Am 13.08.2022 um 23:17 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
it: “ .... Und auf das Ganze bezogen könnte die Mathematik als Geist des Universums
angesehen werden …“
Exakt und bezogen auf Galileos Aussage, das Buch der Natur sei in der Sprache der
Mathematik geschrieben, würde ich dazu anmerken wollen, dass zur axiomatischen Gültigkeit
der mathematischen Gesetzmäßigkeit eine diese übersteigende Ausformulierung
(menschengemachtes Formelwerk) nicht gänzlich jener der Natur kongruent ist bzw. sein
kann.
Das hat eine gewisse Parallele zur anthropomorphen Gottesvorstellung der Menschen, wonach
diese letztlich nie den jeweiligen Denk- und Vorstellungshorizont übersteigen und somit
keine letztgültige sein kann, zudem „Denk-Horizonte“ generell sehr unterschiedlich in
Menschen angelegt sind.
Moin Karl,
ich hatte geschrieben …
„Als Abstraktor wäre „Geist“ nachvollziehbar zu abstrahieren. Aber wovon? Von
Sprachhandlungen oder Neuronenaktivitäten oder gar von mikrotubulären
Quantenverschränkungen? Hinreichend invariant formuliert, wäre „Geist“ dann unabhängig von
speziellen Sprachhandlungen oder Neuronenaktivitäten. Und auf das Ganze bezogen könnte die
Mathematik als Geist des Universums angesehen werden.“
… und mich gerade nicht auf die „axiomatische Gültigkeit“ der Mathematik bezogen,
geschweige denn sehe ich die Mathematik als „Sprache der Natur“ an. Metaphorisch kann man
das natürlich so formulieren, ich meinte es aber methodisch. Und methodisch reichen die
Annäherungen an „das, was ohne Ende ist“ bspw. aus dem "deep field“ des JWST bis in
die "conformal infinity“.
Über Penrose hatten wir uns hier ja schon öfter ausgetauscht, ein genialer Mathematiker
mit einer Neigung zum Idealismus. Aber das schmälert nicht meine Faszination für seine
Visionen, die auch als SciFi interessant bleiben, zumal er ja für die Möglichkeit eines
„Quantenbewusstseins“ argumentiert. Kosmischer und cerebraler Untergrund könnten so
zusammengedacht werden. Im Detail bleibt aber noch sehr viel zu tun; wie wir das ja gerade
am Beispiel der Einzeller thematisiert hatten. Und weiter geht die Beantwortung der Frage,
wie aus den chemischen Reaktionsnetzwerken die Populationsdynamik in den ökologischen
Nischen hervorzugehen vermag. Siehe dazu: "Dynamical mean-field theory: from
ecosystems to reaction networks“:
https://arxiv.org/abs/2205.02204 <https://arxiv.org/abs/2205.02204>
"We find a reaction network whose large-scale behavior recovers the random
Lotka-Volterra model recently considered in theoretical ecology.“ D.h. den Grenzübergang
von der großen Zahl sehen die Autoren als wesentlich für das Leben an; denn ein "key
aspect of life is that it involves, at any scale, the coordinated action of a very large
number N of distinct elements. This latter feature opens the possibility of exploiting an
N to infinity limit to obtain a tractable theory, with the tantalizing promise of
obtaining universal results.“ Und was die Reaktionsnetzwerke für die ökologischen Nischen
in der Natur sind, dürften die Kommunikationsnetzwerke für die kulturellen Nischen in der
Menschheit sein.
IT