Am 03.12.2017 um 16:13 schrieb Rat Frag:
(kj)/Im Gehirn
ist demnach die „Weisheit unzähliger Generationen“
gespeichert, mitnichten also gilt das „tabula rasa“ der Vertreter des
Behaviorismus und somit rückt in der Frage von (an den sog. Freien
Willen geknüpften) Verantwortlichkeit menschlichen Handelns der
(eingeborene) Charakter in den Fokus der Betrachtung./
Rat: Hier muss ich DEUTLICH
widersprechen:
Schon bei Skinner findet sich die eindeutige Bezugnahme auf die Evolution.
Er spricht davon, dass durch die Evolution und durch die
Konditionierung (Erfahrungslernen) das menschliche Verhalten an die
Umweltbedingungen angepasst wird.
Keineswegs glaubt er an eine "tabula Rasa", die dann mit beliebigen
Inhalten gefüllt werden könnte.
Es handelt sich also (leider) um einen populäre Fehldarstellung des
Behaviorismus. Man könnte, ja müsste, den Vorwurf erheben, dass hier
Strohmänner abgebrannt werden. Ein klassischer inhaltlicher
Argumentationsfehler.
Ein kurzer Zwischenruf diesbezüglich:
"mitnichten also gilt das „tabula rasa“ der Vertreter des Behaviorismus"
schrieb ich und denke auch nach Deinem Widerspruch nicht, dass ich damit
einer "populären Fehldarstellung" Vorschub leiste; obgleich natürlich
mein den Vertretern des Behaviorismus (durchaus salopp) zugeschriebenes
"tabula rasa" einem Stereotype entspricht.
Letztere kommen jedoch nicht ohne Grund in unsere „Wortwelt“, drücken
tendenziell also einen konkreten Erfahrungs- bzw.
Interpretationshintergrund von Vertretern einer bestimmten Denkrichtung
(hier also dem Behaviorismus) aus. Der von Dir benannte Skinner ist m.W.
ein signifikanter Vertreter des radikalen B. (Verneinung der
Existenz von Bewusstsein, also innerer kognitiver, bewusster Prozesse;
illustriert als Black-Box). Etwas anders sah das schon sein in gleicher
Linie stehende Zeitgenosse Hull, der (ebenso wie Skinner unmittelbar von
Thorndike, jedoch zusätzlich auch von Lewin und Tolman beeinflusst) dem
Neobehaviorismus zugerechnet wird.
Auch er meidet Annahmen über das Bewusstsein, ebenso wie über
ausschließlich subjektiv zugängliche intrinsisch-psychische Prozesse. In
seiner grundlegenden Triebtheorie kann er sich jedoch nicht
ausschließlich auf die klassischen Reiz-Reaktions-Begriffe des
Behaviorismus stützen. Er postuliert "intervenierende Variable" als
Prozesse zwischen Reiz und Reaktion, ohne diese einem irgendwie
gearteten Bewusstsein zuzuschreiben;
Sowohl die Tabula-rasa-Auffassung (zurückgehend u.a. auf Hume, Locke),
ebenso die Außerachtlassung evolutionärer Fakten, wie vor allem die
dogmatisch rigorose Ablehnung von Introspektion und Selbsterfahrung,
haben m.E. den Behaviorismus in den Hintergrund gedrängt. Daran ändert
offenbar auch nichts die vom Neobehaviorismus erklärte Akzeptanz von
Hypothesen über innere Verbindungen.
Ein wesentlicher Vorteil positivistischer Wissenschaftsphilosophie, in
diesem Fall als Gegenstand der Verhaltenspsychologie (im Geiste des B.),
ist sicher darin zu sehen, dass bei der Erforschung beobachtbaren
Verhaltens, (ohnehin) nicht unmittelbar erkennbare geistige Prozesse zur
Verhaltenserklärung ausgeschlossen werden.
Damit bleibt die Erforschung gesetzmäßiger Beziehungen zwischen Reizen
und Reaktionen frei von metaphysischer Spekulation; sie beschränkt sich
auf die Identifikation von verhaltensbestimmenden Umweltvariablen.
Hingegen, und obwohl kognitive Prozesse nicht beobachtbar sind, kann
sich die Kognitive Psychologie mit einer (die behavioristischen
Prinzipien übersteigenden) Gesamtschau der Verhaltensforschung
beschäftigen, um Schritt für Schritt weitere Erkenntnisse über das
„System“ menschlichen Verhaltens zu gewinnen.
Bester Gruß!
Karl