zwischen Sprache und Handlung, wie das
Hannah Arendt m.E. am deutlichsten in ihren Arbeiten herausgearbeitet
hat:
„Sprechend und handelnd unterscheiden Menschen sich aktiv voneinander,
anstatt lediglich verschieden zu sein.“
Die Einheit aus Sprache und Handeln charakterisiert also die Menschen
und macht sie durch demgemäße Interaktion mit dem jeweiligen
gesellschaftlichen Umfeld erkenn- und unterscheidbar, ordnet den
Menschen als Mitglied eines sozialen Kollektivs ein, dem er sich
grundsätzlich nicht entziehen kann bzw. will, allenfalls sich – sei es
temporär oder dauerhaft - diesem auf gewisse Weise zu verschließen sucht.
Zu Letzterem werden jene neigen, deren Selbstfindungsprozess (noch)
nicht abgeschlossen ist, einerlei, ob diese Erkenntnis autonom oder
per Zuschreibung erfolgt ist. Vielleicht könnte man beispielhaft
Kierkegaard oder auch Sartre in ihren dementsprechenden
Lebensabschnitten dieser Kategorie von Menschen zuordnen, die zuerst
sich selbst in ihrer Eigentlichkeit erkennen und bewerten müssen,
bevor sie sich auf eine Art gesellschaftliche Uneigentlichkeit einlassen.
Sofern diese an sich notwendige Selbstfindung nicht hinreichend
gelingt, mündet dieser Entwicklungsprozess nicht selten in
Zwangsvorstellungen, die letztlich in einen Solipsismus
verschiedenster Ausprägung führen kann, dem nur schwerlich zu
entrinnen ist, wie sich das an Persönlichkeitsbildern von Menschen
aller gesellschaftlichen Schichten zeigt. Bei diesen Menschen wird man
i.A. keine Neigung zum „Schwafeln“ sondern ggf. eine nahezu zwanghafte
Fixierung auf ihr individuell entwickeltes Weltbild feststellen. Der
hier auch immer wieder beschworene Konstruktivismus ist m.E.
vornehmlich in seiner radikalen Auseinandersetzung mit der faktischen
Lebensrealität eine dementsprechende Ausdrucksform:
Man will bzw. kann die Tatsächlichkeit der Lebenswelt, insbes. in
ihrer Fallibilität nicht annehmen, findet daher keinen Bezug zur
Außenwelt und konstruiert daher abstrakte Gedankenmodelle, die jedoch
an der Eigentlichkeit von Welt und Leben vorbeiführen und damit zu
Deprivation vielfältigster Ausprägung führt und nicht zuletzt
lediglich einen nur ärmlichen Erkenntniszugang bietet. Somit erscheint
die reduktionistische Antwort des Konstruktivismus auf diesen
gesellschaftlichen Orientierungsverlust als verführerischer Ausweg,
der konkreten Lebensrealität (zumindest ideologisch) mit Bezug auf
jeweils individuelle Befindlichkeiten zu entfliehen.
Der radikale Konstruktivismus stellt bestenfalls einen
wissenschaftlichen Ansatz zur Erklärung bezüglich einer auf das
Individuum zentrierten Kognitionspsychologie dar, im
sozialwissenschaftlichen wie auch im real gesellschaftlichen Bereich
bieten dessen Thesen keine eindeutig plausiblen Erklärungsmuster und
haben daher längst ihre gesamtwissenschaftliche Relevanz verloren, die
sie zufolge der gesellschaftlichen Krisen vornehmlich ab den späten
1960er Jahren durchaus im Kontext der aufgekommenen interpretativen
Paradigma erworben hatte.
Mit Varela, Maturana, Watzlawick, Luhmann, Glaserfeld, v. Foerster et
al. schickten sich typische Vertreter des New Age an, einen
Paradigmenwechsel herbei zu führen, der jedoch allenfalls als Übergang
zu nunmehr wirklich neuen Sichtweisen auf die Prinzipien der
Selbstorganisation und vornehmlich selbstreferentieller
neurophysiologischer Persönlichkeitsstrukturen gelten kann.
Die Leugnung eines objektiv kognitiven, unverstellten Zugangs zur
realen Lebenswelt durch den radikalen Konstruktivismus in seiner
Annahme einer ausschließlich subjektiven Wahrnehmung als Konstrukt des
Gehirns lässt sich im Lichte neuester neurowissenschaftlicher
Forschung schlichtweg nicht mehr halten. Insoweit also die
Vaihinger-Fiktion in diese Richtung interpretiert wird, verliert auch
diese These ihre Gültigkeit.
In diesem Zusammenhang und zur Abkehr von weltfremder Sozialutopie ist
mir G.B. Shows Ausspruch gegenwärtig:
„ Life isn‘t about finding yourself, life ist about creating yourself“
und damit komme ich nochmal zu Hannah Arendt, die Sprechen und Handeln
als Initiative zu stets neuem Anfangen definiert, andernfalls man
schon zu Lebzeiten ein Toter sei.
Diese optimistische, das Leben bejahende und befördernde Sicht steht
im klaren Gegensatz zu Heideggers „in die Welt geworfen sein“. Damit
verweise ich an die hier vor Zeiten geführte Diskussion zum Thema der
Willensfreiheit: Wer sich kreativ in den Kategorien des Denkens,
Sprechens und Handelns zu bewegen vermag, hat immer die Freiheit
(Neues) anzufangen. Natürlich erfolgt das nach den Regeln des „trial
and error“. Dabei kann nur jener am Leben schuldig werden, der einen
erkannten Irrtumsweg nicht verlässt; dabei ist es gleichgültig, ob
Sprache oder Handlung die Gesetzlichkeit des Lebens verletzen.
In seinem Denken, Sprechen und Handeln erschafft sich der Mensch
idealerweise quasi immer wieder auf‘s Neue. Dieser jeweilige Neubeginn
drückt sich auch im Sprechen aus, obgleich der Bezug zwischen Anfangen
und Handeln enger ist. Selbstreferenz ohne Neubeginn und Außenbezug
bedeutet tot sein schon im Leben.
Zurückkommend auf „Schwafeln“ würde ich daher festhalten wollen, dass
sich daraus eine dementsprechende Sprache-Handlung-Beziehung herleiten
lässt, d.h. wer dem Leben verantwortlich im jeweilig sozialen Umfeld
kreativ handelt, wird kaum zu den Schwaflern dieser Welt gehören.
Nun noch zu Libets Experimant und den daraus abgeleiteten
Feststellungen zum freiem Willen:
Mit dem Verweis von Joseph auf ein Dokument zum Thema (Dissertation
von Mechthild Maria Haake) wird durch diese kompetent ausgeführte
Arbeit deutlich gemacht, dass die aus Libets Experiment abgeleiteten
Schlussfolgerungen zum sog. Freien Willen (wie sie sich bis heute
offensichtlich hartnäckig halten) schlichtweg unhaltbar sind. Zu
bedenken ist dabei, dass Libet selbst mit seinem Experiment nicht die
Willensfreiheit infrage gestellt hat.
Erstaunlich genug, dass bezüglich der Diskussion um die sog.
Willensfreiheit immer noch und immer wieder auf dieses Experiment
abgehoben wird; Erstaunlich vor allem deshalb, weil die bei diesen
Versuchen abgeleitete Hirnaktivität (Bereitschaftspotential) zwar mit
neurologisch-technisch hinreichend exakten Methoden gemessen wurde,
hingegen der definitiv zu korrelierende Wahrnehmungs-Zeitpunkt der
Willensempfindung nur durch Introspektion der Versuchsperson zu
ermitteln war. Aus dieser (eher künstlich) konstruierten
Versuchssituation kann unmöglich eine generalisierte Aussage zur
Existenz eines freien Willens entwickelt werden, da die (objektive)
Verlässlichkeit der subjektiven Wahrnehmung genuiner Intentionalität
nicht im streng wissenschaftlichen Sinne gegeben ist.
Dieses Experiment entsprach eher plump angelegter Empirik, hat aber
zu nachfolgenden Versuchen geführt, die unter verbesserten
Versuchsanordnungen (Umgehung des Libetschen Modalitätsproblems,
Demand-Effekte etc.) definitiv valide Aussagen über neuropysiologische
Abläufe bezüglich freiwillig bewusster Handlungsabsicht und
-ausführung ergaben, wonach letzterer mit einer ca. 500ms unbewusst
ablaufenden Vorbereitungszeit eingeleitet wird. Die bewusste
Wahrnehmung dieser Intention erfolgt ca. 300ms nach der Ausführung.
Aus diesen Messergebnissen jedoch die Existenz eines sog. Freien
Willens abzuleiten bzw. infrage stellen zu wollen, ist nach wie vor
ein unzulässiges Ansinnen, da dieses derzeit noch nicht (wenn
überhaupt jemals) eine naturwissenschaftlich, sondern philosophisch zu
klärende Frage ist.
Wir hatten hier vor einiger Zeit über Willensfreiheit diskutiert und
so würde es sich anbieten, daran anzuknüpfen. Für meinen Teil bleibe
ich bei meiner Einschätzung, dass Menschen nicht über einen absoluten,
sondern über einen bedingt freien Willen verfügen. Angelehnt an
Schopenhauers Ausspruch, der Mensch kann wohl tun, was er will, aber
er kann nicht wollen, was er will, würde ich in diesem Zusammenhang
von Freiraum sprechen, der dem Menschen typbedingt gegeben ist. Dabei
spielen die Determiniertheit im Sinne von Wahrscheinlichkeit eine
wesentliche Rolle:
Das Wahrscheinliche passiert am Wahrscheinlichsten!
Vermutlich ist es hilfreicher, anstatt tausender Seiten Literatur zum
Thema Willensfreiheit und deren individuelle und gesellschaftliche
Konsequenzen praktische Beispiele zu betrachten:
Setzt man einen Stimulus (gleich ob als Aussage oder Handlung) gegen
Menschen von unterschiedlichem Typus, also Choleriker, Sanguiniker,
Melancholiker oder Phlegmatiker, wird man in aller Regel
dementsprechende Reaktionen ableiten können. Damit wird deutlich, dass
die angeborene Charakteristik auch für die jeweils eigene
Handlungsplanung und -ausführung wesentlich entscheidend ist, darüber
hinaus der erworbene und intelligible Charakter maßgebliche Kriterien
für die individuelle Willensbildung sind. Letztere wird selbstredend
auch durch entsprechende Sozialisierung beeinflusst.
Davon ausgehend, dass sich zu diesem Thema noch eine lebhafte
Diskussion entwickelt, möchte ich hier zunächst enden, um hier nicht
zu sehr auszuufern.
Bester Gruß! - Karl
PS: Ich würde mich nicht unbedingt an die Aussage des radikalen
Relativisten H.J. Niemann binden, amüsant ist diese allemal:
„Das mit der Konstruktion haben nicht die Leute erfunden, die sich
jetzt (seit den 80er Jahren) damit brüsten und "Konstruktivisten"
nennen. Es handelt wahrscheinlich sich um Wissenschaftsbetrüger, die
ihr Wissen nur von Kant und Popper gestohlen haben und es als ihre
Erkenntnis ausgeben. Vielleicht haben einige von ihnen auch nicht
gestohlen, sondern einfach nicht gelesen, was andere schon vor ihnen
gemacht haben. In jedem Fall haben sie die Rolle der Kritik überhaupt
nicht oder erst nach Jahrzehnten erkannt.“
3. Was die Eigenschaften des Waldemar anbelangt müsste er die
Unterschiedlichkeiten dieser einmal bedenken. Zudem ist die von der
erlebten Statue erlebte Rose die ganze Welt, die Wirkung der Rose auf
die Statue wird nur vom Betrachter gedacht. Und nur ein
Überbetrachter könnte sagen, dass eben alles was der Betrachter
denken kann, seine Welt ist. Welche Stelle nimmt Waldemar ein? Hier
sehe ich ganz deutlich die fiktive Grenzsetzung, und zwar die des
Üexküll (
https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Johann_von_Uexk%C3%BCll)
in Welt und Umwelt, die nur vom Betrachter gezogen werden kann.
4. Ist hier jemand, der dem Libet-Experiment misstraut? Wobei? Hier
scheint mir ein erklärender Aufsatz zu sein:
https://www.zhb.uni-luebeck.de/epubs/ediss2097.pdf, den ich noch
richtig lesen muss.
s.o.
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