Am 01.03.2021 um 17:02 schrieb Ingo Tessmann:
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> Warum die Gereiztheit? Der Determinismus zählt gemeinhin zur Metaphysik, denn in der
Physik kommt er nicht vor, dort gelten Formalismen und Experimente. Und hinsichtlich der
mehr oder minder großen Vagheit jeder Erfahrung, Prognose und Messung geht es stets um
Wahrscheinlichkeiten, die nur in idealisierten Grenzfällen rein deterministisch oder rein
zufällig ausfallen (angemerkt: Ist die Gerechtigkeit analog zwischen Egoismus und
Altruismus dehnbar?). Dabei scheint die Radioaktivität den seltenen Fall einer
vollständigen Annäherung an das Ideal zu sein. Was folgt aus dieser Asymmetrie der
Wahrscheinlichkeit? Determinismus bleibt ideale Fiktion, Zufälligkeit existiert wirklich.
Selbstredend existiert Zufälligkeit! Wer wollte das in Abrede stellen?
Bezüglich meiner Auffassung einer deterministisch angelegten Welt spielt
der Zufall nur eine sehr eingeschränkte (wenngleich entscheidende
Rolle), wie er sich durch minimale Symmetriebrüche auswirkt. So ist
meine Weltsicht eben auch nicht strikt deterministisch.
Es geht hier nicht um Wortglauberei sondern um grundsätzlich
unterschiedliche Weltanschauungen, die wir in unserem Fall zum einen als
positivistisch zum anderen als transzendental angelegt sehen. Keine
dieser Richtungen sehe ich absolut ausgerichtet, dabei könnte es eine
Rolle spielen, dass wir beide von der Technik her kommen. Will sagen,
dass ich als Nachtrichteningenieur hinreichend Physik und Mathematik
beherrsche, denn NT fußt ausschließlich auf diesen Fachgebieten. So
beschäftigt man sich mit Leibniz und Laplace (bei weitem nicht nur
philosophisch). Beide stehen bekanntlich für eine eher deterministische
Weltanschauung, wobei der Laplacesche Dämon glücklicherweise (wie von
mir zuletzt erwähnt) den gütigen Schleier der Natur nicht zu
durchdringen vermag, welcher uns Menschen vor lebenspraktisch
unerträglicher Allwissenheit schützt.
Meine Präferenz für eine (in gewissem Umfang) deterministische Deutung
zeigt sich auch in meiner Zuneigung für die De-Broglie-Bohm-Theorie,
Everetts many worlds oder die Ensemble-Interpretation (Thesen, die
selbstverständlich von Materialisten sogleich in die ihnen unzugängliche
Metaphysik verwiesen werden).
Bezüglich hier diskutierter an Philosophie ausgerichteter Thematik ist
also offensichtlich, dass ich eher einer Transzendentalphilosophie zuneige.
Empfindlich reagiere ich, wenn man mir Geisteshaltungen zuschreibt, die
man (eben unter materiell positivistischer Perspektive) als irrationale
Ausformungen aus dem (weiten) Bereich der Metaphysik deklariert (etwa
Gottes- oder Geisterglaube).
Weiterhin löst es Unmut in mir aus, wenn undifferenziert und
schlagwortartig in Manier einer „1/0“-Logik argumentiert wird; so eben:
Physik kenne keinen Determinismus. Aus eng begrenzter und strikt
logischer Sicht auf die physikalische Welt trifft das offenbar zu, doch
wer sollte verbieten, diese Sichtweise in eine über pure Physik
hinausragende Welt also die der Meta-Physik (was nach der Physik kommt
oder auch, was neben der Physik existiert) zu transzendieren!?
Zugegebenermaßen schwerlich zu verdauen für einen Naturalisten, der
nichts aber auch wirklich nichts neben seiner „Physik“ gelten lässt.
Naturalist, Physikalist, Determinist, Idealist und so fort. Aber genau
diese einseitige, ausschließliche Festlegung/Zuschreibung auf eine
spezifische Weltsicht ist mir zuwider.
Mit bestem Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
PS: Chaitin‘s Dokument kannte ich noch nicht. Ich habe es eben nur
überflogen und will beizeiten darauf hier eingehen.
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> Chaitins "Algorithmic Information Theory“ wirst Du kennen, für die
interessierten Mitlesenden hier eine Kurzfassung:
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https://arxiv.org/pdf/math/0303352.pdf